Hallo smart65 und Wildaster!
Ja, ich hatte schon befürchtet, dass dieses Thema die unterschiedlichsten Gefühle aufreißen würde. Kaum etwas bewegt so wie die Beziehungen zwischen sich sehr nah stehenden Menschen. Und die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern ganz besonders.
Eigentlich wollte ich mich ganz raushalten, weil ich euer beider Seiten verstehe und niemand sagen kann, was nun eigentlich richtig ist und was nicht. Natürlich ist die Familie das Wichtigste überhaupt und man sollte sich möglichst immer wieder verzeihen und von vorne anfangen, egal, wie oft es nötig ist. Nichts und niemand kann die Familie ersetzen. Und ich gehöre auch zu denen, die immer wieder einen neuen Anfang machen, wenn etwas geschehen ist, das eigentlich nicht hätte sein dürfen. Ich verzeihe und liebe weiter und umgedreht ist es genauso, denn bei allen mitunter nicht leichten Krisen lieben wir uns. Nur in manchen Familien bezahlt man dafür einen zu hohen Preis und nicht immer sind Eltern Freunde. Eltern können auch Monstren sein, ebenso die Kinder. Ich kenne Menschen, die bekommen schon Bluthochdruck, wenn nur die Sprache auf die Familie kommt, die völlig überfordert damit sind, sich wieder in die gleichen alten, oft wirklich üblen Verhaltensmuster hineinziehen zu lassen, denen sie schon zu oft und zu lange ausgeliefert waren. Es gibt Menschen, denen das Blut gefriert, sobald sie nur die Stimme der Mutter hören oder die des Vaters. Da ging über Jahrzehnte hinweg aber auch gar nichts. Und dann, ganz plötzlich, in irgendeiner Notsituation, vergaßen sie alles und halfen. Waren wieder da, hielten die Hand der Eltern im Krankenhaus, trösteten ein Elternteil, wenn das andere gestorben war... Heilung ist immer möglich. Aber leider sind nicht alle Eltern so schlau, aus der Vergangenheit zu lernen, sondern kommen sofort wieder in diese gefürchteten Verhaltensmuster zurück, wenn alles "normal" zu sein scheint. Und so manches Kind kann dann nur entsetzt zusehen, wie es selber wieder zum Kind "mutiert", weil ebendiese Verhaltensmuster in ihnen etwas auslösen, das sie schon lange überwunden glaubten. Das nennt man wohl "konditionierte Reflexe"...
Ich kenne Geschwister, die lange Jahre nicht mehr miteinander sprachen – und plötzlich geschieht etwas und sie können neu anfangen, sich eine neue Art von Verhältnis erarbeiten, können sich etwas aufbauen, das trägt.
Auch mit Eltern ist das möglich, aber nur, wenn beide Seiten wollen.
Und damit sind wir bei etwas, das ich völlig anders sehe als scheinbar der Rest der Welt: dass angeblich immer beide Seiten Schuld haben. Klar, es gibt immer zwei Seiten. Aber es ist auch möglich, dass auf einer der beiden Seiten ein unglaublicher Egomane sitzt, dem alles egal ist außer er selbst. Wenn einer nicht will, dann kann der andere machen was er will. Es wird nichts helfen.
smart65 ist momentan auf der Suche nach Wahrheit. Und ich glaube, er gibt sich ernsthaft Mühe, hinzusehen. Manchmal muss erst alle Wut und Enttäuschung raus, damit Platz ist für etwas anderes. Und dafür finde ich es gut, wenn er alle Schuldzuweisungen rausschreit, die an ihm nagen. Um etwas auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfen zu können, muss man es erst einmal anschauen, muss es rauslassen, darf es nicht verstecken. Das ist wichtig. Darum fände ich es gut, wenn auch weiterhin dieses Thema hier seinen Platz hätte. Es ist von smart65 unglaublich mutig, sich hier so zu öffnen. Und es tut weh, dann Antworten zu erhalten, die einem das Gefühl geben, nicht verstanden oder kritisiert zu werden. Trotzdem ist das wichtig und nötig. Denn nur, wenn an den eigenen Gedanken gekratzt wird, kann man erkennen, wo der Schmerz denn nun wirklich sitzt und ob man mit dem, was man denkt und fühlt, tatsächlich ganz richtig liegt. Wichtig ist nur, dass alle Gesprächsteilnehmer einfühlsam miteinander umgehen. Und ich denke, das ist hier der Fall. Wildaster hat völlig andere Lebenserfahrungen als smart65. Und diese Erfahrungen brannten ihr so auf der Seele, dass sie diese Einwürfe machen musste. Das tat sicherlich weh. Und ob in diesem Fall die Ratschläge gut oder schlecht waren, das weiß man nicht. Aber ich glaube, dass Gedankenimpulse sehr wichtig sind. Ein Trick, mit dem ich selber immer umgehe, ist folgender: Wenn mir jemand etwas sagt, das mir sehr wehtut, dann frage ich mich immer, was ich im allerersten Impuls GEDACHT habe. Das habe ich irgendwann mal aus einem Psychologiebuch. Und es funktioniert tatsächlich. Damit kommt man sich auf die Spur.
@ smart65: Als ich dein Posting 36 gelesen habe, wollte ich dir eigentlich gleich antworten, aber dann kam ich mir vor wie ein Klugscheißer

) und ich habe es erstmal unterlassen. Der Grund, warum ich antworten wollte, war der, dass ich beim Lesen ganz laut das Gefühl hatte, dass du so schnell vor etwas wegläufst, dass das schon als "tief geflogen" durchgehen könnte. Ich dachte an Tim Taylor, der meiner Meinung nach häufig genug seine ganz persönlichen meditativen Zeiten hat. Wenn er z.B. einen Oldtimer zusammenbaut, dann ist er ganz tief in sich selbst versunken – ok, bis zum nächsten Unfall, aber zumindest hat er im Krankenhaus schon seine eigene Tasse...

) Ich habe mich gefragt, warum du alle Gedanken und Gefühle in dir durch Aktivitäten betäuben musst. Damit bin ich einige Tage durch die Welt geschlichen. Entweder läufst du vor Gefühlen weg, die du dir nicht anschauen willst, oder vor einer Situation, die dir Angst macht. Die andere Möglichkeit ist die, dass du so lange gezwungen warst, immer in Aktivität zu sein, dass du nicht mehr zurück zur Ruhe findest. Ich vermute fast, dass von allem etwas dabei ist. Du hattest ja von deinen Ängsten geschrieben, deine Familie verlieren zu können. Und ich könnte mir vorstellen, dass aus der Vergangenheit noch einiges nicht verarbeitet ist, das du aber ad acta gelegt hast, weil es zu sehr wehtut. Aber wenn Ruhe ist, dann ist das nicht Stillstand=Untergang, sondern Schmerz. Deine Welt könnte explodieren, wenn du "hinschaust", "hinfühlst", "hinhörst". Könnte das sein? Glaub mir, die Welt geht nicht unter, wenn es zur Stille kommt. Stille bringt Heilung, allerdings nur über den Umweg Schmerz. Wie findet deine Frau es eigentlich, dass du so ein "kleiner Hamster auf Speed" bist? Kann sie damit gut umgehen oder überforderst du sie auf Dauer damit?
Dein offener Brief ist mir übrigens sehr nahe gegangen. Ohne zu wissen, was zwischen euch so alles vorgefallen ist, spürt man all deinen Schmerz und deine Zerrissenheit. Und ich persönlich hatte das Gefühl, dass die Frage an deine Ex-Frau im Raum steht, warum sie dir so wehgetan hat. Für uns ist es im Moment nicht wichtig, was SIE empfunden hat und was DU alles falsch gemacht hast, denn hier, in diesem Thread, geht es um DICH. DU bist die Hauptperson und du entscheidest, was auf den Tisch kommt und was nicht. Wenn du irgendwann das Bedürfnis haben solltest, die Gefühle deiner Ex-Frau unter die Lupe zu nehmen, dann machen wir das. Verkehrt wäre es bestimmt nicht, denn man lernt aus dem Vergangenen für die Zukunft und macht manche Fehler nicht wieder, wenn man sie erst einmal erkannt hat. Und wer macht schon alles richtig?!?
Auf jeden Fall finde ich es richtig, richtig gut, dass du den Mut hast, dich hier über alles auszutauschen. Dafür verdienst du einen Orden. :bier: Und ich finde außerdem, dass wir damit gar nicht so weit weg sind vom Darm. Denn diese Sachen machen ihm mindestens genauso zu schaffen wie falsche Lebensmittel u.Ä.
Viele liebe Grüße :wave:
Sonora