Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Handhabung mit und ohne Corona-Virus

Themenstarter
Beitritt
10.01.04
Beiträge
72.784
...
Wann kann der Arbeitgeber eine Krankschreibung zurückweisen?
Arbeitgeber können eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) immer dann zurückweisen, wenn sie den begründeten Verdacht haben, dass der Mitarbeiter in Wirklichkeit gar nicht krank ist und es sich bei der Krankschreibung nur um eine Gefälligkeitsbescheinigung handelt.

Wer jedoch blaumacht und sich dadurch die Entgeltfortzahlung erschleicht, begeht juristisch gesehen einen Betrug am Arbeitgeber. In der Folge drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen - von der Abmahnung bis hin zur Kündigung*.
Eine Krankschreibung zurückweisen ist jedoch in der Praxis nicht so einfach. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist tatsächlich sehr beweiskräftig. Um diesen Beweis zu erschüttern, muss der Arbeitgeber schon Tatsachen vorweisen können, die "ernsthafte und begründete Zweifel" am Attest aufkommen lassen.
In diesen Fällen zweifeln Arbeitgeber eine Krankschreibung an:
Aus diesen Gründen zweifeln Arbeitgeber typischerweise den "gelben Schein" an:
  • Die Arbeitsunfähigkeitbescheinigung wurde ausgestellt, ohne den Patient vorher zu untersuchen.
  • Die Krankschreibung wurde mehr als drei Tage rückwirkend ausgestellt.
  • Der Mitarbeiter kündigt nach einem Streit regelrecht an, krank zu feiern ("Dann bin ich morgen eben krank!").
  • Der Arbeitnehmer meldet sich ständig unmittelbar vor oder nach dem Urlaub krank.
  • Der Arbeitnehmer weigert sich, sich vom Medizinischen Dienst untersuchen zu lassen.
  • Während der Krankschreibung wird der Mitarbeiter beobachtet, wie er einer Tätigkeit nachgeht, die für Kranke nicht üblich ist, z.B. beim Nachbarn auf der Baustelle helfen. Einem krankgeschriebenen Arbeitnehmer, der in der Nacht als DJ arbeitete, durfte etwa außerordentlich gekündigt werden (Aktenzeichen CA 4192/13).
So findet der Chef stichhaltige Indizien, um Attest anzuzweifeln
Ihr Chef muss jedoch, wie bereits gesagt, stichhaltige Indizien vorlegen können, um zu beweisen, dass das Attest zu Unrecht ausgestellt wurde. Ein Arzt wird dies vor Gericht wohl kaum zugeben.
Wie Ihr Chef herausfindet, dass Sie krankfeiern, können Sie hier nachlesen.
...
...
Was sind die Regeln, wenn mein Kind erkrankt ist?
Ein Arbeitnehmer hat grundsätzlich weiterhin Anspruch auf Vergütung, wenn er seine Arbeitsleistung für einen unerheblichen Zeitraum nicht erbringen und dafür nicht verantwortlich gemacht werden kann.

Eine solche Situation liegt z.B. bei der eigenen Hochzeit, Todesfällen im engsten Familienkreis, der Wahrnehmung von Gerichtsterminen oder auch bei der Erkrankung des Kindes vor.

Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist bei Erkrankung eines Kindes unter acht Jahren ein Zeitraum von fünf Arbeitstagen als so genannte „vorübergehende Verhinderung“ als angemessen angesehen worden.

Demnach müsste der Arbeitgeber für fünf Arbeitstage das Gehalt zahlen und kann dafür keine Gegenleistung beispielsweise in Form von nachträglichen Überstunden verlangen.

Doch Vorsicht! § 616 BGB ist laut ARAG Experten in einem Arbeits- oder Tarifvertrag abdingbar, d.h. diese Regelung kann vertraglich ausgeschlossen werden.
...

Situation im Zusammenhang mit dem. Corona-Viruss:
...
Coronavirus:
Das liegt nicht allein an der hohen Zahl der Krankheitsfälle. Viele Arbeitnehmer sind gezwungen, auch bei leicht verlaufenden Erkrankungen ihren Arzt aufzusuchen. Grund dafür: Sie brauchen eine Krankschreibung*. Denn bisher ist es üblich, dass Vorgesetzte nach spätestens drei Tagen eine Krankmeldung verlangen. Doch nicht immer ist der Gang zum Arzt notwendig, so kurieren sich leichte Symptome meist von selbst in wenigen Tagen aus.

Nun fordert der KBV Arbeitgeber auf, den Zeitraum bis zur Vorlage der Krankmeldung auf bis zu sechs Tage zu verlängern. Durch diese Änderung könnten Arztpraxen entlastet werden.
...
Coronavirus: Von Krankmeldung-Regelung profitieren chronisch Kranke
Der KBV hält sich selbst als Arbeitgeber an die vorgeschlagene Maßnahme, wie der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Stephan Hofmeister in einem Statement zum aktuellen Stand mitteilte. Um die ambulante medizinische Versorgung zu entlasten, sollen auch andere Unternehmen * die Regelung für ihre Mitarbeiter einführen. Profitieren würden ebenfalls Patienten mit bereits angeschlagenem Immunsystem, die besonders gefährdet sind, sich mit dem Virus anzustecken.
...


Grüsse,
Oregano
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
...
Vertragsärzte dürfen Patienten ab sofort bis zu 14 Tage am Telefon krankschreiben. Voraussetzung ist, dass es sich um eine leichte Erkrankung der oberen Atemwege handelt. In solchen Fällen ist die telefonische AU auch möglich, wenn der Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus besteht.

Bereits seit etwa zwei Wochen dürfen Ärzte nach telefonischer Anamnese eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beziehungsweise eine ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei der Erkrankung eines Kindes für bis zu einer Woche ausstellen.
Jetzt haben KBV und Krankenkassen die Regelung noch einmal erweitert. Neu neben der längeren Dauer von bis zu 14 Tagen ist, dass unter die Regelung auch Patienten fallen, bei denen ein Infektionsverdacht besteht. Voraussetzung ist immer, dass es sich um leichte Beschwerden der oberen Atemwege handelt.
Damit können Patienten im Verdachtsfall zu Hause bleiben und müssen nicht wegen der bloßen Attestierung einer Arbeitsunfähigkeit extra in die Praxis kommen. Gleichzeitig soll das Risiko für eine Ausbreitung des Virus reduziert werden. Die Regelung zur telefonischen AU ist bis zum 23. Juni befristet.

Arzt informiert über Test
Sollte bei einem Patienten mit Infektionsverdacht eine Labordiagnostik (nach RKI-Kriterien) erforderlich sein, informiert der Arzt ihn darüber, wo er sich testen lassen kann. In einigen KV-Bereichen benötigen Patienten für die Untersuchung eine Überweisung (Muster 10). In diesen Fällen schickt der Arzt die Überweisung dem Patienten per Post zu. Der Arzt muss außerdem darauf hinweisen, dass der Patient unverzüglich einen Arzt aufsucht – nach telefonischer Anmeldung –, falls es ihm gesundheitlich schlechter geht.
...
Verwendung der eGK
Auch für die telefonische AU-Bescheinigung benötigen Ärzte für die Abrechnung die Versichertenstammdaten des Patienten. Hierbei gibt es folgende drei Konstellation:

• Der Patient war in dem Quartal in der Praxis, die elektronische Gesundheitskarte wurde eingelesen: Die Versichertendaten liegen bereits vor.
• Der Patient ist der Praxis bekannt, war in dem Quartal aber nicht da: Die Praxis übernimmt die Versichertendaten aus der Patientenakte.
• Der Patient ist unbekannt, er war noch nicht in der Praxis. Das Praxispersonal erfragt am Telefon die Versichertendaten und pflegt sie händisch ein:
o Name des Versicherten
o Wohnort des Versicherten (PLZ)
o Geburtsdatum des Versicherten
o Krankenkasse
o Versichertenart (Mitglied, Familienversichert, Rentner)

Grüsse,
Oregano
 
19.4.20
... Keine Verlängerung der Telefon-AU: Der GBA-Beschluss von Freitag stößt bei den Wenigsten auf Gegenliebe. Im Gegenteil: Die Kritik an dem Gremium ist massiv.
...
Ärztevertreter, Gesundheitspolitiker und Verbraucherschützer üben massive Kritik an der Entscheidung, die Möglichkeit für telefonische AU-Bescheinigungen nicht zu verlängern.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) nannte den Schritt am Samstag „verfrüht“. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es wichtig, Infektionsrisiken konsequent zu vermeiden. Auch Ärztevertreter und Vertreter anderer Parteien und Verbraucherschützer sprachen von einem Fehler und forderten, dass die Entscheidung zurückgenommen wird.

„Es ist zu befürchten, dass nun auch COVID-19-Patienten wieder in den Arztpraxen erscheinen und dadurch andere Menschen anstecken. Das muss verhindert werden“, sagte Huml. Sie forderte eine Verlängerung der Ausnahmeregelung.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hatte am Freitag beschlossen, die Sonderregelung zum 20. April auslaufen zu lassen. Ärzte dürfen Erkrankte ab dann nur mehr nach persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt krankschreiben. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hatte das begrüßt. Die Möglichkeit zur Telefon-AU hatte die Selbstverwaltung Anfang März beschlossen.
...
 
Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln ;) , was ich eine gute Entscheidung finde. - Denn sonst hätten eben doch wieder kranke Menschen, evtl. mit Virus, in den Wartezimmern der Ärzte gesessen und hätten so andere anstecken können.

...

Telefonische Krankschreibung doch weiterhin möglich
Gemeinsamer Bundesausschuss will Entscheidung zurücknehmen

Die telefonische Krankschreibung soll als Ausnahmeregelung in der Corona-Krise auch weiterhin möglich sein.
Die Regelung, wonach sich Patienten mit leichten Erkrankungen der Atemwege nach telefonischer Rücksprache mit ihrem Arzt befristet krank schreiben lassen können, soll voraussichtlich bis zum 4. Mai verlängert werden, wie der unabhängige Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, am Montag in Berlin mitteilte. Ein entsprechender Beschluss sollte noch am Montag gefasst werden.
Der G-BA nahm damit seine Entscheidung vom Freitag zurück, die telefonische Krankschreibung am Sonntag auslaufen zu lassen. Dies war wegen der möglichen Gefährdung für Ärzte, Praxispersonal und Patienten auf Kritik gestoßen.

Mehr zum Thema: https://www.gesundheit.de/news/urn.newsml.afp.com.20200420.doc.1qp5qu

Grüsse,
Oregano
 
Oben