Zeig mir deine Sucht und ich sage dir...

Themenstarter
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15.10.06
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Hallo Forum.

Wer eine kleinere oder grössere Sucht hat, ist schon ein Meister, wenn er das erkannt hat.

Der nächste Schritt ist ja wohl, sich zu überlegen, was man dagegen unternehmen will.
Eine kluge Ärztin hat mir mal gesagt: " Wenn man ihm ( einem Alkoholiker ) die Sucht wegnehmen will, muss man ihm dafür etwas anderes geben."
Das ist bestimmt ein wichtiger Punkt. Niemand gibt gerne was hin, das ihm so viel bedeutet hat, ohne dass man die Lücke vernünftig wieder auffüllt.

Nun meine Frage: Wie findet man denn heraus, womit man vernünftigerweise die Lücke füllen sollte?

Dazu eine Theorie von mir:
Bei den unzähligen Süchtigen, die es gibt, kann man glaube ich, Unterteilungen machen.
Z.B. diejenigen, die vergessen wollen. Dann diejenigen, die sich besser spüren wollen. Andere, die nicht mehr spüren wollen. Jene, die Trost suchen und andere, die vom Erdendasein flüchten wollen. Und so weiter und so fort...
Wenn man sich also bewusst werden kann, was man eigentlich in der Droge gesucht hat, kann man doch den Entzug bestimmt vereinfachen.
Oder man kann bei einer Therapie mit dieser Erkenntnis arbeiten.

Auf den Punkt gebracht:
Ähnliche Problemtypen haben ähnliche Süchte.

Zu dieser Theorie finde ich überhaupt nichts im Netz.:eek:)
Ist das Mumpitz?
Und wenn es das ist, warum sind dann nicht alle Menschen nach den gleichen Substanzen süchtig?

Ich freue mich, wenn ihr euch auch Gedanken darüber macht.
( Oder wenn mir jemand einen Link dazu weiss, dann gebe ich Ruhe ;) )

Liebe Grüsse, Sine
 
...wie wäre es mit noch einem andern Ansatz ?

Ich nenne ihn mal "toxikologisch-hirnorganischen" Ansatz:

Das Hirn ist ein Organ, wenn dieses durch Schadstoffe und Umweltgifte in seiner Funktion gehemmt wird, wird man süchtig. Hormone, Botenstoffe und was alles so zum Glücklichsein gehört, wird gehemmt oder gestört. Dann kommt die Sucht, weil einem was fehlt.

Daunderer beschrieb das mal auf TC und auch hier im Forum hörte ich schon mal Meinungen hierzu. Finde das sehr, sehr einleuchtend.

Dieser Ansatz steht aber nicht in Konkurrenz zu anderen Erklärungsmustern, sondern ist eher als Ergänzung zu sehen, denke ich.

Ich persönlich würde mich derzeit als Zucker- und Koffeinsüchtig bezeichnen. Meiner Meinung nach noch die "besten" Suchtmittel (zumindest weniger schädlich als Zigaretten, Alk und Drogen...).
 
Und wie würden wir jetzt nach diesen beiden Theorien oli am besten therapieren?
Vorschläge?
 
Merkwürdigerweise hat mich die etwa 2-monatige Brotrunk-Kur (ca 0,5 Flasche am Tag) letztes Jahr stark vor Süßigkeiten bewahrt.

Ich trank den Brottrunk auf Empfehlung von bh67 (so hieß er damals noch:D) und hatte kein Verlangen mehr nach Süßem. Mittlerweile bin ich wieder drin im Kreislauf und habe starke Gelüste....:popcorn:
 
In dem Fall geht es wohl um Dinge, die der Körper fordert.
Aber die Seele verlangt ja auch nach " Befriedigung " ihrer Bedürfnisse.
Und dort kommt dann meine Theorie wieder zum Zug.
Bei den seelischen Mankos kommen dann auch die härteren Drogen zum Einsatz, denke ich.
Sine
 
Hallo Sine,

es gefällt mir, wie Du Deinen eigenen Gedanken folgst und mal schaust, wohin sie Dich führen. Die eine Sucht - die als solche nicht erkannt ist, staatlich unter dem Prädikat "Bildung" gefördert wird und ein hohes Abhängigkeitspotential in sich trägt, ist das auf die Meinung und Aussagen irgendwelcher Kapazitäten mehr zu vertrauen als auf die eigene Wahrnehmung. Das führt in tiefste Abhängigkeiten gewisser alleinseeligmachender Verfahren, quasi zum anderswo bereits erwähnten "Tunnelblick", dem Verlust ganzheitlicher Wahrnehmungmöglichkeit... Eine typische Aussage solcher Süchtiger ist: ich würde ja gerne etwas an meinem Leben ändern, aber ich kann doch aus dem und jenem Grunde nicht, selbst wenn ich wollte... Das Haus, das Auto, der Urlaub, die Kinder, die Familie, ....

Da frage ich mich wirklich, ob bevor die eine oder andere Drüse den Geist aufgibt, sich der eigene Geist nicht schon eine ganze Weile zuvor zurückgezogen hat?

Ist irgendwie spannend, was sich aus einer derartigen Sichtweise so alles ableiten lässt...

Ich jedenfalls habe es heute Abend genossen, wie mein Vortrag gut angekommen ist - es fühlt sich gut an, ich geniess es. Genuss ohne Sucht. An dem Punkt, wo ich spüre, dass mein Glücksgefühl davon abhängt, höre ich damit auf - denn dann bin ich nicht mehr mich selber, sondern lasse mich von der Sucht nach Erfolg und Bestätigung leiten, und tu's nicht mehr um der Sache Willen. Und das ist dann definitv der Moment, sich zurückzuziehen und in sich zu gehen.

herzlichst - Phil
 
Das "in sich gehen" möchte ich aufgreifen. Ich glaube, dass es genau das ist, was ein Süchtiger nicht kann, oder nicht will. Ein in sich gehen heisst zu hören was die innere Stimme sagt - es heisst Ruhe aushalten zu können, es heisst schlicht ehrlich mit sich zu sein. Und wer ehrlich zu sich ist, erkennt auch im Nu seine Sucht, und das was diese mit ihm und seinem Umfeld anrichtet.
Wäre man sich selbst viel wert, und seiner Umwelt, so würde man alles daran setzten der Sucht entgegen zu trotzen. Doch meistens sind sich die Menschen sich selbst überhauptnichts, oder zumindest zu wenig wert - Warum auch immer. Meistens werden sie geplagt von Zwängen, Erlebnissen - Sachen die sie nicht verarbeiten, oder wahrhaben wollen - und das führt zur Sucht. Vor allem unterbewusste Dinge richten grossen Schaden an.

Süchtige belügen sich selbst. Immer und immer wieder - wenn sie nur genügend reflektieren könnten, und den tatsachen ins Auge blicken würden, dann wäre, wie Sine richtig sagt, schon viel getan!

Ich glaube dass das Prinzip von "etwas dafür bekommen" nicht funktioniert! Denn genau dass hat der Süchtige schon all die zeitlang! Er muss lernen auch einmal NICHTS zu bekommen - auch wenn er schlimme Gefühle hat, oder sein Körper sich nicht gut anfühlt.
Das "bekommen wollen" ist die treibende Kraft einer Sucht - das sollte nicht gefördert werden!
Der Süchtige sollte erkennen dass er mit dem puren Wegbleiben seines Suchtmittels etwas zurück bekommt, und zwar sein wahres Leben!
Ob dies nun rosig oder mies sei.

Alles Liebe
Sam
 
Apropos Leber: Auch Alkohol wirkt bei der Ratte wie beim Menschen. Ratten entwickeln sogar die gleichen Suchttypen wie der Mensch: z.B. Saufdruck durch sozialen oder körperlichen Stress. Am ZI, dem Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim, wird nach Medikamenten geforscht, die diesen verschiedenen Suchttypen den Entzug erleichtern.
www.swr.de/wiesoweshalbwarum/archiv/2004/04/01/print3.html

Es gibt also anscheinend eine Zuordnung vom Suchttyp zum Suchtmittel. Die Frage ist nur, ob das generell zutrifft oder ob nicht soziokulturelle Faktoren auch eine Rolle spielen, vor allem das Umfeld.
Sieht ein Mensch, der gerade dabei ist, in eine Sucht einzusteigen, in seiner Umwelt, daß Alkohol und Zigaretten "normal" sind zur Bewältigung von widrigen Umständen, wird er wahrscheinlich zunächst einmal auch mit Alk und Zigaretten anfangen.
Daß er dann evtl auch andere Drogen dazunimmt, hängt weiter von seinem Umfeld und seiner Süchtigkeit ab.

Gruss,
Uta
 
Danke für eure Beiträge.
Sam, von dir kommen markige Worte!
Hast du eigene Erfahrungen mit der " harten Tour ", wie von dir beschrieben, sammeln können?
Ich bin immer noch froh über weitere Mutmassungen, ob man bestimmten Menschentypen verschiedene Suchtmittel zuordnen kann.
Liebe Grüsse, Sine
 
Hallo Sine,
ich hoffe, du hast Spaß an deiner Moderatorenrolle! Wichtig ist nach der Eröffnung eines Threads, dass die anderen aber auch etwas dazu schreiben; deshalb tue ich das nun.

Im Hauptwort Sucht steckt das Zeitwort suchen. Jeder Mensch sucht nach seinen Lebenszielen, nach Freude, nach Erlebnissen, nach Gefühlen mit anderen Menschen. Der Weg zu diesen Zielen ist gepfastert mit Hürden, Ablenkungen und Anstrengungen. Entschwinden einstmalige Ziele immer weiter aus den Augen, verlocken Ersatzziele, die man unterwegs kennengelernt hat. Mit den Ersatzzielen in der Hand wird die Suche nach den Zielen in der Ferne nach und nach eingestellt. Auch Angst und Bequemlichkeit halten auf oder ab. Jedes Verweilen bei einem Ersatzziel kann süchtig machen. Essen, Trinken, Drogen, Macht, Religion und so weiter. Sucht ist die Feigheit vor neuen Erfahrungen.

Wer auf seiner Lebensreise seinen Zielen einigermaßen folgen kann, ist ein Suchender. Wer dazwischen stecken bleibt, wird zum Süchtigen. Die Wahl der Suchtmittel lassen auf Themen schließen, nach denen sich ein Mensch sehnt. Der Alkoholiker, zum Beispiel, sehnt sich nach einer konflikfreien, heilen Welt. So gut das Ziel ist, manche möchten es ohne Konflikte und Probleme erreichen. Wenn sich das als unmöglich herausstellt, schafft der Griff zur Flasche die heile Welt wenigstens für ein paar Stunden. Bis zum nächsten Kater.

Liebe Grüsse, Horaz
 
Danke, Horaz!
Das denke ich eben auch, dass die Wahl des Suchtmittels darauf schliessen lässt, was einem Menschen im Leben im Moment fehlt.
Ich werde mich weiterhin damit beschäftigen.
Endziel wäre, dass ich ein paar Stichworte zusammentragen kann zu verschiedenen Suchtmitteln. Das könnte eventuell dazu beitragen, dass jemandem die Augen geöffnet werden und er oder sie erkennt, woran er/sie arbeiten sollte.
Vielleicht etwas utopisch, aber allein der gute Wille zählt...
Liebe Grüsse, Sine
 
hallo sine,

also weisst du; ich habe schon gedacht, ich könne dir eindach meine süchte zeigen und du würdest mir dann sagen -- ja was? ich dachte, etwas spezifisches, was mich weiter bringt.
also jetzt bin ich wirklich ein bisschen traurig, dass das nicht so leicht geht.
der titel ist halt so verführerisch...

und ich finde übrigens nicht, dass man eher in süchte gerät, wenn man seelische mankos hat und nach befriedigung der seelenbedürftnisse sucht.
also da bin ich wirklich anderer meinung.
ich kann seelisch und innerlich gut erfüllt sein und trotzdem krass in ne sucht fallen.
viele süchtige können und wollen in sich gehen.

viele liebe grüsse von shelley :wave:
 
Liebe Shelley,
du hast mich durchschaut! :klatschen
Ich habe den Titel bewusst etwas reisserisch gestaltet, schliesslich will ich etwas Bewegung in diese Rubrik bringen.
Du hast etwas ganz Wichtiges angesprochen:
Ich glaube nämlich auch, dass viele schwer süchtige Menschen sehr tief empfinden können. Und sie wissen nicht, wie sie ihre verletzlichen Seelen vor belastenden Eindrücken schützen können und behelfen sich damit, einen dämpfenden Schutzmantel aus irgendwelchen Substanzen umzulegen.
Liebe Grüsse, Sine
 
Hallo!

hätte ich eigentlich ein leben gelebt, wenn ich am ende erkennen müßte, ich wäre keiner einzigen sucht erlegen?


richter
 
Hallo RR!
Deine Frage ist absolut berechtigt und kann Stoff für Diskussionen bieten.
Wie wäre es, wenn wir dazu gleich einen neuen Thread eröffnen?
Und: Wie lautet deine eigene Antwort darauf?
:wave: Sine
 
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