nicht der papa
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Warnungen, Rote-Hand-Briefe, Rückrufe & Rücknahmen von Medikamenten
Vorab. Tatsächlich ist nicht nur ein Rote-Hand-Brief wichtig. Genau so wichtig ist es alle weit vor einem Rote-Hand-Brief und einer Rücknahme gemeldeten Warnungen ernst zu nehmen.
Ein Beispiel dazu: Ende 2007 gab es einen Rote-Hand-Brief betreffend Rocephin® (Ceftriaxon), einem Breitspektrum-Antibiotikum der neueren Generation von Roche.
Datum der Erteilung der Zulassung/Verlängerung der Zulassung: 1. März 1983 / 31. Dezember 2005.
Hier wurde aufgrund weltweiter Todesfälle von Früh- und Neugeborenen, die dieses Medikament bei gleichzeitiger Gabe eines Kalziumpräparats bekommen haben, vor der gemeinsamen Anwendung gewarnt und darauf hingewiesen, dass es nicht gemeinsam gegeben werden darf.
Aber: Bereits 1996 wurde von der französischen Arzneimittelsicherheitsbehörde (Afssaps) über schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) bei Früh- und Neugeborenen berichtet, denen Ceftriaxon und kalziumhaltige Lösungen appliziert wurden. In Lungen und Nieren wurden Präzipitate von Ceftriaxon-Kalziumsalz festgestellt, die in einigen Fällen zum Tod führten.
Der Hersteller Roche selbst gab dann Anfang 07/07, 11 Jahre später, bekannt den Beipackzettel für sein Antibiotikum Rocephin um einen Warnhinweis zu ergänzen.
Demnach soll Rocephin bei Neugeborenen nicht in Kombination mit Kalzium oder kalziumhaltigen Produkten angewendet werden, teilte das Unternehmen da mit. Der Warnhinweis basiere auf Meldungen, die seit der Lancierung des Medikaments beim Hersteller eingegangen seien. In den letzten Jahren sei es bei Neugeborenen vereinzelt zu tödlichen Reaktionen in der Lunge und Niere gekommen.
Dies führte zu der weiteren Erkenntnis, dass die Präzipitate (Produkte einer Ausfällung) darüber hinaus bei Kindern und Jugendlichen zu einer biliären Pseudolithiase sowie zu Nierensteinen führen können.
Gleichwohl es hierzu tatsächlich sogar schon Veröffentlichungen aus 1988 gibt.
Bei Kindern sollten Dosen von mehr als 80 mg/kg Körpergewicht Ceftriaxon wegen des erhöhten Risikos von Ausfällungen in Gallenblase und Niere vermieden werden.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat die Fachkreise aber erst 2006 und 2007 informiert und eine entsprechende Risikoinformation auf seiner Homepage veröffentlicht.
Man beachte also, das trotz des Bekanntseins von Wechselwirkungen und Risiken zu einem Medikament oft sehr lange nichts passiert.
Wie kann es sein, dass deutsche Behörden erst mittels Rote-Hand-Brief warnen, nachdem sich der Hersteller selbst zu Warnungen bereit erklärt hat? Wie kann es sein, dass der Hersteller selbst sein Medikament quasi nach Belieben mit einem entsprechenden Warnhinweis versehen kann und den Beipackzettel nicht sofort nach bekannt werden einer ernsten Komplikation um einen entsprechenden Warnhinweis ergänzen muss?
Wo bekommt man nun diese Informationen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte veröffentlicht regelmäßig sog. Rote-Hand-Briefe.
www.bfarm.de/cln_043/nn_42434...html__nnn=true
Hier kann man auch schauen:
Rote-Hand-Briefe
Unmengen an Warnungen, Meldungen und Hinweise erhält man darüber hinaus beim Landesinstituts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst NRW
Arzneimittelsicherheit
Hier sind auch Warnungen/Meldungen zu etlichen Medikamenten zu lesen, die bei bfarm nicht veröffentlicht sind. Im Archiv sind diese Monatsweise bis einschl. 2003 alle Daten archiviert.
Sehr gut sind auch Seiten wie das arznei-telegramm oder einfach nach Warnung zu einem bestimmten Medikament googeln.
Hier noch eine Seite, auf der ein Teil der Marktrücknahmen von Medikamenten wegen gefährlicher Nebenwirkungen archiviert wurde. Auch andere Medikamente, wie Zyprexa, dass in den USA zu einem Skandal geführt hat und hier immer noch erlaubt ist, sind dort aufgeführt.
Die einzelnen Beschreibung findet man weiter unten, unterhalb der Medikamentenauflistung Liste von Risikomedikamenten
Gleichzeitig zeigt dies auch, dass es trotz vorenthaltener Meldungen Unmengen an Informationen für jeden Arzt gibt und man muss sich fragen, wie dieser mit all diesen Informationen umgeht. Schließlich muss er neben der Pflicht sich auf dem Laufenden zu halten auch noch ein bisschen arbeiten.
Im großen und stetig wachsenden Graubereich der Fehlmedikamentierung spielt dies eine immer größere Rolle.
Der Leiters des Instituts für Klinische Pharmakologie an der medizinischen Hochschule in Hannover ( MHH) Prof. Dr. Frölich, der sich seit vielen Jahren mit diesem Thema beschäftigt, geht davon aus, dass jährlich alleine auf internistischen Stationen in unseren Krankenhäusern 58.000 Menschen an Medikamentenvergiftung bzw. unerwünschten Arzneimittelwirkungen versterben.
Und dies bezeichnet er als kleinen Teil derer, die bei uns jährlich an einer solchen Vergiftung sterben.
In Deutschland sterben mittlerweile jährlich mehr Menschen durch Arzneimittel, als an Verkehrsunfällen, Krebs, Herzinfarkten, oder irgendeiner anderen Erkrankung.
Weit weniger als die Hälfte aller Deutschen sterben heute noch eines natürlichen Todes (es gibt Wissenschaftler, die von nur einem Drittel natürlicher Todesfälle ausgehen).
Auch 15% aller Patienten, die ins Krankenhaus kommen, kommen nur wegen einer Arzneimittelvergiftung rein.
video.google.de/videoplay?doc...ient=firefox-a
Es ist also nicht so, dass die Verantwortlichen davon nichts wüssten.
Freilich hat der Arzt eine Aufklärungspflicht, die er aber nicht bezahlt bekommt.
Aus einer Meldung des deutschen Ärzteblatts vom 9.11.07:
Ein Patient muss vollständig über alle Nebenwirkungen einer Behandlung aufgeklärt werden. Nur so kann er sich beispielsweise in einer Konfliktsituation entscheiden, wenn der Wunsch nach Linderung akuter Schmerzen mit der Gefahr verbunden ist, deshalb später erhebliche Gesundheitsschäden hinnehmen zu müssen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Im zugrunde liegenden Fall machte die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld geltend. Während eines Krankenhausaufenthalts wurde ihr zur Behandlung einer Herzarrhythmie das Medikament Cordarex (Amiodaron) verabreicht. In der Pause zwischen einer durchgeführten und einer geplanten Myokardszintigrafie erlitt sie einen Herzstillstand. Dieser konnte zwar innerhalb von zehn Minuten durch Reanimation beendet werden, führte jedoch zu schweren bleibenden Hirnschäden.
Nach Auffassung des BGH ist der Patient über den Medikamentenwechsel, der mit anderen Risiken verbunden ist als der bisherige Einsatz der Medikamente, umfassend aufzuklären. Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht ist nicht ein bestimmter Grad der Risikodichte, sondern vielmehr, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet wäre. Deshalb ist auch bei äußerst seltenen Risiken aufzuklären. Die Risiken einer zuvor erfolgten ärztlichen Behandlung können somit nicht mit den Risiken der nunmehr vorgenommenen Behandlung verrechnet werden. (Urteil vom 17. April 2007, Az.: VI ZR 108/06) RA Barbara Berner
Vorab. Tatsächlich ist nicht nur ein Rote-Hand-Brief wichtig. Genau so wichtig ist es alle weit vor einem Rote-Hand-Brief und einer Rücknahme gemeldeten Warnungen ernst zu nehmen.
Ein Beispiel dazu: Ende 2007 gab es einen Rote-Hand-Brief betreffend Rocephin® (Ceftriaxon), einem Breitspektrum-Antibiotikum der neueren Generation von Roche.
Datum der Erteilung der Zulassung/Verlängerung der Zulassung: 1. März 1983 / 31. Dezember 2005.
Hier wurde aufgrund weltweiter Todesfälle von Früh- und Neugeborenen, die dieses Medikament bei gleichzeitiger Gabe eines Kalziumpräparats bekommen haben, vor der gemeinsamen Anwendung gewarnt und darauf hingewiesen, dass es nicht gemeinsam gegeben werden darf.
Aber: Bereits 1996 wurde von der französischen Arzneimittelsicherheitsbehörde (Afssaps) über schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) bei Früh- und Neugeborenen berichtet, denen Ceftriaxon und kalziumhaltige Lösungen appliziert wurden. In Lungen und Nieren wurden Präzipitate von Ceftriaxon-Kalziumsalz festgestellt, die in einigen Fällen zum Tod führten.
Der Hersteller Roche selbst gab dann Anfang 07/07, 11 Jahre später, bekannt den Beipackzettel für sein Antibiotikum Rocephin um einen Warnhinweis zu ergänzen.
Demnach soll Rocephin bei Neugeborenen nicht in Kombination mit Kalzium oder kalziumhaltigen Produkten angewendet werden, teilte das Unternehmen da mit. Der Warnhinweis basiere auf Meldungen, die seit der Lancierung des Medikaments beim Hersteller eingegangen seien. In den letzten Jahren sei es bei Neugeborenen vereinzelt zu tödlichen Reaktionen in der Lunge und Niere gekommen.
Dies führte zu der weiteren Erkenntnis, dass die Präzipitate (Produkte einer Ausfällung) darüber hinaus bei Kindern und Jugendlichen zu einer biliären Pseudolithiase sowie zu Nierensteinen führen können.
Gleichwohl es hierzu tatsächlich sogar schon Veröffentlichungen aus 1988 gibt.
Bei Kindern sollten Dosen von mehr als 80 mg/kg Körpergewicht Ceftriaxon wegen des erhöhten Risikos von Ausfällungen in Gallenblase und Niere vermieden werden.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat die Fachkreise aber erst 2006 und 2007 informiert und eine entsprechende Risikoinformation auf seiner Homepage veröffentlicht.
Man beachte also, das trotz des Bekanntseins von Wechselwirkungen und Risiken zu einem Medikament oft sehr lange nichts passiert.
Wie kann es sein, dass deutsche Behörden erst mittels Rote-Hand-Brief warnen, nachdem sich der Hersteller selbst zu Warnungen bereit erklärt hat? Wie kann es sein, dass der Hersteller selbst sein Medikament quasi nach Belieben mit einem entsprechenden Warnhinweis versehen kann und den Beipackzettel nicht sofort nach bekannt werden einer ernsten Komplikation um einen entsprechenden Warnhinweis ergänzen muss?
Wo bekommt man nun diese Informationen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte veröffentlicht regelmäßig sog. Rote-Hand-Briefe.
www.bfarm.de/cln_043/nn_42434...html__nnn=true
Hier kann man auch schauen:
Rote-Hand-Briefe
Unmengen an Warnungen, Meldungen und Hinweise erhält man darüber hinaus beim Landesinstituts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst NRW
Arzneimittelsicherheit
Hier sind auch Warnungen/Meldungen zu etlichen Medikamenten zu lesen, die bei bfarm nicht veröffentlicht sind. Im Archiv sind diese Monatsweise bis einschl. 2003 alle Daten archiviert.
Sehr gut sind auch Seiten wie das arznei-telegramm oder einfach nach Warnung zu einem bestimmten Medikament googeln.
Hier noch eine Seite, auf der ein Teil der Marktrücknahmen von Medikamenten wegen gefährlicher Nebenwirkungen archiviert wurde. Auch andere Medikamente, wie Zyprexa, dass in den USA zu einem Skandal geführt hat und hier immer noch erlaubt ist, sind dort aufgeführt.
Die einzelnen Beschreibung findet man weiter unten, unterhalb der Medikamentenauflistung Liste von Risikomedikamenten
Gleichzeitig zeigt dies auch, dass es trotz vorenthaltener Meldungen Unmengen an Informationen für jeden Arzt gibt und man muss sich fragen, wie dieser mit all diesen Informationen umgeht. Schließlich muss er neben der Pflicht sich auf dem Laufenden zu halten auch noch ein bisschen arbeiten.
Im großen und stetig wachsenden Graubereich der Fehlmedikamentierung spielt dies eine immer größere Rolle.
Der Leiters des Instituts für Klinische Pharmakologie an der medizinischen Hochschule in Hannover ( MHH) Prof. Dr. Frölich, der sich seit vielen Jahren mit diesem Thema beschäftigt, geht davon aus, dass jährlich alleine auf internistischen Stationen in unseren Krankenhäusern 58.000 Menschen an Medikamentenvergiftung bzw. unerwünschten Arzneimittelwirkungen versterben.
Und dies bezeichnet er als kleinen Teil derer, die bei uns jährlich an einer solchen Vergiftung sterben.
In Deutschland sterben mittlerweile jährlich mehr Menschen durch Arzneimittel, als an Verkehrsunfällen, Krebs, Herzinfarkten, oder irgendeiner anderen Erkrankung.
Weit weniger als die Hälfte aller Deutschen sterben heute noch eines natürlichen Todes (es gibt Wissenschaftler, die von nur einem Drittel natürlicher Todesfälle ausgehen).
Auch 15% aller Patienten, die ins Krankenhaus kommen, kommen nur wegen einer Arzneimittelvergiftung rein.
video.google.de/videoplay?doc...ient=firefox-a
Es ist also nicht so, dass die Verantwortlichen davon nichts wüssten.
Freilich hat der Arzt eine Aufklärungspflicht, die er aber nicht bezahlt bekommt.
Aus einer Meldung des deutschen Ärzteblatts vom 9.11.07:
Ein Patient muss vollständig über alle Nebenwirkungen einer Behandlung aufgeklärt werden. Nur so kann er sich beispielsweise in einer Konfliktsituation entscheiden, wenn der Wunsch nach Linderung akuter Schmerzen mit der Gefahr verbunden ist, deshalb später erhebliche Gesundheitsschäden hinnehmen zu müssen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Im zugrunde liegenden Fall machte die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld geltend. Während eines Krankenhausaufenthalts wurde ihr zur Behandlung einer Herzarrhythmie das Medikament Cordarex (Amiodaron) verabreicht. In der Pause zwischen einer durchgeführten und einer geplanten Myokardszintigrafie erlitt sie einen Herzstillstand. Dieser konnte zwar innerhalb von zehn Minuten durch Reanimation beendet werden, führte jedoch zu schweren bleibenden Hirnschäden.
Nach Auffassung des BGH ist der Patient über den Medikamentenwechsel, der mit anderen Risiken verbunden ist als der bisherige Einsatz der Medikamente, umfassend aufzuklären. Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht ist nicht ein bestimmter Grad der Risikodichte, sondern vielmehr, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet wäre. Deshalb ist auch bei äußerst seltenen Risiken aufzuklären. Die Risiken einer zuvor erfolgten ärztlichen Behandlung können somit nicht mit den Risiken der nunmehr vorgenommenen Behandlung verrechnet werden. (Urteil vom 17. April 2007, Az.: VI ZR 108/06) RA Barbara Berner
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