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Deutsches Ärzteblatt: "Kritisches Denken ist gefragt"

19. September 2014
Interessenkonflikte von Ärztinnen und Ärzten bergen die Gefahr, dass medizinische Entscheidungen sich nicht mehr am Wohl der Patienten ausrichten, sondern am eigenen Vorteil. .... Angesichts knapper öffentlicher Kassen ist jedoch insbesondere die medizinische Forschung zunehmend auf Geld aus der Wirtschaft angewiesen. Für Wissenschaftler wird es damit immer schwieriger, Interessenkonflikte zu vermeiden.

Mit der Frage, wie sich Interessenkonflikte speziell auf die ärztliche Fortbildung auswirken ... beschäftigte sich am 12. und 13. September die European Cardiology Section Foundation im Rahmen der Cologne Consensus Conference 2014.

5 Fragen an den Mitinitiator der Tagung Prof. Dr. med. Reinhard Griebenow, der zugleich die Nordrheinische Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung leitet

Wie hoch ist der Anteil der gesponserten Fortbildungsveranstaltungen?

Griebenow: Im Bereich der Ärztekammer Nordrhein liegt der Anteil gesponserter Fortbildungsveranstaltungen seit mehreren Jahren unter 20 Prozent …. Auf der europäischen Ebene sieht das ganz anders aus. Beim European Board for Accreditation in Cardiology liegt beispielsweise der Anteil der gesponserten Veranstaltungen im Bereich zwischen 60 und 80 Prozent. …..Interessenkonflikte bergen vor allem in der medizinischen Fortbildung große Risiken. Denn die Fortbildung zielt darauf, Therapieentscheidungen von Ärztinnen und Ärzten zu beeinflussen....

Man muss außerdem akzeptieren, dass es in der Medizin nicht die glasklare Wahrheit gibt, sondern dass wir in allen Bereichen sehr große Grauzonen haben. Und gerade deshalb ist es wichtig, dass man umso transparenter macht, warum man in der Grauzone eher zu weiß oder zu schwarz hin tendiert. Das ist der Punkt, um den es eigentlich geht. Letztlich soll es ja das Ziel sein, eine beste Entscheidung für den Patienten zu treffen. Und die kann man nur dann treffen, wenn man neben dem Nachdenken und Diskutieren über die Daten auch die Frage einbezieht, ob das, was die Beteiligten sagen, vielleicht noch durch andere Interessen mit geleitet sein könnte. …..

Was auf Präsenzveranstaltungen viel praktiziert wird, ist, dass irgendwelche Informationen über Interessenkonflikte, für die es keine verbindlichen Vorgaben gibt, vor dem Vortrag auf die Leinwand projiziert werden, was die meisten Teilnehmer verpassen. Aber das spielt auch keine Rolle, weil die Angaben in der Regel für eine Dauer gezeigt werden, die klar unter einer Sekunde liegt und von daher keinerlei Informationswert haben. An dieser Stelle muss sehr heftig gearbeitet werden, damit wir zu einer akzeptablen Lösung kommen. Das ist mit Abstand das Feld mit dem größten Handlungsbedarf.
 
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Gestern lief bei Monitor ein exzellenter Beitrag über die tiefgreifende Manipulation der universitären Forschung durch die Pharmaindustrie. (Beispiel Boehringer Ingelheim/ Uni Mainz) Das geht sogar so weit, dass Forschungsergebnisse nur mit Erlaubnis des "Sponsors" publiziert werden dürfen. Wundert sich da noch jemand über Stillstand in Diagnostik und Therapie? Wer weiß, was (trotz Erfüllung aller Evidenzkriterien) in den Schubladen schlummert und Patienten somit vorenthalten wird.

MONITOR vom 11.08.2015 - Sendungen - Monitor - Das Erste
 
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