Bilderbuchsommer
Das ist auch noch nicht Beitrag 10
Am Himmel sah es ganz gut aus, und obwohl ich nicht die Spur Lust hatte, zog ich meine Waldklamotten an und setzte mich aufs Fahrrad. Gott sei Dank führte mein Weg bei meinem Freund vorbei, vielleicht konnte der mir noch ausreden, was bei der Schwüle wenig vernünftig erschien, Blaubeeren zu pflücken. Ne, der lag halb ermattet auf seinem Sofa, sah ganz ermattet aus, nachdem ich ihm ein paar Geschichten erzählt hatte.
Nun weiß ich ja, wo die ersten Blaubeeren wachsen, und konnte zielstrebig dem Waldstück entgegen steuern. Ja, wie schön, da hängen die kleinen Freunde, die den Gaumen erfreuen. Da man, und ich auch, beim Blaubeerpflücken die Augen nach unten gerichtet hält, bemerkte ich erst an den Regentropfen die Wetteränderung. Na ja, ein bißchen Erfrischung wird mir schon gut tun.
Dann wird’s heftiger, wo ist meine Regenjacke, zu Hause natürlich, na ja, sind ja Bäume genug, um sich kurz unterzustellen. Klar, bei Regen sind im Trockenen auch die Mücken. Wieso trocken, nein, der Nieselregen entwickelt sich zu einem Wolkenbruch, ich schnell bin halb naß, eklig. Tscha, was soll´s, hin zum Rad und die Flucht nach vorne antreten. Bis zum Rad bin ich ganz naß, das Jenashemd, jetzt dunkelblau, sieht aus wie neu, der naße Ledersattel, kein Problem, wenn man pitschnaß ist.
Fünf Minuten weiter stelle ich mich beim Schützenhaus unter, es regnet einfach zu doll. Aber naß auf Wunder warten dauert, weil auch eklig, nicht länger als ein paar Minuten. Rauf aufs Rad und durch. Zwei Kurven weiter kommt mir eine Frau entgegen. Boa! So was sieht man als Ottonormalbürger sonst nur im Fernsehen, ein Superweib. In Jeans und einem weißen T-Shirt läuft die durch den Wald, bei Platzregen. Boa! Ich meine, so was sieht man sonst ganz sicher nur im Fernsehen. Da liege ich aber und sitze nicht auf dem Fahrrad. Und das ist der kleine Unterschied zwischen Illusion und Realität: vorm Fernsehen kann man, wenn einem das Leben mit voller Wucht begegnet, nicht in den Graben fahren.
Okay, das ging noch mal gut, dafür jetzt Gewitter. Blitze zucken über mir, ein unheilvolles Grollen: Du kannst so schnell fahren, wie du willst, wir kriegen dich doch. Dann wird der Regen weniger, der Freund liegt sicher immer noch auf dem Sofa, mit naßen Klamotten den Berg rauffahren, husch, da stehe ich vor meiner Haustür. Die Sonne scheint jetzt. Treppe rauf, es tropft, in die Wohnung, es tropft, naße Sachen ausziehen, eklig, aufhängen, es tropft weiter. Mit der Dose Blaubeeren gehe ich in die Küche, die Beute wiegen. Wau, genau 300 Gramm, genau die Menge, die mir zu dem Kilo fehlte.
Ja, ich koche heute Marmelade. Bekam ein neues Rezept:
1000 g Früchte
1000 g Rohrzucker
1 Päckchen Agar-Agar
Liebe soll ja angeblich auch durch den Magen gehen. Egal, ich hatte in diesem Sommer ganz sicher schon mal einen tollen Sonntagnachmittag.