Themenstarter
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… und irrte sich vielleicht ein wenig?
Vor seinem hohen Becher aus Ton, gefüllt mit eisgekühltem Retsina, saß der große Philosoph, der nur 1,48 m maß, was damals wie heute keinen Menschen bekümmerte.
Er bedachte die Welt, die vergangene wie die zukünftige und das Dasein wie das Sosein der Dinge.
Dabei fiel sein Blick auf einen Feldstein, der – faustgroß – auf seinem Tische lag und ihm als Briefbeschwerer diente. ‚Wie beeindruckend doch seine Stärke, seine Stabilität und Dauerhaftigkeit ist!’ So dachte Aristoteles und hob den Stein an, um seine Kühle und Kraft in der Hand zu spüren. ‚Doch ist er gänzlich unberührt von Geist!’.
Der große Denker nahm noch einen Schluck vom Wein und erhob sich dann, um die Pelargonium peltatum auf der Fensterbank zu gießen. Dabei entdeckte er, dass die Pflanze ihre Blätter, auf grazile Weise, nach der Sonne gedreht hatte. ‚Ein solches Wesen ist wahrhaft klug und umsichtig und es steht gewisslich höher, als die unbelebte Welt der Mineralien’, so dachte er.
Dann pfiff er, Aristoteles, nach seinem Zwergpudel, der auf den Namen Zeus hörte und ging mit ihm Gassi in den nächstgelegenen Olivenhain. Begeistert warf er, der große Denker und Gelehrte, ein kleines Stöckchen fort und freute sich daran, dass Zeus, der Pudel, immer wieder und wieder das Hölzlein zu ihm brachte. ‚Ein Wesen, das solche Kunststückchen zu vollbringen in der Lage ist, steht wahrhaft dann noch höher, als die Kreaturen, die der Welt der Pflanzen angehören!’, so dachte wiederum der große Philosoph.
Als auf dem Heimweg er vor der Haustüre angekommen war, überraschte ihn seine Nachbarin, Mitzi Weidinger, eine Migrantin aus bajuwarisch Landen, mit einem soeben frisch von ihr gebackenen Gugelhupf.
Dankbar nahm Aristoteles das köstlich duftende Backwerk entgegen und verzehrte, kaum im Hause angekommen, sofort ein großes Stück davon. ‚Ein Wesen,’ dachte er, ‚das in der Lage ist, ein solch delikates Gebäck herzustellen, muss in der Tat auf Erden am allerhöchsten stehen!’
So setzte Aristoteles sich wieder hin an seinen Tisch und goss reichlich vom Retsina nach. Und schrieb, mit schneller Feder aufs Papier, was er der Nachwelt zu hinterlassen gedachte.
Herzliche Grüße von
Leòn