Schuldgefühle

Ich kann das nicht ,ich bleibe hier ! das leben ist hart ,wohl wahr !
ausserdem bin ich jetzt 45 jahre alt ! wer weiß ,wer hier noch wen zu grabe trägt :)

LG kopf .
 
Liebe Carrie,
wünsch Dir einen liebevollen Tag.
Was mir weiteres einfällt:
Finde es sehr, sehr wertvoll, daß Du Dir soviele Gedanken zu/über/mit Deiner
Familie machst.
Sie ist Dir nicht egal Deine liebe Familie.
Wünsch Euch eine liebevolle gemeinsame Familienzeit.

alles Liebe
flower4O
 
Guten Tag!

Über das Unergründliche (Nicht-Psychologisierbare) von Schuld.

Eine sehr kurze Geschichte, die ich weiter kürze. Im Original (Max Frisch: Tagebuch 1966-1971, S. 220ff) 20 Seiten. Große Abstände (mit Pünktchen) zwischen den kurzen Absätzen: Jeder Absatz steht allein im Raum. Wie die Menschen. In normalem Satz wären es vielleicht 7 Seiten.

SZIZZE EINES UNGLÜCKS (I)

Er hatte Vorfahrt, insofern keinerlei Schuld. Der Lastwagen mit Anhänger kam von links in die Allee kurz vor Monpellier. Es war Mittag, sonnig, wenig Verkehr -

Ihre Frage: Oder fahre ich jetzt? ist nicht ihr letztes Wort vor dem Unfall; das hat sie auf dieser Reise öfter gesagt.

Sie hat ihn im Bürgerspital kennengelernt als Arzt, dem sie sozusagen ihr Leben verdankt; seinetwegen ist sie in Scheidung.

Bettnächte mit anschließender Besichtigung von Romanik oder Gotik, jeder Tag wie ein Examen: Geschichte der Päpste, nur weil man gerade in Avignon ist - sie fragt mit Vorliebe, scheint ihm, was er nicht weiß oder nur ungefähr weiß, so daß er unsicher wird. Warum der Papst im 14. Jahrhundert nach Avignon emigirierte, läßt sich ja nachlesen, wenn es sie wirklich interessiert. Aber es geht nicht um die Päpste. Nachher im Bett macht sie ihn wieder sicher.

Es ist nicht ihre erste gemeinsame Reise. Früher hatte er Humor, solange er davon zehrte, daß sie ihn als Arzt bewunderte.

Jetzt fährst du 140. Darauf hat er gewartet. Schrei mich bitte nicht an! Erstens schreit er nicht sondern sagt nur, darauf habe er gewartet. Immer ihr Blick auf das Tachometer. Zweitens fährt er, wie das Tachometer zeigt, genau 140. Das sagt sie ja. Man hat sich geeinigt: Maximum 140. Jetzt sagt sie: Es ist mir einfach zu schnell. Dabei überholt sie jeder Volkswagen. Sie sagt: Ich habe einfach Angst.

Er weiß, daß es an ihm liegt.

Später meint er vielleich, er sei schon mit der Ahnung erwacht, daß dieser Tag mit einem Unfall endet.

Er ist Akademiker cum laude, demnächst soll er Oberarzt werden.

Sie will nicht die Überlegene sein, das verträgt kein Mann, Viktor schon gar nicht; er ist Chirurg und daran gewöhnt, daß die Leute ihm vertrauen müssen, und auch Marlis hat ihm damals vertraut.

Redensart von Marlis: Bist du sicher?. Ob ein gemeinsamer Bekannter in Basel homosexuell sei, möchte sie wissen. Kaum äußert er dazu seine Meinung, sagt Marlis: Bist du sicher?

Beim Frühstück sagt er: Nimmst du ein Brioche? und was er anbietet: ein Croissant. Er merkt es gerade noch, verbessert sich aber nicht, da sie seine Frage überhört hat. Er bemerkt jetzt jeden Fehler den er macht. So meint er. Dabei merkt er beispielsweise nicht, daß sie auf Feuer für ihre Zigarette wartet. Entschuldige! sagt er und gibt Feuer. Entschuldige! Die Wiederholung ist zuviel.

Wovor hat er Angst?

Einmal hat sie im Halbscherz gesagt: Du bist nicht mehr mein Chirurg, Vik, daran mußt du dich gewöhnen.

Man fährt im offenen Wagen, nachdem er versprochen hat, daß er nicht rast. Daß er dann überhaupt nicht mehr überholt, sondern hinter jedem Lastwagen bleibt, ist in der Tat lächerlich; nachher findet er sich selber unmöglich.

Sie ist vollkommen genesen.

Sie hat einen Sohn, der zur Schule geht. Sie lebt in Scheidung. Sie ist kein Mädchen mehr sondern eine Frau.

Sie ist Romanistin, Dr. phil.; Viktor sollte sich freuen, wenn sie gelegentlich sein Französisch verbessert.

Manchmal möchte er ein Kind mit ihr. Er wäre bereit zu heiraten. Nur eine Frage des Humors.

Fahrt hinter einem belgischen Wohnwagen, ohne zu überholen; als er endlich überholt, reicht es gerade noch, aber es war gefährlich. Sie sagt nichts.

Er versucht, beruflich zu denken: Wann ist der Mensch tot? Die Frage bei Herzverpflanzungen. Er ertappt sich im Augenblick, als er sagt: Morgen muß ich Öl wechseln! statt daß er sagt, was er denkt. Er macht es sich zu einfach.

Sie sagt: denkst du schon wieder ans Essen! Er denkt überhaupt nichts, sondern schaut auf die Straße; er hat nur irgendwas sagen wollen, was mit Montpellier zu tun hat, weil er ein Schild sieht: MONTPELLIER 12 KM. Er hätte besser nichts gesagt.

Viktor kommt mir leichten Verletzungen davon, Schnittwunden an der Schläfe, erinnert sich aber an keinen Lastwagen mit Anhänger. Sie stirbt auf dem Transport ins Hospital von Montpellier. Er erinnert sich nicht einmal an die Allee, wo es passiert ist, wo jetzt der gekippte Anhänger zwischen den Platanen liegt. Beim Augenschein kommt es ihm vor, als befinde er sich zum ersten Mal in dieser Allee mit der Kreuzung, wo er verhört wird und erfährt, daß er Vorfahrt hatte, also keinerlei Schuld.

Ein Jahrzehnt spricht er nie von dem Unglück; er weiß nicht, wie es dazu gekommen ist.

Einige Bekannte wissen es ungefähr.

Ihre Frage: Bist du sicher?

Marlis hat den Lastwagen gesehen, sie hat ihn gewarnt, er hat den Lastwagen gesehen, aber nicht gebremst; er hatte Vorfahrt. Es kann sein, daß er sogar Gas gegeben hat, um zu zeigen, daß er sicher ist. Sie hat geschrien. Die Gendarmerie von Montpellier gab ihm recht.
Ein Stück weiter im Tagebuch, noch eine Seite:

SKIZZE EINES UNGLÜCKS (II)

(Viktor auf einer entlegenen Insel, allein. Sturmnacht. Tagesanbruch.)

Alles ohne Zusammenhang: seine Frau, die auf einen Anruf wartet, der Sonnenschirm, die Briefe, der blaue und gewöhnliche Tag, seine Schuhe. Gegen Mittag geht er barfuß zum Strand. Erinnerung an den Wind in der Nacht und an die Allee von Montpellier, die Kreide auf dem Asphalt, die Touristen, das Dorf, kein Grund zum Schrecken. So geht er schwimmen. Kein Boden unter den Füßen, der wolkenlose Himmel über dem Meer.

Einmal möchte er es wissen.

Er schwimmt hinaus, solange die Kräfte reichen, und sie reichen so weit, bis man kein Land mehr sieht.​
Was soll dieser 2. Teil? Man kommt nicht ohne weiteres darauf. Das Motiv ist uralt, schon in der Antike: Gottesurteil. Es geht um die Frage der Schuld. Die von menschlichen Instanzen - auch durch menschliches Gerede - nicht mehr so beantwortet werden kann, daß das Subjekt überzeugt würde. Wer sich in diese ausweglose Lage begibt und überlebt (gerettet wird usw.), ist frei von Schuld.

Das Wort "Schuldgefühl" taucht in dem Text kein einziges Mal auf. Schuld kann nicht weggeredet werden.

Vermutlich in engem Bezug zur Biographie des Autors. Er hatte sich von Ingeborg Bachman, seiner Gefährtin, getrennt, die danach noch stärker krisengeschüttelt lebte als zuvor, beeinträchtigt in ihrer Gestaltungskrft, drogenabhängig, zuletzt (real) verbrannt. Nicht die Schuld von Frisch - aber . . . Etwa von dieser Zeit an (ein wenig später) spielt in seinem Werk "die Schuld des Freigesprochenen" in verschiedenen Formen die zentrale Rolle. Aber das wäre ein anderes Thema.

Leider gehen durch die Kürzung einige Nuacen, Subtilitäten des Texts verloren. Das ist wohl nicht zu vermeiden.

Eine Jahrhundertgeschichte, von der Kritik sofort und einmütig als solche erkannt. Uwe Johnson - mit Max Frisch befreundet - hat mit seiner Erzählung "Skizze eines Verunglückten" darauf geantwortet; auch in ihr geht es um Schuld.

Ausführlich (und mit seltener intellektueller Leidenschaft) wird dieses Thema - und viele andere, die damit in Zusammenhang stehen - besprochen in dem bewegenden Werk von Peter von Matt: "Liebesverrat. Die Untreuen in der Literatur", 1999. (In der Literatur finden sich ja weit mehr Menschlichkeit und Weisheit als in der ganzen Psychologie.)

Einen schönen Tag wünscht
Windpferd
 
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Ich mag Max Frisch.
Was hat aber diese Geschichte mit Carries Thema zu tun?

Grüsse,
Oregano
 
Hallo Carrie, ich hatte auch sehr lange große Schuldgefühle, da ich meine Familie verlassen habe, bitte kaufe Dir das Buch "Radikale Selbstvergebung" von Colin.C.Tipping, dann wird Dir klar werden, daß Du gar nicht anders
handeln konntest, mir hat es sehr geholfen. lg. lealiesi
 
Hallo Oregano,

"Was aber hat diese Geschichte mit Carries Thema zu tun?"

Wenn das nicht ersichtlich ist - primär auf Grund der Geschichte (schon der 1. Zeile!), daneben (im Abstand) auf Grund meiner ersten sowie meiner letzten Zeilen - so denk bitte noch ein bißchen darüber nach. Und wenn Deine Frage dann noch bleibt, so vergiß die Geschichte.

Nicht jede Dichtung wirkt auf jeden Menschen. Das ist einfach so.

Mir geht es in desem Thead nicht dazu, die zahllosen Details von Wünschen und Verflichtungen abzuwägen. Das kann niemand, der nicht selbst in der Situation steckt. Mir geht es darum daß Mensche n schuldig werden können - diese Möglichkeit ist zwingend mit nee Entscheidungsfreiheit verknüpft.

Ich kenne viele Menschen (mich selbst eingeschlossen), die ihr Handeln realistich als schuldhaft "wahr"-nehmen und - statt Wiedergutmachng zu leisten, so lange das (glücklicherweise) noch möglich ist - ihr "Schuldgefühl" wegtherapieren. wegreden möchten. (Strukturell ähnlch den Ärzten, die die Erkrankungen, denen sie nicht gewachsen sind,psychologisieren oder psychiatrisieren.)

Bei Max Frisch wird Schuld (die eigentliche Krankheit) als menschliche Möglichkeit stehen gelassen. (Er hat sich übrigens n seiner Heimat durch die Radikalität seines Wahrheitwillens sehr unbeliebt gemacht. Zeitweilig wollten die Zürcher Hausbesitzer ihm keine Wohnung vermieten.)

Herzlich
Windpferd


Hallo Lealiesi:
"Selbstverzeihung"? Ein psychotherapeutisches Rezept. Klinghardt-TherapeutInnen verordnen das gern. ("Ich liebe und achte mich, auch wenn ich XYZ getan habe /tue." Dabei Dü- und Di-Meridiane beklopfen. Widerspruch streng verboten.) Das mag vielleicht gegen unbegründete "Schuldgefühle" helfen. Allerdings: daß unsere "Schuldgefühle" unbegründet seien, das reden wir uns selbst und einander allzu gern ein. (Wie man in diesem Thread gut sehen kann.)

Aber es gibt nicht nur neurotische "Schuldgefühle" sondern eine durchaus gesunde WAHR-NEHMUNG von Schuld. Freilich unangenehm. Manchmal mehr als unangenehm. Sich der zu stellen oder ihr auszuweichen, ist jeder / jedem selbst überlassen. Eine Entscheidung, deren Richtigkeit von außen nicht zu begründen und nicht zu widerlegen ist. Zu hinterfragen - das schon.

Herzlich
Windpferd
 
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Auch ich bin noch am Thema dran liebe Carrie und nach den vielen Post,denke ich darüber noch mehr nach.
Du hättest wahrscheinlich von einem schlechten Gewissen schreiben sollen und nicht von Schuldgefühlen,das hört sich besser an.
Was ist denn ein Schuldgefühl?
Eine normalerweise als negativ wahrgenommene - soziale Emotion- welche aus der bewussten oder unbewussten Überzeugung ,etwas Falsches getan zu haben entsteht.( Wikipedia )

Ich achte sehr dein Ansinnen,hier den Austausch zu suchen,denn dafür haben wir das Forum.
Mir selbst tat es oft sehr gut hier nur schreiben zu können,denn das ist auch schon ein Prozess,in dem man mit seinen Gedanken weiter kommt.
Jeder der hier schrieb,hat von seiner Sichtweise,seinen Erfahrungen und seinen Empfindungen berichtet und nicht wie zu lesen ist,dich von etwas freigesprochen.
Du schreibst ja selbst,dass du selbst herausfinden musst,was für dich und auch für deine Familie das Beste ist.
Du bist jung und hast das Leben noch vor dir und möchtest nach Malaysia, bei diesem Gedanken bekomme sogar ich Fernweh.
Gerne hätte ich diese Länder kennengelernt,aber ich wohnte in der ehemaligen DDR und nach der Wende nur kurze Urlaube,bis meine Familie mich brauchte und ich emotional gebunden war.

Ich bin ein Kind was für seine Eltern da war und ist,aber ich bin nicht glücklicher als meine Geschwister,die es nicht können und wir ALLE kennen Schuldgefühle oder das schlechte Gewissen,denn im Leben gibt es laufend bestimmte Situationen wo wir konfrontiert werden mit unseren Emotionen und doch geht das Leben weiter.

Wichtig ist und das machst du, dich offen und ehrlich dem zu stellen.
Meine Ansicht Carrie,habe ich dir ja dazu schon geschrieben.

Ich wünsche dir alles Liebe auf deinem weiteren Weg und wenn du in Malaysia sein solltest,irgendwann,denk an die Wildaster,die es dir gönnt und traurig ist,dort nie hingekommen zu sein.:wave:
 
Allerdings: daß unsere "Schuldgefühle" unbegründet seien, das reden wir uns selbst und einander allzu gern ein. (Wie man in diesem Thread gut sehen kann.)

Windpferd, Du scheinst ja genau zu wissen, was "wir" uns allzugerne einreden.

Ich weiss, dass sehr viele Frauen dazu neigen, sich allzu schnell schuldig zu sprechen / zu fühlen. Vor allem, wenn es darum geht, etwas für sich selbst zu tun.

hexe
 
Hallo Ihr Lieben,
weiterhin vielen Dank für Eure Antworten.
Ich war jetzt die letzten Tage auf einem Besuch bei meiner Familie, und hab am Ende wieder ne Mega-Depression gehabt. Meiner Mutter geht es weiterhin sehr schlecht, der Rest meiner Familie ist sehr traurig, dass sie mich so selten sehen. Ich habe versucht, ein wenig meiner Mutter zu helfen und jetzt hat sie am MOntag einen Termin bei einem Therapeuten. Ist ja aber nicht das erste Mal. Aber die Schuldgefühle sind so groß bei mir, weil sie alles alleine machen muss. Und das ist halt so schwierig für sie. Alleine zum Therapeuten gehen, zum Arzt...und dann alleine im Haus sitzen.
Es macht mich sehr fertig. Ich hatte auch ein Telefonat mit ihrem psychologischen Betreuer, der sehr nett ist und mir auch gesagt hat, ich könne mich als Angehörige jederzeit an ihn wenden wegen der Belastung.
Natürlich soll ich mir mein eigenes Leben nicht kaputt machen lassen, aber wenn die Eltern krank sind, sollte man doch da sein, oder? Das Problem ist nur, dass sie seit Ewigkeiten krank ist, Therapien immer wieder abbricht. Das hat mich auch als Kind belastet, mit so einer Mutter aufzuwachsen (am Ende war ich ja alleine mit ihr im Haus). Ich fühle mich nicht fähig, sie zum Beispiel im eigenen Haus aufzunehmen oder für eine intensive Betreuung. Aber sie tut mir sooo leid.
Ich überlege jetzt, vielleicht doch zurückzuziehen nach einiger Zeit. Ich werde mal schauen, welche Jobmöglichkeiten es geben könnte für mich. Es wäre ja auch schön, meine Schwester wieder häufiger zu sehen. Meine Großeltern in ihren vielleicht letzten Jahren. Und vielleicht etwas mehr für meine Mutter tun zu können. Obwohl das ja auch nicht viel sein wird, denn ich muss ja arbeiten und kann sie nicht zu jedem Termin begleiten.
Manchmal wünschte ich mir, sie wäre suizidgefährdet, dann könnte man sie zwingen.
Ich werde mir die nächsten Tage Gedanken machen.
Vielen Dank Euch.
 
Liebe Carrie:)

ich wünsche dir viel Kraft für deine Entscheidungen.

Liebe Grüße von Wildaster:wave:
 
Hallo Carrie,

konntest Du, bei Deinem Besuch, mit Deiner Mutter darüber sprechen, dass Du die Chance hast, nach Malaysia zu gehen; Du jedoch Schuldgefühle (wegen ihr) deswegen hast, sie allein zu lassen?

Weißt Du ganz genau, wie sie darüber denkt?

Wie wird es DIR wohl ergehen, wenn Du diese Chance nicht wahrnimmst?
Wie würde es Dir bei Deiner Mutter physisch/psychisch gehen?
Würde es Deine Mutter verändern?
Was sagt Dir Deine Seele dazu, welche Gefühle kommen da genau hoch? Nehme sie nur wahr.

Liebe Carrie, Du brauchst hier nix öffentlich zu beantworten, aber vielleicht hilft es Dir ein wenig bei einer Entscheidung.

Wünsche Dir alles Liebe, dass Du für Dich die richtige Entscheidung triffst.

Herzlichst
Kayen
 
Ich habe die letzten Tage noch viel über alles nachgedacht. Ist ja auch einfacher mit mehreren hundert Kilometern Distanz.
Ich glaube, ich brauche mir wirklich keine Schuldgefühle zu machen.
Meine Mutter ist krank, das ist furchtbar und tut weh, aber es ist nicht meine Schuld. Es ist auch nicht ihre Schuld. Aber es ist auch nicht meine Aufgabe, sie zu retten. Zumal ich selbst genug gelitten habe in der Vergangenheit, wenn man als Kind mit einer depressiven Mutter aufwächst. Ich bin das Kind, ich sollte UNterstützung erhalten. Das kann sie natürlich nicht und das erwarte ich auch nicht (mehr). Aber ich glaube, ich habe dann auch das Recht, mein eigenes Leben so zu leben und mich nicht schuldig zu fühlen, dass ich nicht mehr Zeit bei ihr verbringe. Zumal sie Möglichkeiten hatte und hat, sich professionell helfen zu lassen. Wenn sie diese ablehnt, kann ich ja auch nichts ausrichten.
Dass das alles trotzdem weh tut, ist klar. Die Mutter leidet und man kann nichts tun. Natürlich könnte ich jetzt in ihre Nähe ziehen,sie jede Woche besuchen und bei Arztbesuchen begleiten. Das würde ihr wahrscheinlich sogar helfen. Aber ich möchte nicht.
Das ist eine egoistische Entscheidung, aber ich glaube, man muss das einfach irgendwann machen, wenn man nicht selbst mit hineingezogen werden will in die Krankheit (und ich war selbst schon depressiv in der Vergangenheit - was es natürlich nicht einfacher macht, denn ich habe dadurch einen ungefähren Eindruck, wie sie sich fühlen muss).
Problematisch wird es, wenn es noch schlimmer mit ihr wird, sie irgendwann keine Rechnungen mehr bezahlt, weil sie es nicht schafft - wie jetzt erst passiert. Meine Schwester und ich haben die Summe bezahlt (was nicht wenig war), aber selbst das hat bei ihr nichts ausgelöst. Auf der einen Seite denke ich, vielleicht hätten wir sie einfach auflaufen lassen sollen, so dass es wirklich mal zum Notfall (in diesem Fall Pfändung?) kommen würde. Aber wie sol man das machen bei der eigenen Muter??
Und trotzdem. Und deswegen. Ich vergebe mir, dass ich meinen Abstand brauche und nehme. Ich mache was ich machen kann in meinem Rahmen. Aber ich lasse mich nicht mehr reinziehen.

Schuldgefühle meiner Schwester gegenüber sind natürlich trotzdem da, weil sie halt vor Ort ist. Aber sie sagt selbst auch, ich soll mir kein schlechtes Gewissen machen. Natürlich fehlt sie mir auch, das ist traurig.
Und auch meine Großeltern.
Aber das große Bild ist, dass ich jetzt besser mit meiner Entscheidung umgehen kann. Auch wenn es trotzdem weh tut.

Vielen Dank für Eure Unterstützung!
 
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