Schuldgefühle

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21.05.06
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SCHULD ist zur Zeit mein überwiegendes Gefühl, und ich würde mich gerne einfach mal austauschen.
Es ist nämlich so, dass ich seit 3 Jahren im europäischen Ausland lebe, was schon schwierig für meine Familie ist. Meine Familie, das sind: meine Großeltern, beide Mitte 80, meine geschiedenen Eltern und meine Schwester.
Ich war immer nur zu Weihnachten zuhause, um sie zu besuchen in den letzten Jahren. Und jetzt ist es so, dass ich mit meinem Partner noch weiter wegziehe, nach Malaysia.
Ich fühle mich schuldig. Und es ist nicht mal, dass ich nen super tollen Job oder irgendwas vorweisen kann, als Grund für meine Reisen. Ich treibe eigtl. einfach so durchs Leben, jobbe mal hier, mal da, und hoffe, dass ich am Ende noch meinen Platz finde. Aber das ist nicht das Problem.
Meine Großeltern werden nicht jünger, und sie sind immer unterstützend gewesen, aber es ist für sie auch sehr schwer, mich so weit weg zu wissen. Ich fühle mich schuldig, dass ich ihnen Stress bereite, nur so selten da bin, im Notfall nicht schnell da sein kann.
Meine Mutter ist schwer psychisch krank (Amalgam-Opfer) und ich fühle mich schuldig, dass ich ihr nur so wenig helfe. Es war für mich damals schwer als Kind, und deshalb habe ich mich so bald ich ausziehen konnte, distanziert von allem, um mich selbst zu heilen. Aber ich denke nun, dass ich helfen sollte. Aber wie, wenn ich nicht da bin?
Meine Schwester wohnt in der NÄhe und besucht meine Mutter und Großeltern (wohnen in einem Haus) alle 2 Wochen. Ich fühle mich schuldig, dass sie das alles alleine macht. Somit könnte sie z.B. nie weiter wegziehen, weil meine Familie das nicht verkraften würde. Ich weiß nicht, ob sie wegziehen wollen würde (ich glaube nicht), aber nur prinzipiell.
Während ich in der Sonne lebe, und versuche meinen Träumen zu folgen. Bin ich egoistisch??
Mein Vater ist zwar auch traurig, aber er versteht mich wohl noch am ehesten, er ist früher zur See gefahren und kennt das Fernweh. Er ist außerdem voll eingebunden in die Familie seiner neuen Freundin und dadurch beschäftigt und abgelenkt. Während meine Großeltern und meine Mutter größtenteils nur sich selbst haben.

Sollte man mehr für seine Familie da sein? Oder sollte man seinen Wünschen nachgehen? Im Grunde denke ich, wenn man jemanden liebt, sollte man ihn auch ziehen lassen, aber wir alle wünschen uns doch Unterstützung von den Lieben. Und wenn ich sehe, wie schlecht es meiner Mutter psychisch geht, fühle ich mich furchtbar. Und denke, ich sollte mich mehr einsetzen, dafür dass sie vielleicht in die UMweltklinik Neukirchen kommt, oder zumindest das Amalgam aus den Zähnen kriegt oder irgendwas.

Mag mir jemand helfen, mit Schuldgefühlen umzugehen? :(
 
Hallo Carrie,

ich finde es oft etwas von der Hauptsache ablenkend, von "Schuldgefühlen" zu reden. Schuldgefühle - das klingt wie ein Symptom oder wie ein neurotisches Phänomen, das man vielleicht wegtherapieren könnte oder sollte.

Die Hauptsachen scheint mir zu sein: "Schuld". Nicht mehr Deine private Innenwelt sondern auf einer objektiven Ebene des Faktischen.

Zugleich: niemand kann Dir sagen, ob, was Du tust / unterläßt Schuld ist oder nicht. Dazu haben wir - um mal ganz altmodisch aber wahr zu reden - ein Gewissen. Es gab Theologen und Philosophen, die das für dass Zentrum der Person hielten. Bei Dir scheint das Gewissen intensiv zu "arbeiten".

Eine Vermutung (weil es bei mir manchmal so war): Könnte es sein, daß Du Dich durch Denken, Reden, Diskutieren von Deinem Gewissen befreien willst? (Das Gewissen redet sehr leise, viel leiser als unser Denken, Reden - aber dafür unbeirrbar.)

Aber schau: das geht nicht. Selbst wenn sich in diesem Thread Dutzende von Usern um Dich versammeln würden mit einer klaren Lossprechung "Keine Schuld" - das würde Dein Gewissen für eine Weile übertönen aber - wenn es denn Dich schuldig spricht - nie auf Dauer. Und umgekehrt auch: Dutzende könnten Dich schuldig sprechen; wenn aber Dein Gewissen Dich freispricht, hätten sie schon mittelfristig keine Chance.

"Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt" (Blaise Pascal, der Mathematiker und Mystiker). Man kann, glaube ich, hier "Herz" mit "Gewissen" gleichsetzen. Ebenso wir "Verstand" mit dem Gerede, daß sich vielleicht jetzt entwickeln wird. Letztlich wirst Du aber Dir selber (Deinem Herzen und Gewissen) nicht entrinnen.

Übrigens gibt es eine leider wenig bekannte, aber gerade für solche "Fälle" optimale "Therapie"-Form, nämlich NAIKAN. Stammt ursprünglich aus Japan, gibt es aber m.W. auch in Deiner Weltgegend. Du brauchst dafür eine (1) ganze Woche. (Wobei Naikan mehr als "Therapie" in unserem Sinn ist.) Du kannst dort entdecken, was - für Dich persönlich - Schuld ist und was nicht.

Alles Liebe,
Windpferd
 
PS:
Ich sehe gerade, daß Du jemand suchst, der Dir hilft, mit "Schuldgefühlen" umzugehen. Ich fürchte, Du wirst so jemanden leicht finden. Hier im Forum oder anderswo. Der größte Teil der wirklichen oder selbsternannten Psychotherapeuten würde das versuchen. Das Ziel der Psychotherapie ist ja, daß der Patient sich "wohlfühlt". (Nur dann floriert das Geschäft.)

Das ist Wellness. Es geht aber - bei Dir ist das ganz deutlich - nicht um Wellness sondern im Fitness. In diesem Fall um ethische Fitness. Also, um mit Freud zu sprechen, nicht um das Lustprinzip sondern um das Realitätsprinzip.

Wer versuchte, Dich bloß von irgendwelchen "Gefühlen" zu kurieren, würde Dich schwer schädigen. Dich möglicherweise von Dir selbst, von Deinem Gewissen wegbringen. Dich Deiner Helligkeit berauben, die ja aus Deinem Start-Posting deutlich - wenn auch schmerzlich, schmerzhaft - erkennbar ist.

Wenn überhaupt einen Menschen, so würde ich Dir jemanden wünschen, der Dich daran erinnert, auf Deine innere Stimme zu hören und auf sie zu vertrauen. Auch wenn die unbequem sein sollte. Das wäre Freundschaft.

Außer Freundschaft gibt es noch andere Wege, zu sich selbst zu fonden, Die allerdings gar nicht in Mode sind: Gebet und Meditation.

Ein Gedicht eines ganz unbekannten Autors (Ralf Rainer Reimann):

und
immer wieder
die frage: was
von dem, was du tust
hält stand
im letzten
moment​

Im letzten Moment, ja.

Liebe Grüße
Windpferd
 
Gebet, MEditation, das ist ein wahres Wort, Windpferd und nebenbei noch eine Affirmation, die mir mal geholfen hat in solchen Fällen:

"Ich befreie mich hier und jetzt von jeglichen Schuldgefühlen, ganz egal, ob sie berechtigt sind oder nicht"
 
Liebe Carry,

ich sitze im Garten in der Sonne und denke über deine Worte nach und schreibe spontan aus dem Bauch heraus .
Ich bin Mutti von zwei erwachsenen Söhnen und wollte IMMER,dass sie eines Tages ihren Weg gehen und ihre Träume leben.Das wünschen alle Eltern ihren Kindern.

Liebe Carry,natürlich kommen Schuldgefühle auf,wenn du so weit weg bist,aber es ist dein Leben und darauf hast du ein Recht.
Man kann aber auch wenn man weit weg ist,eine Stütze sein,durch liebe Zeilen,Telefonanrufe u.u.u.

Wichtig finde ich auch,dass du deiner Schwester sagst,dass du sehr schätzt was sie für eure Familie tut und du auch immer für sie da sein wirst.
Deine Großeltern lieben dich,auch deine Mutti und sie wollen sicher nicht,dass du nur aus schlechtem Gewissen heraus zurückkommst.

Binde sie auch von weitem in dein Leben ein und berichte davon und sag,wie lieb du sie hast.

Mein Großer befuhr jahrelang auf einem Kreuzfahrtschiff die Meere,von jedem Anliegeort bekam ich eine Karte.Es sind sehr viele und ich hüte sie wie ein Schatz.

Letztendlich weißt nur du,was zu tun ist.

Liebe Grüße von Wildaster
 
Zuletzt bearbeitet:
Nachtrag liebe Carry ,

meinen jüngsten Sohn quälen auch öfters solche Gedanken,er wohnt etwas weiter weg und weiß,dass mir die Bewältigung des Alltags so allein,oft Probleme bereitet.Aber wir sprechen darüber und mir ist immer wichtig,dass er glücklich ist,mich aber dabei nicht vergisst.

Herzlichst Wildaster
 
Schuld, Sünde, Hölle sind Begriffe aus der Kirche.

Es gibt meines Wissens nur Ursache und Wirkung.

Das hört sich einfacher an als es ist.

Und in Deinem speziellen Fall: Dreh mal den Spieß um. Willst Du, daß Deine Kinder (egal ob Du welche hast oder auch nicht), daß sie sich für Dich, die vorherige Generation, aufopfern (leider auch so ein Begriff aus der Kirche) oder willst Du, daß sie ihr eigenes Leben leben mit ihren Kinder?

Das heißt nicht, daß man sich um die Eltern nicht kümmern soll. Es soll vielmehr heißen, daß an ersten Stelle Du steht, dann mit Deinem Partner (wenn er vorhanden ist) und dann mit Deinen Kinder (die nächste Generation, die schon wieder ganz anders tickt).

Also dies nicht als egoistisch ansehen, sondern das ist der Lauf der Zeit, des Leben, der Evolution.

Alles ist im Fluß (panta rhei).

Alles entwickelt sich weiter, verändert sich. Und das ist gut so, sonst würde die Frau heute noch in der Höhle sitzen und auf den Mann warten, der das Mammut hoffentlich erschlagen hat.

Alles Gute für Deinen Weg.
 
Hallo Carrie,

Deine Bitte um Hilfe hat mich sehr gerührt und ich möchte Dir als Mutter, Großmutter und Urgroßmutter antworten.

Es wäre für Dich vielleicht eine Erlösung von Deinen Schuldgefühlen, wenn Du dich von allen Familienmitgleidern "freisprechen lassen" würdest.

Vielleicht stellt sich bei dem Versuch das zu erreichen heraus, daß es für den einen oder anderen in Deiner Familie gar nicht so schlimm ist, daß Du so viel unterwegs bist und vor allem so weit weg.

Im Zeitalter der Überwindung von Abständen durch Funk kann das doch kein Problem mehr sein, Kontakt zu pflegen von überallher auch aus den entlegenstens Teilen der Erde.

Sollte es Dein Geldbeutel ermöglichen, lade doch die ganze Famile zu einem Treffen ein, wenn Du wieder im Lande bist und schicke in der Einladung einen kurzen Text zu Deinem Problem. Du wirst sehen, es ist alles nicht so schlimm wie Du meinst.

Was der liebenden Familie am wichtigsten ist, das ist, daß es Dir gut geht unterwegs, da bin ich sicher. Was die Hilfen für Deine Mutter angeht, da kann sowieso nur einer helfen der sich auskennt mit den Möglichkeiten. Die Großeltern kannst Du am langsam ihrem Ende Entgegengehen nicht hindern, auch wenn Du hier wärest.

Wähle doch aus Deiner Familie einen aus, der Dir in Abständen mitteilt, was aktuell los ist in der Familie, denn ich denke, daß Dir eher fehlt, total informiert zu sein was passiert.

Dem kannst Du dann auch mitteilen, ob es Dir gut geht und was Dir eventuell auch mal widerfahren ist und das interessiert die Familie und sie nimmt Anteil an Dir und Deinem Freiheitsdrang.

Es gibt einfach verschiedene Charaktere unter den Menschen und wenn Du schreibst, daß Dein Vater auch ein "Reisender zwischen den Welten" war, muß das die Familie doch nicht überraschen, noch befremden. Vielleicht ist es ja für Deine Angehörigen besonders schön, wenn sie aus "erster Hand" erfahren wie es draußen zugeht.

Mach Dir also nicht zuviele Sorgen.
Vernünftige Leute die Dich lieben verstehen Dich.

Liebe Grüße
Rota
 
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Hallo Carrie,

in Bezug auf Eltern und Großeltern sehe ich es so: es ist nun mal so, daß Kinder und Enkel aus dem Haus und evtl. in weite Ferne gehen. Das hätten Eltern und Großeltern vielleicht selbst in Deiner Situation genauso gemacht. Und so werden sie das wohl auch akzeptieren, es sei denn, sie sind ziemlich egozentrisch. Und da ist dann eben nichts zu machen.

Was ich als etwas schwierig ansehe, das ist die Situation Deiner Schwester, die sich durch die Wohnnähe wahrscheinlich ziemlich verantwortlich fühlt und diese Verantwortung auch wahrnimmt. Du schreibst aber, daß sie wohl kaum ein Bedürfnis hat, auch in die Ferne zu gehen. Vielleicht geht es ihr mit der jetzigen Situation ja ganz gut?
Mit ihr würde ich aber auf jeden Fall sprechen, mich bedanken, daß sie da ist, wo sie ist, daß sie sich kümmert usw. Wenn es finanziell möglich ist, würde ich auch darüber sprechen, ob und wie Du sie unterstützen kannst. Und einmal im Jahr wäre es sicher schön, wenn Du für ein paar Wochen die Betreuung der Eltern und Großeltern übernehmen könntest, soweit das eben möglich ist für Dich, damit Deine Schwester in der Zeit auch mal in Ruhe Urlaub machen kann.

Ich höre eigentlich immer von bösem Blut innerhalb einer Familie, wenn sich Geschwister in dem Moment zurück ziehen, wo es mit der Betreuung der "Alten" aufwändiger und schwieriger wird, und letztlich sprechen die Geschwister dann nicht mehr miteinander. Das ist schade, und wenn man hier überhaupt von Schuld sprechen kann, dann liegt sie sicher auf beiden Seiten.

Grüsse,
Oregano
 
Vielen Dank für Eure lieben Antworten.
Nein, Windpferd, ich suche nicht jemanden, der mir damit hilft, mit meinen Schuldgefühlen umzugehen. Zumindest nicht in therapeutischer Weise oder so. Aber ja, ich suche Rat. Natürlich kann mich keiner von meinen Schuldgefühlen frei sprechen. Vielleicht ist die Frage eher: sind sie berechtigt?
Natürlich bin ich in KOntakt mit meiner Familie, mit Telefon und Email und auch mal Postkarten. Zu Geburtstagen wird immer was geschickt, und meine Schwester informiert mich auch über alles, was los ist. Aber dann kriege ich halt manchmal zu hören, dass es meinem Großvater zusetzt, dass ich jetzt noch weiter weggehe. Oder dass es meiner Mutter nicht so gut geht.Und dann denke ich, ich sollte da sein.
Ich meine, ich denke ich kann mein Glück wahrscheinlich überall finden, das liegt ja meist eher in einem drin, unabhängig von dem Ort wo man ist. Also warum nicht in der Nähe der Familie? Aber dann wiederum müsste ich einen Job machen, der mir nicht liegt, in einem Klima, das mir nicht gefällt, und in der Stadt leben, was ich nicht mag. Die Frage ist nur: ist es egoistisch, nur nach dem zu gehen, was ICH will? Auf der anderen Seite wünsche ich mir natürlich dass jeder mehr nach dem streben würde, was er möchte. Einigen Menschen gefällt ja das Stadtleben oder das norddeutsche Wetter oder der Bürojob.
Vielleicht machen sie sich auch einfach Sorgen, dass ich immer noch nichts "Richtiges" mache, zur Zeit nichts in meine Rente einzahle usw. Natürlich, ich mach mir da ja auch manchmal Sorgen. Aber dann kommt wieder der Gedanke, dieses Leben ist da um gelebt zu werden.
Ich weiß, ich weiß, ich kann hier schreiben soviel ich will, und Ihr könnt mir antworten was Ihr wollt. Am Ende ist da immer noch das Schuldgefühl und ich.
Trotzdem danke, auch für das Mutmachen von Eltern und Großeltern wie Rota und Wildaster.

Edit: Auch danke an Oregano. Ja, ich glaube, manchmal ist meine Schwester schon auch sauer auf mich. Ich spreche da schon mit ihr, aber vielleicht muss ich ihr nochmal mehr meinen Dank aussprechen, das stimmt. Ich fliege morgen für ein paar Tage zu meiner Familie, und dann werde ich das alles mal genauer ansprechen. Zum Glück benötigen meine Großeltern und meine Mutter noch keine Pflege. Meine Mutter würde zwar dringend Hilfe benötigen, aber das nimmt sie ja auch nicht an. Mein letzter Versuch war, ihr betreutes Wohnen zu beschaffen, aber am Ende hat sie es nicht gemacht. Ich denke nur, vielleicht wäre es anders, wenn ich da gewesen wäre, und mit ihr zusammen mir das alles angeschaut hätte usw. Aber dann wiederum haben meine Schwester und ich es schon so oft versucht, sie war in psychischer Behandlung und es hat alles nicht geholfen.
Aber wenn es schlimmer werden würde, also wenn meine Großeltern Pflege benötigen würden oder meine Mutter, dann würde ich vielleicht zurückkommen. Nur denke ich mir, dann ist es vielleicht zu spät. JETZT könnte ich noch mehr wache schöne Momente mit ihnen verbringen.
Es gibt da wohl keine Lösung. Entweder ich bleibe und bin unglücklich, dass ich gewisse Chancen nicht wahrgenommen habe (obwohl das ja auch Ansichtssache ist) oder ich gehe und es gibt wenig KOntakt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich glaube, schlimm ist für mich, dass meine Schwester mehr "Verantwortungsgefühl" hat. Für sie ist es selbstverständlich, die Familie nicht "im Stich zu lassen". Selbst wenn ich zum Beispiel zurückkommen würde und mich kümmern würde - sie würde nicht weit wegziehen von meinen Großeltern. Also bin ich automatisch der egoistischere Teil der Familie. Was irgendwie negativ ist.
 
Hallo Carrie,

ich sehe das neutral: jedes Kind in einer Familie nimmt einen anderen Stellenplatz ein. Und vielleicht hat es ja gute Gründe, daß Du Fernweh hast, während Deine Schwester eben eher häuslich ist?
Wie ist denn die Geschwisterfolge? Wer ist älter?

Grüsse,
Oregano
 
Man kann auch gemeinsam die Familie unterstützen.Mir kommt es nach deinen Worten so vor,als ob du etwas eifersüchtig auf deine Schwester bist.
Warum soll sie wegziehen wollen,in der Zeit in der du nicht da warst,war sie da und das bindet.

Irgendwie verstehe ich dich nicht,warum du der egoistische Teil der Familie sein willst.
Oder bist du es ?

Herzlichst Wildaster
 
Hallo Carrie,

es ist gekommen wie vorausgesagt: das Forum versammelt sich um Dich und spricht Dich los von möglicher Schuld.

Gutmeinende Menschen. Keine guten (potentiellen) Freunde. (Freundschaft hat nicht mit "lieb sein" zu tun. Sondern damit, zu wollen, daß der andere erselbst sei.)

@Sepia: nein, es ist nicht "egal". Es geht um zentrale Lebensentscheidungen. Und eine Affirmation, die das "egal" nennt, ist schlicht frivol. Nicht gesund. (Vorübergehend wirkt Autosuggestion natürlich oft.)

@Wildaster: Äußerlich ähnliche Entscheidungen verschiedener Menschen lassen sich im Letzten nicht vergleichen. Ich verrate mich selber, wenn ich denke: Der hat doch auch . . . - also ist es für mich auch o.k. Das erspart die Mühe, auf sein Gewissen zu horchen. Und entlastet einen unfehlbar. Denn irgendjemanden findet man immer, der doch auch . . . hat.

Zu einfach, Wildaster.

@"Heilerin": Von Sünde und Hölle ist hier nicht die Rede. Warum bringst Du sdiese Begriffe ein, die in Carries Denken - soweit ich lese - keine Rolle spielen. Schuld ist keineswegs eine christliche Erfindung. (Auch nicht, wenn die Kirchen diesen Begriff mißbraucht haben.) Schuld gibt es schon bei den griechischen Dramatikern, Sophokles, Euripides (schmale Reclam-Bändchen oder irgendwo mal ins Theater gehen). In der griechischen Philosophie (Aristoteles). Bei den Römern. "Ich finde keine Schuld an ihm", sagte Pontius Pilatus, der Richter Jesu. Im vorderen Orient (Gilgamesch-Epos; altes Testament). In keltischen Mythen. In den Märchen ganz verschiedener Herkunft. (Leider bin ich in den fernöstlichen Literaturen nicht bewandert.)

Schuld gehört zur Conditio humana (der Situation, in der wir existieren), Schuldfähigkeit zum menschlichen Wesen. Es handelt sich um ein "Existential" (Heidegger), um eine "Grenzsituation" (Jaspers).

Und: Das Ich steht "an erster Stelle". Bei Dir. Klar, das tut's - wenn ich mich so entscheide. Ob dadurch irgendjemand glücklich wird (incl. des Ich), bezweifle ich sehr.

@Rota /Oregano: Nein, ich kann mich nicht drauf rausreden, daß meine Eltern etwas genauso gemacht hätten. Oder mich damit trösten, daß (zwischen Geschwistern) die Schuld auf beiden Seiten läge. Im Zentralbereich der Existenz gilt keine Aufrechnung. Und die Idee, sich "freisprechen" zu lassen. Ein erstaunliches Mißverständnis. Natürlich würdest Du "freigesprochen" - wenn man die Situation geschickt arrangierte. Aber ob Du dann wirklich "frei" wärst? So einfach ist's gewiß nicht.

Es liegt mir völlig fern, bei Dir, Carrie, auf "schuldig" zu plädieren. Undenkbar - gar kein Anhaltspunkt dafür. Ich bin nicht zuständig. Das bist allein Du. Du bist allein. Dich daran zu erinnern, halte ich für den einzig möglichen Freundschaftsdienst in dieser Situation.

Sehr herzlich
Windpferd
 
Hallo Windpferd,

was bin ich froh, daß wir mit Dir einen "Überblicker" haben, der alles fein sortiert und bewertet :D.

Grüsse,
Oregano
 
Hui,
also: meine Schwester ist 4 Jahre älter. Kann gut sein, dass sie daher die "Vernünftigere" ist.
Eifersüchtig bin ich nicht. Es ist eher ein schlechtes Gewissen, weil sie soviel für meine Familie tut, während ich mich in der Welt rumtreibe.
Und Windpferd, wie gesagt, ich suche nicht nach jemanden, der mich von meiner Schuld frei spricht. Ich versuche zu verstehen, ob überhaupt SCHULD vorliegt. Wenn sich jemand schuldig fühlt, heißt das ja noch nicht,dass er auch schuldig ist. Aber ich verstehe was Du meinst. Am Ende kann nur ich selbst urteilen, ob ich schuldig bin.
Aber wahrscheinlich nicht schuldiger als meine Eltern, die Fehler in meiner Erziehung gemacht haben. Ich mache das alles ja nicht, um meine Familie zu kränken oder zu verletzen. Insofern kann ich mir vielleicht vergeben. Und versuche in der Zwischenzeit, soviel wie möglich für sie zu tun, mit Telefonaten etc.
 
@Windpferd: Ich denke, du bewertest das "egal" hier falsch. Weil es nämlich in dieser Konstellation Sinn macht. Ist aber nur meine Meinung, ich kenne mich da nicht so aus, mir hat sie sehr geholfen, bis ich prinzipiell über das Thema weg war.
 
Liebe Carrie,
beim Lesen erinnerte ich mich an mein Fernweh vergangener jüngerer Lebensjahre, eine innere Herzenssehnsucht nach der Ferne. Gleichzeitig
entwickelten sich andere Sehnsüchte. Entschied mich, meinen anderen Sehnsüchten zu folgen und das Fernweh blieb viele, viele Jahre.
Als ich die Sehnsucht nach der Ferne im Herzen unserer Tochter entdeckte,
entdeckte ich in meinem Herzen Traurigkeit und Schmerz. Und ich wußte: hab nicht den Wunsch, sie zu halten. Sie wollte fliegen und ich als Mutter wollte ihr nicht die Flügel stutzen und sie mit bewußt unausgesprochener Haltung festhalten. Es war sehr schwer, sie fliegen zu lassen. Am Flughafen, als sie
Richtung Flugzeug unterwegs war, hab ich mir gewünscht, daß sie sich nicht umdreht, nach vorne schaut und ihrer Sehnsucht folgt.
Und ich finds wertvoll, zu wissen, wie Deine Familie Dein Fernweh im Herzen fühlt und ob sie Dich innerlich fliegen lasen können.

"Kinder
Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,
und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.

Khalil Gibran, arabischer Dichter, 1883-1931"

alles Liebe
flower4O
 
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