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Die erste Andeutung einer Verbindung zwischen Stimmung und Entzündungen kam um 1990. Michael Maes, ein Psychiater von der Universität Maastricht in den Niederlanden, untersuchte die Behauptung, dass depressive Menschen besonders anfällig für Infektionen und Krebs seien. Diese Theorie wäre durch ein schwaches Immunsystem erklärbar. Aber als Maes die Immunzellen von depressiven Menschen, wie Naturliche-Killer-Zellen, Monozyten und Makrophagen sah, entdeckte er, dass die Zellen aktiver als normal waren. Sie setzten mehr entzündungsfördernde Zytokine frei. "Wir hatten erwartet, genau das Gegenteil zu finden", räumt Maes ein.
Die überraschenden Ergebnisse passten zu einigen anderen vagen Andeutungen, dass Depression und Entzündungen verflochten sind. Depressive Menschen neigen zu leicht erhöhten Temperaturen, was zur Annahme führt, dass sie an chronischen Entzündungen leiden. Sie haben auch ein dreifach erhöhtes Risiko an einer Herzerkrankung zu sterben - häufig durch Arteriosklerose verursacht, die selbst eine entzündliche Erkrankung der inneren Hülle von Arterien ist.
Maes Ergebnisse blieben obskur und wurden durch andere Studien fast so oft widerlegt wie sie bestätigt wurden - bis Dantzer entschied, einen zweiten Blick auf einige alte Studien an Ratten aus den 1980er Jahren zu werfen.
Wenn man Ratten Teile von bakteriellen Zellwänden (genannt Lipopolysaccharide) injiziert, steigt deren Temperatur, es ändern sich ihre Schlafgewohnheiten, sie werden weniger gesellig und hören auf zu fressen. Und es sind nicht die Bakterienfragmente, die dieses sogenannte "Krankheitsverhalten" auslösen, sondern die dadurch ausgelöste Immunantwort. Eine Injektion des Zytokins Interleukin-1 (IL-1) - ein Botenstoff, den marodierende Makrophagen produzieren, wenn sie auf Bakterien treffen - löst bei den Tieren dieselbe Veränderung ihres Verhaltens aus. Mit anderen Worten zeigten die Ratten-Studien, dass entzündliche Zytokine direkt das Verhalten beeinflussen.
"Zum ersten Mal gab es Klarheit," sagt Dantzer. "Krankheit ist ein Verhalten wie Angst - es ist ein Zustand, der das Tier seine Prioritäten neu organisieren lässt." So wie der Anblick eines Raubtiers beim Tier die Freisetzung von Hormonen auslöst, die zu einer "Flucht-oder-Kampf"-Antwort führt, löst eine Infektion die Freisetzung von Zytokinen aus, wodurch das Tier sein Aktivitätsniveaus herunterfährt, um Ressourcen für den Kampf gegen die Infektion zu schonen. Und natürlich ist das Verhalten bei Krankheit nicht exklusiv für Ratten - man denke nur an die letzte eigene Grippe.
Zunächst standen die Forscher jedoch noch vor der Frage, wie die Zytokine das Verhalten beeinflussen, wo doch Moleküle der Größe von IL-1 die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden können.
Es stellte sich heraus, dass sie das nicht brauchen. Der genaue Mechanismus ist noch ein Rätsel, aber es scheint, dass eine Art von weit kleineren Signalmolekülen, wie Stickstoffmonoxid und Prostaglandine, dem Gehirn übermitteln, dass ein Teil des Körpers entzündet ist. Ist diese Information einmal in das „innere Heiligtum“ eingedrungen, werden hirneigene Gliazellen beauftragt, selbst inflammatorische Zytokine zu produzieren. Diese Zytokine wirken auf Rezeptoren in Regionen des Gehirns wie dem Hippocampus, dem Kleinhirn, und - entscheidend - den Hypothalamus, die bei der Regulierung von Stimmung und Temperatur eine Rolle spielen. "Das Gehirn baut ein Abbild der Krankheit im Körper", sagt Dantzer.
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