Einen Schwerpunkt bildete hierbei die neoliberale Instrumentalisierung von Psychologie und Psychotherapie: So beschäftigte sich die israelische Soziologin Eva Illouz in ihrem Eingangsvortrag mit dem Begriff der „Resilienz“, der schnell Aufnahme in die Populärkultur gefunden hat.
Auch wenn es nicht die ursprüngliche Intention derjenigen war, die diesen Begriff erfanden, um die psychische Widerstandskraft gegenüber negativen Lebensereignissen zu beschreiben, wird das Konzept nun vorzugsweise als Sozialtechnologie beim Militär und in großen Unternehmen verwandt. Das Antrainieren einer psychischen Hornhaut soll dort die Leidens- und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter erhöhen. So hat die U.S. Army ein milliardenschweres Resilienzprogramm aufgelegt, und auch Coca-Cola gibt große Summen für solche Zwecke aus.
In den USA, wo der Resilienzbegriff stark mit der Positiven Psychologie verknüpft ist, gilt inzwischen jeder, der negative Lebensereignisse nicht als Chance zu emotionalem Wachstum begreift, als psychisch unreif. „Sei resilient!“ wird so zur Aufforderung, die eigene Sensibilität zu verlernen und sich gegen die Zumutungen unzumutbarer Lebensbedingungen zu immunisieren.
Das Ergebnis solcher Konditionierungen sind dann „Psytizens“, wie sie der spanische Psychologe Edgar Cabanas Diaz beschreibt: Individuen, die den Zwang zur Selbstoptimierung so verinnerlicht haben, dass er ihnen zur zweiten Natur geworden ist. Sie sind überzeugt, dass ihre Psyche eine zentrale Rolle für ein gelungenes Leben spielt, und tun alles dafür, sie mittels Psychotherapie, Coaching und anderer Selbstverbesserungsmethoden zu modifizieren.
Die Idee, dass es auch gesellschaftliche Einflussfaktoren gibt und dass man diese verändern könnte, ist ihnen fremd. Freilich wäre die Produktion von „Psytizens“ nicht so erfolgreich, wenn sich die Psychologie nicht innerhalb kürzester Zeit zur Leitwissenschaft der westlichen Kultur entwickelt hätte, von der die Lösung aller individuellen und gesellschaftlichen Probleme erwartet wird. Wie konnte aus einer ursprünglich emanzipatorischen Wissenschaft eine tragende Säule neoliberaler Ideologien werden?