Kassandra
Danke für Deine Antwort, chiron. Es sind nicht wirklich Schuldgefühle. Es ist eher ein wenig Traurigkeit. Schuldgefühle hatte ich aus anderen Gründen. Und da habe ich im Nachhinein wahrscheinlich die Rechnung noch mal aufgemacht, obwohl sie erledigt schien. Wegen der Schuldgefühle. So nach dem Motte: wenn er Schuld hat, brauche ich mich im Gegenzug nicht schuldig fühlen. So verrückt kann man sein!Wen du mit der Vergangenheit kämpfst, dann verlierst du. Also mache dir keine Schuldgefühle, dass du die Schuldgefühle nicht angesprochen hast.
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Eigentlich? Hast du wirklich verziehen?
Tja, was ich nicht weiß, kann ich nicht verzeihen. Es gibt Dinge, da sind Hinweise zutage getreten, aber ich weiß nichts, ich kann mich nicht erinnern. Das sind die Verhaltensweisen, die mein Vater dann im gebrechlichen Zustand zeigte...Ich habe mich abgegrenzt, klar, aber sie haben mich wohl mehr verunsichert, als ich dachte. Eine Therapie, in der ich meinen Abgrenzungsproblemen mal auf den Grund gehen wollte (zu Anfang waren sie mir nicht mal bewußt) brachte es mit sich, in der Vergangenheit rumzukramen.Da ist noch nicht alles verziehen.
Seine Gewaltausbrüche, die ich in der Kindheit und Jugend erlebte, habe ich verziehen. Die Verunsicherung entstand aus unausgesprochenen Erwartungen, doppelten Botschaften, Vereinnahmungsforderungen und sonderbaren Wünschen. Diese Verhaltensweisen waren aktuell da, als ich erwachsen war und er alt, ich habe sie in diesem Moment nicht mit Erlebnissen aus der Kindheit verbunden.
Ich werde mir erst jetzt über das Ausmaß der Verunsicherung und des Drucks klar, der da unterschwellig herrschte.
Inzwischen finde ich die unterschwelligen Botschaften, die damals, als mein Vater alt war, vorhanden waren und sicher auch schon in meiner Kindheit, belastender als die offenen Wutausbrüche.
Das ist wahrscheinlich ein Grund dafür, dass ich für unterschwelligen Botschaften Riesenantennen habe.
Wie soll mir da "Verzeihen" helfen? Ohne Klarheit ist Verzeihen schwer möglich. Ich habe aber keine Lust, weder noch tiefer in der Vergangenheitskiste zu buddeln, noch jedesmal die gleichen oder ähnliche Dramen in meinem Leben zu erleben oder gar unbewußt hervorzurufen. Es ist eher die Angst, dass ich dieselben Runden immer wieder drehe und vielleicht noch andere mit da hineinziehe. Ich will diesen Kreislauf beenden, ein für alle mal!
Guter Tip, was tun? Es geht mir vielleicht auch nur darum, aus der Vergangenheit zu lernen. Das ist wahrscheinlich das Loslassenmüssen. Nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart. Es ist ja wie die Angst vor der Angst. Da ist dann keine Freiheit mehr da.chiron schrieb:Nein, hättest du nicht, sonst hättest du es getan. Kämpfe nicht mit der Vergangenheit, sonst bringt sie dich um.
Das sehe ich nicht so. Einiges kann ich nicht als das "Beste" erkennen, für ihn vielleicht, aber nicht für mich. Ich bin ihm nicht mehr böse, er war ein einsamer, alter Mann und vielleicht auch nicht mehr ganz klar, er hat in seiner Trauer nur sich gesehen. Darüber kann ich ihm nicht böse sein, auch nicht im Nachhinein.Auch dein Vater hatte Gründe sich so zu verhalten wie er sich verhalten hat.
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Du wirst nie alle Informationen haben, um deinen Vater zu verstehen. Nicht einmal er selbst hatte alle Informationen, um sich selbst zu verstehen. Der grösste Teil in unserem Leben verläuft unbewusst - sagen zumindest einige Wissenschaftler.
Wenn du aber verstehst, dass er aufgrund "seiner Informationen" also auch den unbewussten, immer das Beste gemacht hat, dann wird das Verzeihen völlig natürlich sich ergeben.
Ich habe da in der Tat eher Mitgefühl. Nur damals in der Situation war es eben offenbar so schwierig für mich, so dass ich ihn einen Tag vor seinem Tod nicht mehr besucht habe, auch nicht mehr angerufen habe. Das war es, was ich mir nicht verziehen habe, lange nicht.
Und jetzt ist mir klar, dass ich deshalb bereit war, in der Therapie nochmal die alten Rechnungen hervorzuholen. Ich denke, jetzt sind sie wirklich erledigt. Ich bin darüber traurig, dass ich den Traum, der mich auf seinen Tod hinwies, nicht verstand und mich dadurch nicht von ihm verabschiedete.
Es ist aber Vergangenheit, er ist mir nichts schuldig. Und wenn ich meine, ich war ihm etwas schuldig, kann ich mir nur selbst verzeihen. Vielleicht geht es jetzt sogar, ich konnte hier einiges verarbeiten.
Danke Euch!
Liebe Grüsse
Kassandra
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