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... MVZ ist die Abkürzung für Medizinisches Versorgungszentrum. Dort können Ärzt:innen gleicher oder verschiedener Fachrichtungen an einem Ort zusammenarbeiten und Patient:innen beraten, untersuchen und behandeln. Charakteristisch für ein MVZ ist, dass die Trägerschaft und das Erbringen medizinischer Leistungen voneinander getrennt sind. Medizin und Geschäft liegen also manchmal in verschiedenen Händen. Ärzt:innen, aber auch Krankenhäuser, gemeinnützige Einrichtungen oder die Kommunen können ein MVZ gründen. Ein MVZ braucht eine ärztliche Leitung, die auf die Einhaltung der ärztlichen Pflichten, medizinischen Standards und die korrekte Abrechnung achtet. Diese Leitung muss selbst im MVZ ärztlich praktizieren.
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Wie finanziert sich ein MVZ?
Ein MVZ finanziert sich, indem dort tätige Ärzt:innen medizinische Leistungen erbringen, die wiederum von den Kassenärztlichen Vereinigungen (und letztlich den gesetzlichen Krankenkassen und den Beitragszahlern) bezahlt werden. Ein MVZ ist ein Unternehmen und Wirtschaftsbetrieb, der Einnahmen generieren, Investitionen tätigen und regelmäßige Ausgaben bestreiten muss (z.B. Raum- und Personalkosten). Die Finanzierung eines MVZ kann auf verschiedenen Wegen geschehen, zum Beispiel durch Eigenkapital der Beteiligten, Kredite, öffentliche Fördermittel oder Investoren. Private Investoren haben kürzlich in Deutschland viele Arztpraxen gekauft und in größeren Konzernen gebündelt. ...
... Kritisiert wird, dass vermehrt MVZ von privaten Investoren gekauft oder gegründet werden. Der Vorwurf lautet, dass dabei wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen.
Die Brandenburger Landesärztekammer beispielsweise beklagt, dass sogenannte Private-Equity-Firmen einzelne Praxen aufkaufen und diese zu größeren Einheiten ausbauen, um sie anschließend mit größtmöglichem Gewinn zu betreiben. Es bestehe die Gefahr, heißt es, dass Patientinnen und Patienten nicht die bestmögliche, sondern die am besten vergütete oder gar eine überflüssige Behandlungen erhalten. "Dies geht tendenziell zu Lasten der bereits unter Druck stehenden ambulanten Versorgung in ländlichen Gegenden", so Präsident Frank-Ullrich Schulz.
Die Kassenärztliche Vereinigung in Bayern wollte es genauer wissen und hat die Abrechnungen analysieren lassen. Die Studie zeigt, dass MVZ im Besitz von Investoren besonders viele Leistungen abrechnen. Bei der hausärztlichen Versorgung in MVZ in Bayern beispielsweise wurden fast 20 Prozent mehr sogenannte Mitversorgungsleistungen abgerechnet als bei der hausärztlichen Versorgung in Einzelpraxen. ...

Was sind die Vor- und Nachteile medizinischer Versorgungszentren?
Wenn Arztpraxen keine Nachfolge finden, springen oft Investoren ein und gründen Medizinische Versorgungszentren. Sie übernehmen das Geschäftliche, die Mediziner sind angestellt. Welche Folgen hat das? Von Jörg Poppendieck.
Mein Hausarzt (63 Jahre) wird seine Praxis an so ein MVZ anschließen, weil er einfach keine ca. 60 Stunden pro Woche mehr arbeiten will und kann. Das ist verständlich. Er wird damit die Verantwortung los für die Organisation seiner Praxis, für technische Probleme und auch für die Vertretung im Krankheitsfall.
Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken an diese Umstrukturierung. Auf der anderen Seite bin ich neugierig, wie die Praxis dann weiter läuft, denn auch hier hat sich mit und seit Corona viel verändert: die Mitarbeiter sind öfters krank oder in Urlaub, man kommt am Telefon selten gleich durch (manchmal über Tage nicht), manche Leistungen werden nicht mehr angeboten (z.B. Langzeit EKGs) usw.usw.
Eine Augenärztin mit „echter“ eigenverantwortlicher Praxis erzählte, daß sie total überlastet seien, weil die Patienten erst zu Augenarzt-Praxen in Form der MVZ gingen, weil da Termine relativ schnell zu bekommen sind. Nur: wenn es dann um intensivere Untersuchungen ginge, kämen die Patienten doch zu ihr, weil die MVZ-Praxen die gar nicht anböten.
Bei der immer häufiger werdenden Gründung geht es einerseits um angenehmere Arbeitsbedingungen für Ärzte und ihre Praxen. Andererseits aber steht auf jeden Fall auf Seiten der Investoren das Motiv „Geld verdienen“ dahinter, und zwar nicht für Ärzte und Personal.
Da Krankenhäuser durch die Vielfalt der angebotenen Leistungen und der entsprechenden Ärzte dafür besonders interessant sind werde auch immer mehr Krankenhäuser gekauft.
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Private-Equity-Gesellschaften investieren weiterhin ungebremst in Medizinische Versorgungszentren.
... »Dann mach’ ich einen Asset Deal«
Die deutlich häufiger vorkommende Methode, mit der Finanzinvestoren weiterhin MVZ übernehmen, sind die sogenannten Asset Deals. Hierbei kauft der Investor nur die Wirtschaftsgüter (engl. Assets) eines Unternehmens, z.B. Praxis- oder Laborgebäude, Patientenkartei, Geräte, Computer usw. Vom übernommenen Unternehmen (z.B. der Ärztlichen Partnerschaftsgesellschaft Dr. A & Dr. B oder der Dr. C MVZ GbR oder GmbH) bleibt eine leere gesellschaftsrechtliche Hülle.
Die vor dem Verkauf zugelassenen selbstständigen ÄrztInnen arbeiten als angestellte ÄrztInnen weiter und bleiben unverändert die zugelassenen ÄrztInnen. Über Gewinnabführungsverträge wird sichergestellt, dass die Gewinne auch beim Investor ankommen.
Der 2015 vom Finanzinvestor BC Partners an den Finanzinvestor Cinven verkaufte Laborkonzern Synlab erklärt dies ausführlich (Synlab International GmbH, Konzernabschluss 2015, Konzernanhang, Kap. 2.4 g) Konsolidierung von ärztlichen Laborgemeinschaften und strukturierte Unternehmen): ...

Versorgungszentren als Profitquelle
Private-Equity-Gesellschaften investieren weiterhin ungebremst in Medizinische Versorgungszentren, obwohl das laut Gesetz eigentlich ausgeschlossen sein sollte.

... Ein weiteres Problem der MVZ ist ihre meist starke Profitorientierung. Die Träger eines MVZ sind meist Kliniken, Gruppen von Ärztinnen und Ärzten oder eben Investoren-Vereinigungen. „Gerade sogenannte Private-Equity-Gesellschaften versuchen MVZ zu gründen oder zu kaufen, um aus ihnen maximalen Profit herauszuholen. Das kann sich natürlich beißen mit einer guten Versorgung der einzelnen Patientinnen und Patienten“, sagt Gerlinger.
So kann es etwa sein, dass MVZ manche Basisleistungen nicht oder nur ungern anbieten, weil sie vergleichsweise schlecht bezahlt sind. Und umgekehrt kann es theoretisch sein, dass man in MVZ Behandlungen empfohlen bekommt, die vielleicht nicht unbedingt nötig sind, sich aber gewinnbringend abrechnen lassen.
Ein weiterer Nachteil von MVZ ist die größere Fluktuation: „Dass man einen bestimmten Arzt oder eine bestimmte Ärztin über Jahre als vertrauensvolle Ansprechperson hat, ist in MVZ eher die Ausnahme. Wenn man einen Termin macht, bekommt man in vielen MVZ häufig die nächste freie Medizinerin oder den nächsten freien Mediziner, und das kann von Termin zu Termin wechseln“, sagt Wolter. ...

Gesundheitspolitik
Leicht verständliche Informationen zu Planung, Organisation, Steuerung und Finanzierung des Gesundheitssystems

Grüsse,
Oregano