Themenstarter
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Man weiss es also erst, wenn man IHN persönlich kennt und eine beziehung mit IHM eingehen kann. Und das ist eine Voraussetzung für einen bekennenden Christen
Ah, das ist ja beruhigend. Dann muss man nicht fürchten, dass es allzu viele "bekennende Christen" auf diesem schönen blauen Planeten gibt.
Wenn es denn so einen nicht benennbaren IHN gäbe, wäre der doch hoffentlich nicht so kleinlich, sich nur jenen zu offenbaren, die ihren Katechismus brav gelernt haben und sich Christen nennen dürfen nach den kleinlichen Regeln irgendwelcher Sonntagsschulleerer und Päpste? Sonst käme es ja simpel und einfach darauf an, in genügend strenge puritanische, laestadianische oder sonstwie selbstauerwählte Elternhäuser geboren zu sein, und schon ist man mit IHM verbandelt. Welch eine Nabelschau, welch ein kümmerliches Göttchen.
Kein Wunder, dass so einem der Lauf der Welt aus den Händen glitt, noch bevor die Schöpfung so richtig fertig war. Das haben die Zweie im Paradies zum Glück für die folgende Menschheit ihrem Schöpfer gründlich aus der Hand genommen.
Wenn ER schon mit seinen zwei selbstgebastelten Menschchen überfordert war, wird ER ja, auch nach intensivem Training kaum fähig sein, so eine Synchronbeziehung zu vielen "bekennenden Christen" aufrechthalten zu können.
Also kurz, die Vorstellung eines anthropomorphen ERs oder Gottes ist nicht haltbar.
Und wäre so eine Gottheit nicht anthropomorph wäre sie, bzw. ist sie für uns nicht erkennbar und somit irrelevant. Die Erde, das Universum oder der Hamster in seinem Laufkäfig drehen sich nun mal. Ob da irgend so eine ungeheuerliche, nur mit Pronomen benennbare Absichtsmaschinerie dahintersteckt, oder der - rückblickend gesehen unglaublich fein ziselierte - Ablauf der Dinge, ändert am Lauf dieser Dinge für uns bewusste Lebewesen nichts.
Gottloser!
könnte man mich jetzt schimpfen. Meinetwegen, aber nicht Gewissenloser. Denn in einer Welt, in der ich den Lauf der Dinge nicht IHM anlasten kann, muss ich die Verantwortung selbst übernehmen. Was von mir auf Mitmenschen, die lebende und nicht lebende Umwelt ausgeht, muss ich verantworten. Ich bin verantwortlich für das Leben auf diesem Planeten, für mein eigenes Leben, ebenso wie Du und jeder Einzelne.
Gerade Kranke, von denen hier doch einige vertreten sind, müssten es als unablässigen Hohn empfinden, wenn ER sich zwar einmal kurz durch seinen Sohn auf Erden verteten liess, und diesen freizügig Wünderchen vollbringen liess, aber danach melodramatisch am Kreuz mit österlicher Nachbesserung verabschiedet. Tschau zäme, das wäre es dann mit den Wundern, und wer's nicht glaubt wird eh verdammt. Ihr dürft Euch jetzt nach Lourdes schleppen oder Fatima, dort heilige Jungfrauen aus grünlich selbstleuchtendem Plastic kaufen und weiterhin Angst vor dem Tod haben.
Nicht mal die Angst vor dem Tod ist wahr: Kein Mensch hat die, wenn sie ihm nicht eingeredet wird, vorgeblich in SEINEM Namen. Nein, wir haben ganz einfach Angst vor dem Sterben. Da hilft ER nix. Sterben müssen jene, die sich so eine exclusive Beziehung mit IHM vorspiegeln genauso, wie wir, die wissen, dass das eigene Leben endlich ist, unbelastet von einer ungewissen Zukunft voller Drohungen. Mit einem grossen Unterschied:
Wir Ungläubigen, Wissenden können unsere Kraft auf das Leben hier konzentrieren und auf das Sterben eines Tages. Ihr ER-Süchtigen müsst immer am Eigentlichen vorbeischielen für ein paar Pünktli mehr oder weniger im Sündenregister oder für ein paar festere Pantöffelchen, dass ihr besser über diese eh unpassierbare 7. Brücke zu den Jungfrauen kommt. Die müssen Euch ja runterstossen, sonst wäre es bald fertig mit der Illusion.
Das zwar nicht ewige, aber immerhin doch fortgesetzte Leben findet tatsächlich statt. Aber nicht das des Individuums im Jenseits, sondern das der Menschheit, die jeder Mensch ein Stück weit mitträgt.
Hier.
Mit der Aufklärung haben wir die direkte Verantwortung füreinander, für das Leben erkannt. Die Delegation nach oben zu IHM gibt es nur noch als Gauklertrick, um sich aus dieser Verantwortung zu stehlen, sich höher zu stellen, als jene, die IHN eben nicht auf ihrer Buddy-List führen, oder um Soldaten für IHN und Vaterland im ach so menschlichen Machtspiel wüten zu lassen. Dschihad contra Busch's Kreuzzug. Der Tanz ums goldene Ölfass, religiös verbrämt.
Ein roter Faden führt von der Aufklärung zur Deklaration der Menschenrechte: Es ist der Mensch und sein Gewissen, sein Verantwortungsgefühl für Menschheit und Welt, als wohl einziger bewusster Lebensform dieses Planeten.
Wir Menschen können leben ohne die Drohung des Absturzes auf der geradezu zynisch gedachten Schwertbrücke vom 6. in den 7. Himmel, ohne groteske Abstrafungen in Teufels Küche, bevor wir dann in ferner Zukunft mal, SEINER angesicht werden dürften - oder eben nicht.
ER ist hienieden schlicht und einfach irrelevant. Wir bedürfen, um das Leben und das Sterben zu meistern der Ethik, nicht der Religion.
Wie heisst dieses Forum:
Das Ende der Symptombekämpfung.
Man lasse sich den Blick auf Leben und Sterben nicht durch IHN und sein kümmerliches Symptom des ewigen Lebens, also des bewusst erlebten andauernden Todes, verstellen. Den Tod gibt es nicht für jene, die gestorben sind, die sind eben nicht mehr. Den gibt es nur für die noch Lebenden, die sich einer vergänglichen Leiche gegenüber finden. Doch auch das Leben ist für uns Lebende reserviert. Wir haben es einmal. Mehr nicht, weniger nicht, das reicht.
Puistola