Lässt sich Resilienz (auch als Erwachsener noch) lernen?

Kate

Moderatorin
Teammitglied
Themenstarter
Beitritt
16.11.04
Beiträge
15.770
Hallo zusammen,

hier zwei Threads aus einer andern Rubrik unseres Forums, in denen teils schon lebhaft zum Thema Resilienz diskutiert wurde:


Es geht in den Threads viel um die Definition des (komplexen) Begriffes Resilienz, aber auch um die Erlernbarkeit.

Dazu nur ein Zitat:
Interessant fand ich persönlich die Betrachtungen zur Resilienz, z.B. die Aussage, dass dies nicht dasselbe sei wie Robustheit. Verschiedene Stellen sind wohl dabei, Übungen zu entwickeln, mit denen man Resilienz gezielt stärken kann. In diesem Zusammenhang wurde auch der Begriff "eudaimonisches Wohlbefinden" (teilweise sind auch andere Schreibweisen des ersten Wortes im Umlauf) erwähnt, der mir ganz neu war (s. z.B. Hedonistisches und Eudämonistisches Wohlbefinden | Sinnforschung). Ich habe mich noch nicht weiter damit befasst, die 6 Aspekte - in der Sendung benannt als: Sinnhaftigkeit des Lebens, Autonomie, persönliches Wachstum, Kontrollierbarkeit der Umwelt, positive Beziehungen zu anderen, Selbstakzeptanz - leuchten mir aber ein. Als eine Basismethode, dieses "Wohlbefinden" zu aktivieren, wird MBSR genannt.

Gruß
Kate
 
Hallo Kate,
Lässt sich Resilienz (auch als Erwachsener noch) lernen?
Ich denke ja, allerdings wohl weniger in einer Gruppe.

Gut kann ich mir vorstellen, wenn in Krisensituationen resistente Menschen an der Seite weniger resistente Menschen agieren, ein gutes Training sein kann.
Mit Krisensituationen meine ich ein unerwartetes und außergewöhnliches Ereignis z.B. Feuer, Hochwasser, Naturkatastrophen und schwere Unglücksfälle aller Art aber auch die Corona-Krise.
In Situationen lernen, wie vor Ort damit umgegangen werden kann, kann meines Erachtens hilfreich sein, ohne große Beeinträchtigung eine schwierige Krise zu überstehen.

Gruß ory
 
Hallo ory,

das kann sicher auch hilfreich sein, wenn es auch ein Idealfall ist, der insgesamt wohl nicht so häufig auftritt.

Die in meinem Zitat genannte Methode - auch wenn sie in einer Gruppe geübt werden sollte -
... "eudaimonisches Wohlbefinden" ... (s. z.B. Hedonistisches und Eudämonistisches Wohlbefinden | Sinnforschung). ... die 6 Aspekte - ... Sinnhaftigkeit des Lebens, Autonomie, persönliches Wachstum, Kontrollierbarkeit der Umwelt, positive Beziehungen zu anderen, Selbstakzeptanz -... eine Basismethode, dieses "Wohlbefinden" zu aktivieren, wird MBSR genannt.
... halte ich auch deshalb schon für vielversprechend und einen Versuch wert. Einige der "Aspekte" könnten auch - einmal erarbeitet - recht stabil sein.

Ich habe gerade eine Art "abgespecktem MBSR-Kurs", der online angeboten und von Krankenkassen als Prävention bezuschusst wird absolviert:

... und kann davon meine ich schon jetzt profitieren. Das betrifft punktuell auftretenden Stress, aber auch langfristige Belastungen. Und ich habe ja mit Üben gerade erst angefangen, bin also vom "Meister" weit entfernt. Eine Gruppe fehlt hier, könnte aber durch Erfahrungsaustausch und Feedback helfen (manchmal fühlt man sich auch "schwächer", als andere einen wahrnehmen oder erleben, und es kann hilfreich sein, die eigene Empfindung von Schwäche zu hinterfragen).

Gruß
Kate
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Kate,
Eine Training, wie mit täglichen Herausforderungen umgegangen werden kann, wie du ihn absolviert hast, ist absolut ein Versuch wert.....ob dadurch eine Resilienzfähigkeit, die ein Mensch über eigene verarbeitete Krisen-Situationen nach und nach erreicht hat, erzeugt werden kann.....kann ich nicht wirklich beurteilen.

Gruß ory
 
Hallo ory,

ich verstehe jetzt, was Du meinst :)

Ich denke, dass das, was sich mit konsequentem MBSR-(u.a. Meditations-)Training erreichen lässt, über die Bewältigung von Alltagsbelastungen hinaus geht. Die momentane "Corona-Krise" ist ja für viele Menschen - auch für mich - schon mehr als eine alltägliche Belastung. Kommt noch irgendetwas dazu wie chronische Krankheit, ein Unfall, ein Todesfall im engeren Umfeld (ohne die Nähe beim Absschiednehmen, die man sich gewünscht hätte), kann es schnell sehr belastend werden. Und jedes bisschen mehr Resilienz kann dann helfen, das stelle ich im Moment fest.

Womöglich fasse ich den Begriff Resilienz etwas weiter als Du, beziehe sie nicht nur auf ganz extreme Ereignisse, sondern auch auf solche, die viele Menschen in ihrem Leben zeitweise zu bewältigen haben und das mehr oder weniger gut hinbekommen.

Und wenn diese Aspekte (s.o.): Sinnhaftigkeit des Lebens, Autonomie, persönliches Wachstum, Kontrollierbarkeit der Umwelt, positive Beziehungen zu anderen, Selbstakzeptanz - bei der Resilienzentwicklung helfen können, wovon ich ausgehe, kann man daran auch unabhängig von einer schweren Krise arbeiten und in der Krise profitieren (wo dann vielleicht einzelne dieser Säulen wegfallen, z.B. die "Kontrollierbarkeit der Umwelt", vielleicht auch die "Autonomie" oder Teile davon und dafür die anderen umso wichtiger werden).

Gruß
Kate
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Kate,
Womöglich fasse ich den Begriff Resilienz etwas weiter als Du, beziehe sie nicht nur auf ganz extreme Ereignisse, sondern auch auf solche, die viele Menschen in ihrem Leben zeitweise zu bewältigen haben und das mehr oder weniger gut hinbekommen.

Für mich steht Resilienz (Widerstandfähigkeit/Kraft) tatsächlich eher im Zusammenhang mit Krisen Situationen, wobei ich dies nicht als ein seltenes Phänomen sehe.

Aber es stimmt schon, das Herausforderungen mit denen wir zeitweise zu tun haben die Widerstandskraft kräftig fördern können.
Die momentane "Corona-Krise" ist ja für viele Menschen - auch für mich - schon mehr als eine alltägliche Belastung. Kommt noch irgendetwas dazu wie chronische Krankheit, ein Unfall, ein Todesfall im engeren Umfeld (ohne die Nähe beim Absschiednehmen, die man sich gewünscht hätte), kann es schnell sehr belastend werden. Und jedes bisschen mehr Resilienz kann dann helfen, das stelle ich im Moment fest.

Die Corona-Wirtschafts-Krise die uns irgendwie alle, von einer Minute auf der anderen überrollte hat und sicherlich allgemein ein Wirrwarr hinterlässt, gebraucht ohne Frage eine Menge an Resilienz.

Gruß ory
 
Hallo,

ich glaube, daß Resilienz auch mit einem Glauben/Überzeugung zu tun haben kann: Missionare und Missionarinnen z.B. haben unglaubliche Situationen bewältigt, weil sie davon überzeugt waren, das Richiige zu tun und von ihrem Gott geschützt zu werden.
Diese Gelassenheit aufgrund des Glaubens hilft ihnen, nicht wirklich in Stress zu geraten und damit die ganze Stresskaskade zu erleben.

Wenn es nicht ein Gott ist, der allumfassend schützt, kann es auch eine Überzeugung bis zu einem gewissen Fanatismus sein, der hilft, schwierige Situationen gut zu übestehen. Beispiele dazu finden sich u.a. in der Medizin, z.B. in Forum von Eigenversuchen..

Grüsse,
Oregano
 
Hallo @Oregano :)

das
... daß Resilienz auch mit ...Überzeugung zu tun haben kann
... kann ich mir auf jeden Fall vorstellen (den "Glauben" i.e.S. habe ich weggelassen im Zitat, da ich davon nichts verstehe) und auch am eigenen Leibe etwas nachvollziehen: wenn ich überzeugt bin, etwas richtig zu machen, entsteht eine gewisse Un-be-irr-barkeit und Zuversicht; auf der anderen Seite aber auch die Bereitschaft, Folgen zu tragen, wenn man zwar nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat, aber trotzdem scheitert.

... Missionare und Missionarinnen z.B. haben unglaubliche Situationen bewältigt, ... Wenn es nicht ein Gott ist, der allumfassend schützt, kann es auch eine Überzeugung bis zu einem gewissen Fanatismus sein, der hilft, schwierige Situationen gut zu übestehen. ...
Andererseits (das fällt mir bei Missionaren und Fanatismus ein) leider auch Übergriffigkeit Vorschub leisten kann. Aber das ist hier ja nicht Thema.

Ich sehe bei "Überzeugung" auch einen Bezug zu den weiter oben von mir genannten Begiffen
Sinnhaftigkeit des Lebens, Autonomie, persönliches Wachstum, ... Selbstakzeptanz
Überzeugungen fallen ja nicht "vom Himmel", sondern entstehen über eine persönliche Entwicklung (an der man arbeiten kann auch außerhalb von Krisen; übrigens - hallo liebe @ory - auch so ein Begriff, den man enger oder weiter definieren kann); sie können zur Sinnhaftigkeit und (emotionalen) Autonomie und wohl auch Selbstakzeptanz beitragen.

Gruß
Kate
 
Hallo zusammen,

erstmal noch kurz was zur Definition von Resilienz, das finde ich immer wichtig, bis hin zur Etymologie - wobei der Begriff in älteren Lexika noch garnicht drinsteht. Die Hervorhebungen stammen von mir:
Resilienz (von lateinisch resilire ‚zurückspringen‘ ‚abprallen‘) oder psychische Widerstandsfähigkeit ist die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen. Mit Resilienz verwandt sind Entstehung von Gesundheit (Salutogenese), Widerstandsfähigkeit (Hardiness), Bewältigungsstrategie (Coping) und Selbsterhaltung (Autopoiesis).

In der Medizin wird der Begriff laut Wikipedia noch etwas anders (enger) verwendet, wobei hier die "psychische Gesundheit" als Kriterium auftritt, die weitere (aus meiner Sicht komplexe und in der Praxis oft fragwürdige) Definition erfordert. In o.g. Definition gefällt mir die Formulierung "als Anlass für Entwicklungen zu nutzen" gut und das ist im Grunde auch die Verknüpfung zum Thread-Thema, denn "für Entwicklungen nutzen" ist ja fast synonym zu Lernen.

Dazu noch ein Recherche-Ergebnis - auch hier sind die Hervorhebungen von mir:
Resilienz lässt sich lernen
(...) Resilienz bezeichnete ursprünglich die Fähigkeit, Extremsituationen durchzustehen, ohne Schaden an der Seele zu nehmen. Inzwischen ist Resilienz zu einem Modewort geworden. (...)

Der Neurowissenschaftler Raffael Kalisch leitet das Mainzer Resilienzprojekt, eine Langzeitstudie des Deutschen Resilienz-Zentrums. (...) In einem ausgesprochen reflektierten Buch hat Kalisch nun zusammengetragen, was die Forschung wirklich über die Resilienz weiß.

Resilienzforschung ist im Aufbruch
Er sagt es gleich zu Anfang: Kommt Ihnen jemand mit einem Resilienzfragebogen oder einem Resilienztraining, sollten Sie Reißaus nehmen. Die Resilienzforschung, so der Autor, befindet sich in einer spannenden Aufbruchsphase, aber fertige Lösungen und schnelle Tipps fürs Durchhalten im Alltag könne der Leser seriöserweise nicht erwarten. Stattdessen erklärt der Autor, eingebettet in Geschichten von Menschen, die viel ertragen haben, ohne zu erkranken, die aktuell in der Wissenschaft diskutierten Hypothesen und die Möglichkeiten, sie zu prüfen. (...)

... Resilienz, wie Kalisch sie beschreibt, ist kein Schutzschild, sondern eine Form der Aktivität. Resilient sind nicht die, die sich nicht berühren lassen, sondern die, denen es gelingt, in allem Übel auch noch ein Körnchen Gutes zu finden, die, deren neuronales Belohnungssystem auch in stressigen und belastenden Situationen noch Aktivität zeigt. Solche Menschen machen sich keine Illusionen, aber bei Ungewissheit neigen sie dazu, eher einen positiven Verlauf der Dinge anzunehmen, und sie glauben eher, dass sie selbst etwas bewirken können.

Wie solche Bewertungsstile entstehen, wie sie im Gehirn realisiert sind und auch, wie man sie beeinflussen kann, untersuchen die Mainzer Forscher mit vielen Methoden: Über Jahre hinweg füllen die Probanden alle drei Monate Fragebögen zu ihrem Befinden aus, die Forscher untersuchen Hirnaktivität, Schlafdauer, Stresshormone, Hautleitfähigkeit, Herzschlag, Blutproben und die Mikroorganismen im Stuhl.

Kalischs vorläufiges Ergebnis: Resilienz ist kein Schicksal. Da es sich um einen Bewertungsstil handelt, kann man umlernen und schädliche Assoziationen verlernen – aber nicht mal eben schnell. (...) ein langfristiger Prozess, auf den man sich einlassen und den man wollen muss. Ein gelangweilt abgesessenes Seminar (...) ist nicht hilfreich.

Hier finde ich den Begriff "Bewertungsstil" anregend... 🤔 und den Aspekt der Selbstwirksamkeit. Außerdem bin ich ganz fasziniert, dass auch hier das im Moment ja intensiv beforschte Mikrobiom erwähnt wird (bei den Untersuchungen). Ich meine auch, dass @evalesen (hallo Eva :)) irgendwo eine Studie verlinkt hat zum Thema Resilienz und Mikrobiom (weiß aber nicht mehr wo - Du, Eva?).

Es geht um folgendes Buch:
Raffael Kalisch, "Der resiliente Mensch. Wie wir Krisen erleben und bewältigen", Berlin Verlag, Berlin 2017, 236 S.

Gruß
Kate
... die fleißig weiter Meditieren übt...
 
Zuletzt bearbeitet:
Außerdem bin ich ganz fasziniert, dass auch hier das im Moment ja intensiv beforschte Mikrobiom erwähnt wird (bei den Untersuchungen). Ich meine auch, dass @evalesen (hallo Eva :)) irgendwo eine Studie verlinkt hat zum Thema Resilienz und Mikrobiom (weiß aber nicht mehr wo - Du, Eva?).
Hier ist's:

Gruß
Kate
 
Oben