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Das Neuheidentum ist nicht mehr so ganz "neu" und hat insbesondere ab den siebziger Jahren eine Art Blüte, bzw. intensiveren Zulauf erfahren.
Es sind da unterschiedliche Strömungen erkennbar und manche Gruppierungen lassen sich durchaus dem "rechten Spektrum" zuordnen. Aber nicht alle.
Herzliche Grüße von
Leòn
Es sind da unterschiedliche Strömungen erkennbar und manche Gruppierungen lassen sich durchaus dem "rechten Spektrum" zuordnen. Aber nicht alle.
Gerade die europäische Variante dieses Traditionsstrangs ist uns aber nicht ungebrochen überliefert worden. Die große Zeit naturreligiöser Kulturen liegt zumindest in Europa Jahrhunderte zurück: In Rom war 394 n. Chr. der Machtkampf zwischen Heiden und Christen entschieden, in Irland wurde 559 n. Chr. zum letzten Mal ein irischer König mit der Göttin des Landes vermählt, in Britannien setzte sich das Christentum im 7. Jahrhundert durch, in Germanien im 9. Jahrhundert, in Skandinavien zerstörte man den Tempel von Uppsala 1100 nach Chr., im Baltikum wurde das offizielle Heidentum im 15. Jahrhundert abgeschafft. Vieles, was an heidnischen Volksbräuchen übrig war, ging zumindest in Mitteleuropa im Zuge der Industrialisierung im 19. und 20 Jahrhundert verloren. Vieles ist verschüttet worden. Das, was uns heute von den einstigen naturreligiösen Kulturen überliefert ist, wurde durch Christentum, Aufklärung und Moderne überformt.
Angesichts dieses Kontrasts wird deshalb gerne behauptet, wir wüssten heute nichts über die naturreligiöse Vergangenheit Europas. Als Mäßigung und Entgegnung gegenüber eifrigen Neuheiden, die ihre Praktiken und Überzeugungen direkt auf Odin oder die Altsteinzeit zurückführen, mag eine solche Bemerkung durchaus sinnvoll sein. Dennoch ist sie für sich genommen natürlich Unsinn. In der ganzen Welt gibt es Dutzende von Lehrstühlen und Hunderte von Fachwissenschaftlern, die sich in Lingustik, Archäologie, Historiographie, Numismatik, Kulturanthropologie, Skandinavistik, Germanistik, Keltologie, Philosophie usw. mit den vorchristlichen Traditionen Europas beschäftigen. Seit mehr als hundert Jahren zeichnen die Wissenschaften ein immer konkreteres und detailliertes Bild über die germanische, keltische, piktische, slawische, römische oder griechische Vergangenheit Europas.
Die romantische Begeisterung für die vorchristlichen Traditionen war nicht unproblematisch. In Deutschland begründete sie sich nicht zuletzt in einem Wunsch nach einer deutschen Kulturidentität und wurde deshalb schon von Beginn an mit einem Diskurs über Nation, deutsches Wesen und deutsches Volkstum verknüpft. Rassistische okkulte Gruppen griffen die neuheidnische Einbettung in nationalistische Begrifflichkeiten auf und schufen Anfang des 20. Jahrhunderts eine angeblich "germanische" Ideologie, die an Grundkonzepte der Theosophie angelehnt war und mit den historischen Tatsachen wenig zu tun hatte. Im 3. Reich wurde diese Ideologie zusammen mit vielen "Beweisen" und "Forschungsergebnissen" an Schulen, Universitäten und den SS-Ordensburgen gelehrt. Seriöse Forscher wehrten sich schon damals gegen diese angeblichen "Erkenntnisse", fanden aber kein Gehör. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwanden zwar die Nazis, ihre "Erkenntnisse" beeinflussten jedoch weiterhin kleine neugermanische Okkultgruppen, die am Rande der Gesellschaft agierten.
Rabenclan e.V. - Arbeitskreis für Heiden in Deutschland - Magazin.PerchtenprachtNaturreligiositaethre Nachkriegsrenaissance in Deutschland erlebten naturreligiöse Traditionen, deren moderne europäische Varianten als sogenanntes "Neuheidentum" bezeichnet werden, durch die kulturellen Umwälzungen im Umfeld der Studentenbewegungen: Der indianische Medizinmann, der mit anklagender Stimme mahnte, dass man Geld nicht essen kann, wurde zum romantischen Vorbild für einen neuen Umgang mit der Natur. Die angebliche Rede des Häuptling Seattle ("Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, die Rehe, das Pferd, der große Adler sind unsere Brüder.") wurde ebenso exzessiv zitiert wie die angeblichen Reden des Südseehäuptlings Tuiavii über den weißen "Papalagi" als Buch verschenkt wurden. Man begeisterte sich für die ökospirituelle Siedlung Findhorn und entdeckte die Naturverbundenheit unserer keltischen Vorfahren wieder. Frauen erforschten ihre Macht als Hexe und nutzen diese zur feministischen Identitätsfindung. Man lernte Schwitzhütten zu bauen und Wakan Tanka anzubeten. Und irgendwann machte man sich auf die Suche nach der europäischen Variante einer naturverbundenen, "indigenen" Kultur und entdeckte sie z.B. im Keltentum oder Germanentum. Eine weitere moderne naturreligiöse Identifikationsmöglichkeit bot das in England in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstandene "Wicca", das von Gerald Gardner in einem 1956 erschienenen Buch einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Herzliche Grüße von
Leòn