Frühling

Es färbte sich die Wiese grün

von Novalis


Es färbte sich die Wiese grün
Und um die Hecken sah ich blühn,
Tagtäglich sah ich neue Kräuter,
Mild war die Luft, der Himmel heiter.
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Und immer dunkler ward der Wald
Auch bunter Sänger Aufenthalt,
Es drang mir bald auf allen Wegen
Ihr Klang in süßen Duft entgegen.
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Es quoll und trieb nun überall
Mit Leben, Farben, Duft und Schall,
Sie schienen gern sich zu vereinen,
Daß alles möchte lieblich scheinen.
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

So dacht ich: ist ein Geist erwacht,
Der alles so lebendig macht
Und der mit tausend schönen Waren
Und Blüten sich will offenbaren?
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Vielleicht beginnt ein neues Reich –
Der lockre Staub wird zum Gesträuch
Der Baum nimmt tierische Gebärden
Das Tier soll gar zum Menschen werden.
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Wie ich so stand und bei mir sann,
Ein mächtger Trieb in mir begann.
Ein freundlich Mädchen kam gegangen
Und nahm mir jeden Sinn gefangen.
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Sie ging vorbei, ich grüßte sie,
Sie dankte, das vergeß ich nie –
Ich mußte ihre Hand erfassen
Und Sie schien gern sie mir zu lassen.
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Uns barg der Wald vor Sonnenschein
Das ist der Frühling fiel mir ein.
Kurzum, ich sah, daß jetzt auf Erden
Die Menschen sollten Götter werden.
Nun wußt ich wohl, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.



Außerdem war NOVALIS eine Deutschrockband!
https://de.wikipedia.org/wiki/Novalis_(Band)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hier noch viel mehr über Novalis:
https://novalis.autorenverzeichnis.de/zeittafel/index.html
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Der Dichter Novalis - mit bürgerlichem Namen Friedrich von Hardenberg, Geologe von Beruf und Sohn des Direktors der Saline in Artern - arbeitete 1799 für das Gradierwerk. Er begann in Artern mit der Niederschrift seines Romans "Heinrich von Ofterdingen", in dem die "blaue Blume" der Romantik erstmals als Bild und Begriff auftaucht:

DIE BLAUE BLUME

"Die Eltern lagen schon und schliefen, die Wanduhr schlug ihren ringförmigen Takt, vor dem klappernden Fenstern sauste der Wind; abwechselnd wurde die Stube hell von dem Schimmer des Mondes. Der Jüngling lag unruhig auf seinem Lager und gedachte des Fremden und seiner Erzählungen. Nicht die Schätze sind es, die ein so unaussprechliches Verlangen in mir geweckt haben", sagte er zu sich selbst; fernab liegt mir alle Habsucht: aber die blaue Blume sehn' ich mich zu erblicken. Sie liegt mir unaufhörlich im Sinn, und ich kann nichts anders dichten und denken.

So ist mir noch nie zumute gewesen: es ist, als hätt' ich vorhin geträumt oder ich wäre in eine andere Welt hinübergeschlummert; denn in der Welt, in der ich sonst lebte, wer hätte da sich um Blumen bekümmert, und gar von einer so seltsamen Leidenschaft für eine Blume hab' ich damals nie gehört...'
Endlich gegen Morgen, wie draussen die Dämmerung anbrach, wurde es stiller in seiner Seele, klarer und bleibender wurden die Bilder. Es kam ihm vor, als ginge er in einem dunkeln Walde allein...

Es dünkte ihn, als umflösse ihn eine Wolke des Abendrots; eine himmlische Empfindung überströmte sein Inneres; mit inniger Wollust strebten unzählbare Gedanken in ihm sich zu vermischen; neue, nie gesehene Bilder entstanden, die auch ineinanderflossen und gut sichtbaren Wesen um ihn wurden...
Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume, die zunächst an der Quelle stand und ihn mit ihren breiten, glänzenden Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der köstlichste Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume und betrachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlichkeit...."
https://onlinekunst.de/mai/02_05_blaue_blume.html
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Die Blaue Blume verkörpert wie kein anderes Motiv die Suche der Romantiker nach einem Zentrum, nach einer inneren Einheit, nach Unendlichkeit. Dieses Sinnbild der Epoche stammt aus Novalis' Romanfragment "Heinrich von Ofterdingen", einem Künstlerroman, der in der Tradition der großen Bildungsromane, vor allem in Auseinandersetzung mit Wilhelm Meister, entstanden ist. Der Roman thematisiert den (poetischen) Weg des Menschen "nach innen", damit aber gleichzeitig in die Unendlichkeit.

Die Blaue Blume gilt als das Hauptsymbol der Romantik. Sie repräsentiert etwas, was schwierig zu erreichen ist; eine Sehnsucht, die man nicht aussprechen kann. Die Blaue Blume ist ein Sinnbild für etwas, was man nicht ganz rational verstehen kann. Um seine Sehnsucht jedoch zu stillen, ist es nötig, dieses Unerreichbare zu erreichen
www.gymnasium-meschede.de/projekte/romantik/deutsch.htm

www.bsu.edu/classes/warner/GER402/blume.jpg
 
Noch ein Romantiker:


Katzengedicht
Katzennatur


's war mal 'ne Katzenkönigin,
Ja, ja!
Die hegte edlen Katzensinn,
Ja, ja!
Verstand gar wohl zu mausen,
Liebt' königlich zu schmausen,
Ja, ja! - Katzennatur!
Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

Die hatt 'nen schneeweißen Leib,
Ja, ja!
So schlank, so zart, die Hände so weich.
Ja, ja!
Die Augen wie Karfunkeln,
Sie leuchteten im Dunkeln,
Ja, ja! - Katzennatur!
Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

Ein Edelmausjüngling lebte zur Zeit,
Ja, ja!
Der sah die Königin wohl von weit,
Ja, ja!
'ne ehrliche Haut von Mäuschen,
Der kroch aus seinem Häuschen,
Ja, ja! - Mäusenatur!
Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

Der sprach: in meinem Leben nicht,
Ja, ja!
Hab ich gesehen so süßes Gesicht,
Ja, ja!
Die muß mich Mäuschen meinen,
Sie tut so fromm erscheinen,
Ja, ja! - Mäusenatur!
Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

Der Maus: willst du mein Schätzchen sein?
Ja,ja!
Die Katz: ich will dich sprechen allein.
Ja, ja!
Heut will ich bei dir schlafen -
Heut sollst du bei mir schlafen -
Ja, ja! - Katzennatur!
Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

Der Maus, der fehlte nicht die Stund,
Ja, ja!
Die Katz, die lachte den Bauch sich rund,
Ja, ja!
Dem Schatz, den ich erkoren,
Dem zieh ich's Fell über die Ohren,
Ja, ja! - Katzennatur!
Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

Adelbert von Chamisso (1781-1838)

https://www.onlinekunst.de/katzen/katzentuer_offen.html
 
Hallo, Uta,

wie der Adalbert das wohl gemeint hat...?
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Naja, wie ich schon anderswo berichtet habe ich zwei von der Sorte "Katzenkönigin".www.my-smileys.de/smileys2/cat2_2.gif
Erstaunlich übrigens, wie viele Dichter sich mit Katzen beschäftigt haben!

Hier ist eines von unserem norddeutschen Theodor:
(Herzliche Grüße von Leòn)

Von Katzenwww.my-smileys.de/smileys2/frankmad.gif

Theodor Storm 1817 - 1888www.my-smileys.de/smileys2/frankmeow.gif

Vergangenen Maitag brachte meine Katze
Zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß, mit schwarzen Schwänzchen,
Führwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!
Die Köchin aber - Köchinnen sind grausam,
Und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche -,
Die wollte von den sechsen fünf ertränken,
Fünf weiße, scharzgeschwänzte Maienkätzchen
Ermorden wollte dies verruchte Weib.www.my-smileys.de/smileys2/frankscared.gif
Ich half ihr heim! - Der Himmel segne
Mir meine Menschlichkeit! Die lieben Kätzchen,
Sie wuchsen auf und schritten binnen kurzem
Erhobenen Schwanzes über Hof und Herd;
Ja, wie die Köchin auch ingrimmig dreinsah, sie
Wuchsen auf, und nachts vor ihrem Fenster
Probierten sie die allerliebsten Stimmchen.
Ich aber, wie ich sie so wachsen sah,
Ich pries mich selbst und meine Menschlichkeit. -
Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen,
Und Maitag ist's! - Wie soll ich es beschreiben,
Das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet!
Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,
Ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen!
Hier liegt das eine, dort das andere Kätzchen,
In Schränken, Körben, unter Tisch und Treppen,
Die Alte gar - nein, es ist unaussprechlich,
Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!
Und jede, jede von den sieben Katzen
Hat sieben, denkt euch, sieben junge Kätzchen!
Maikätzchen, alle weiß, mit schwarzen Schwänzchen,
Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut
Nicht Schranken sezten dieses Frauenzimmers;
Ersäufen will sie alle neunundvierzig!
Mir selbser, ach, mir läuft der Kopft davon -
O Menschlichkeit, wie soll ich Dich bewahren.www.my-smileys.de/smileys2/franksurprise.gif
Was fang ich an mit sechsundfünfzig Katzen!
 
Vielleicht liegt die Beschäftigung mit Katzen daran, daß Dichter ja durchaus neurotische Wesen sind (meistens, denke ich), denen vielleicht auch die Frauen immer mal abhanden gekommen sind?
Katzen sind in so einem Fall doch angenehme Wesen: sie bleiben unabhängig, stellen Ansprüche einer Art, die auch ein Dichter erfüllen kann und sind auch noch kuschelig dazu...
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Kleine Katzen sind so drollig
Und so wollig und so mollig,
Dass man sie am liebsten küsst.
Aber auch die kleinen Katzen
Haben Tatzen, welche kratzen.
Also Vorsicht! Dass ihr's wisst!

Kleine Katzen wollen tollen
Und die Wolleknäuel rollen.
Das sieht sehr possierlich aus.
Doch die kleinen Katzen wollen
Bei dem Tollen und dem Rollen
Fangen lernen eine Maus.

Kleine Katzen sind so niedlich
Und so friedlich und gemütlich.
Aber schaut sie richtig an:
Jedes Sätzchen auf den Tätzchen
Hilft, dass aus dem süßen Kätzchen
Mal ein Raubtier werden kann.

©James Krüss
 
Vielleicht liegt die Beschäftigung mit Katzen daran, daß Dichter ja durchaus neurotische Wesen sind (meistens, denke ich), denen vielleicht auch die Frauen immer mal abhanden gekommen sind?
Katzen sind in so einem Fall doch angenehme Wesen: sie bleiben unabhängig, stellen Ansprüche einer Art, die auch ein Dichter erfüllen kann und sind auch noch kuschelig dazu...
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Manchmal wünscht ich, ich wär lichter
und aus mir würd ein großer Dichter,
dem ist nicht so drum schmier
ich schlechte Verse aufs Papier
!
Leòn
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Spatz und Katze

von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

"Wo wirst du denn den Winter bleiben?"
Sprach zum Spätzchen das Kätzchen.
"Hier und dorten, allerorten",www.my-smileys.de/smileys2/dffg.gif
Sprach gleich wieder das Spätzchen.

"Wo wirst du denn zu Mittag essen?"
Sprach zum Spätzchen das Kätzchen.
"Auf den Tennen mit den Hennen",
Sprach gleich wieder das Spätzchen.

"Wo wirst du denn die Nachtruh' halten?"
Sprach zum Spätzchen das Kätzchen.
"Lass dein Fragen, will's nicht sagen",
Sprach gleich wieder das Spätzchen.
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"Ei, sag mir's doch, du liebes Spätzchen!"
Sprach zum Spätzchen das Kätzchen.
"Willst mich holen - Gott befohlen!"
Fort flog eilig das Spätzchen.
 
Die Sphinx

von Oscar Wilde

In einer Zimmerecke wacht,
schon länger, als ich denken kann,

Die schöne Sphinx und schweigt mich an
im Wechselspiel von Tag und Nacht.

Ganz ungerührt und unbewegt
verharrt die finstere Gestalt.

Der Silbermond, der lässt sie kalt,
selbst Sonnenschein sie nicht erregt.

Der Himmel rötet sich und bleicht,
die Flut des Mondlichts steigt und sinkt.

Der Dämmerung es nicht gelingt
und auch der Nacht nicht, dass sie weicht.

Die Zeit verrinnt, Nacht folgt auf Nacht,
und immer noch die Katze träumt;

Mit sanften Augen , goldgesäumt,
hält sie auf ihrem Teppich Wacht.

Sie ruht , ihr Katzenauge starr,
und zu den spitzen Ohren drängt

Das Nackenhaar, mit gelb gesprengt;
das braune Fell ist seidenzart....

Mein träger Liebling, komm heran,
und leg' den Kopf mir in den Schoß,

Damit ich dir den Nacken kos'
und deinen Samtleib streicheln kann...
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Und wieder ganz etwas anderes:

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten wohl nicht vollbringen
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

Rainer Maria Rilke

Aus dem Stundenbuch, erschienen 1905

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Es lohnt, diesen Link https://www.onlinekunst.de/rilke/ich_lebe_mein.html anzuklicken: da findet sich eine Fülle von Dichtern von A-Z, und die einzelnen Gedichte sind auch noch mit Musik unterlegt.
Das Gedicht von Rilke hier z.B. mit Johann Sebastian Bach ("Kunst der Fuge"?).
Und ein Bild gibt es auch noch dazu
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Hallo, Uta,

ja danke für den Tipp - ich habe dort auch schon Gedichte gefunden!

Dies hier ist von einer anderen Homepage:
liebesgedicht.li.funpic.de/fruehlingsgedichte.htm

Der erste Mai

von Friedrich von Hagedorn

Der erste Tag im Monat Mai
ist mir der glücklichste von allen.
Dich sah ich und gestand dir frei,
den ersten Tag im Monat Mai,
daß dir mein Herz ergeben sei.
Wenn mein Geständnis dir gefallen,
so ist der erste Tag im Mai
für mich der glücklichste von allen.
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Der Goldschmied

von Rainer Maria Rilke

Warte! Langsam! droh ich jedem Ringe
und vertröste jedes Kettenglied:
später, draußen, kommt das, was geschieht.
Dinge, sag ich, Dinge, Dinge, Dinge!
wenn ich schmiede; vor dem Schmied
hat noch keines irgendwas zu sein
oder ein Geschick auf sich zu laden.
Hier sind alle gleich, von Gottes Gnaden:
ich, das Gold, das Feuer und der Stein.

Ruhig, ruhig, ruf nicht so, Rubin!
Diese Perle leidet, und es fluten
Wassertiefen im Aquamarin.
Dieser Umgang mit euch Ausgeruhten
ist ein Schrecken: alle wacht ihr auf!
Wollt ihr Bläue blitzen? Wollt ihr bluten?
Ungeheuer funkelt mir der Häuf.

Und das Gold, es scheint mit mir verständigt;
in der Flamme hab ich es gebändigt,
aber reizen muß ichs um den Stein.
Und auf einmal, um den Stein zu fassen,
schlägt das Raubding mit metallnem Hassen
seine Krallen in mich selber ein.

https://www.textlog.de/22428.html
 
Ballade vom Klassiker
Frühe schon zum Klassiker berufen
fühlte sich der Jüngling Emil Bums,
nahte, Gott im Busen, sich den Stufen
des Appoln geweihten Heiligtums.

Selten sah man wahrlich einen Dichter
so von herer Streberei beseelt,
bald schon sah er sich vom Chor der Richter
als des Volkes Liebling auswerwählt.

Niemals gab er sich die kleinste Blöße,
wich vom Pfad strengster Tugend nie,
sang von Gott und nationaler Größe,
was ihm ungeheuren Ruhm verlieh.

Leider war dem Hochpflug nicht gewachsen
dieses Edeldichters schwaches Herz,
und auf einer Vortragsreise durch Sachsen
ward er krank und schwang sich himmelwärts.

Eine Trauerfeier ohne gleichen,
der Bedeutung des Moments sich voll bewußt,
schmückte mit des Vaterlands Eichen
des verewigten Sängers Heldenbrust.

Industrie, Finanz, Behörde, Presse
stand ergriffen um das offne Grab,
Gerhard Hauptmann warf und Hermann Hesse
eine Schaufel voll Papier herab.

Unter andern herrlichen Trophäen
in des Volksmuseums Heiligtum
sieht man seine Schreibmaschine stehen,
sonntags viel bestaunt vom Publikum.

Nie wird dieser alte Mann vergessen werden,
Deutschlands letzter Klassiker vielleicht,
denn fürwahr, es findet sich auf Erden
keiner, der ihm nur das Wasser reicht.

Ja ich selbst, der ich den Bums erfunden,
der ihm Namen, Ruhm, Gestalt verlieh,
beuge mich beschämt und überwunden
vor so viel Talent, so viel Genie.

Und so wallt des Göttlichen Gedächtnis,
von der rauhen Wirklichkeit befreit,
seines Volkes edelstes Vermächtnis,
durch Jahrhunderte zur Ewigkeit
www.bibliomaniac.de/hesse/prim/poem1.htm#A

(Wie heißt nur das Stück, in dem Thomas Bernhard so einen ganz supertollen Schriftsteller darstellt?)
 
Hallo, Uta,
was Thomas Bernhard betrifft bin ich leider überfragt ....
medium-smiley-065.gif
.

Ich habe noch was zu Katzen gefunden:


Die Katzen

von Charles Baudelaire

Die toll Verliebten und die strengen Weisen
Verehren, wenn die Kraft und Jugend schmolz,
Die Katzen sanft und stark, des Hauses Stolz,
Die fröstelnd, so wie sie, den Herd umkreisen.

Die, so wie sie, Weisheit und Sinnenglut
Und Dunkel lieben, Nacht von Grau'n durchflossen,
Die sich der Orkus hätt' erwählt zu Rossen,
Stünd' seinem Dienst zu Kauf ihr stolzes Blut.

Sie gleichen Statuen, wenn sie sinnend kauern,
Den grossen Sphinxen in der Wüste Schauern,
Die ewig dämmern an des Traumes Rand.

Aus ihren Lenden magische Funken sprühen,
Und wie besternt von feinem goldnen Sand
Scheint ihres rätselvollen Auges Glühen.
 
Hebbel, Friedrich
Der Blinde sitzt im stillen Tal
und atmet Frühlingsluft,
Ihm bringt ein Hauch mit einem Mal
des ersten Veilchens Duft.
Um es zu pflücken, steht er auf,
sucht, bis die Nacht sich naht,
Und ahnt nicht, daß in irrem Lauf
sein Fuß es längst zertrat.
 
Heine, Heinrich (1797-1856)

Es kommt der Lenz mit dem Hochzeitgeschenk,
Mit Jubel und Musizieren,
Das Bräutchen und den Bräutigam
Kommt er zu gratulieren.
Er bringt Jasmin und Röselein,
Und Veilchen und duftige Kräutchen,
Und Sellerie für den Bräutigam,
Und Spargel für das Bräutchen
 
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Neue Liebe

von Joseph Freiherr von Eichendorff (1788 bis 1857)

Herz, mein Herz, warum so fröhlich,
so voll Unruh und zerstreut,
als käm über Berge selig
schon die schöne Frühlingszeit?

Weil ein liebes Mädchen wieder
herzlich an dein Herz sich drückt,
schaust du fröhlich auf und nieder,
Erd und Himmel dich erquickt.

Und ich hab die Fenster offen,
Neu zieh in die Welt hinein
altes Bangen, altes Hoffen!
Frühling, Frühling soll es sein!

Still kann ich hier nicht mehr bleiben,
durch die Brust ein Singen irrt,
doch zu licht ist’s mir zum Schreiben,
und ich bin so froh verwirrt.

Also schlendr’ ich durch die Gasse,
Menschen gehen her und hin,
weiß nicht, was ich tu und lasse,
nur, daß ich so glücklich bin.
 
Neue Liebe, neues Leben

Herz, mein Herz, was soll das geben?
Was bedränget dich so sehr?
Welch ein fremdes, neues Leben!
Ich erkenne dich nicht mehr.
Weg ist alles, was du liebtest,
Weg, warum du dich betrübtest,
Weg dein Fleiß und deine Ruh –
Ach, wie kamst du nur dazu!
Fesselt dich die Jugendblüte,
Diese liebliche Gestalt,
Dieser Blick voll Treu und Güte
Mit unendlicher Gewalt?
Will ich rasch mich ihr entziehen,
Mich ermannen, ihr entfliehen,
Führet mich im Augenblick,
Ach, mein Weg zu ihr zurück.

Und an diesem Zauberfädchen,
Das sich nicht zerreißen läßt,
Hält das liebe, lose Mädchen
Mich so wider Willen fest;
Muß in ihrem Zauberkreise
Leben nun auf ihre Weise.
Die Verändrung, ach, wie groß!
Liebe! Liebe! laß mich los!


Johann Wolfgang von Goethe
 
Liebeslied (1)

von Hermann Hesse
smilie.php


Ich bin der Hirsch und du das Reh,
Der Vogel du und ich der Baum,
Die Sonne du und ich der Schnee,
Du bist der Tag und ich der Traum.

Nachts aus meinem schlafenden Mund
Fliegt ein Goldvogel zu dir,
Hell ist seine Stimme, sein Flügel bunt,
Der singt dir das Lied voll der Liebe,
Der singt dir das Lied von mir.
 
Liebeslied (3)
smilie.php


von Hermann Hesse

O du, ich kann nicht sagen,
Was du aus mir gemacht.
Ich fliehe vor den Tagen
Und liebe nur die Nacht.
Die Nacht ist mir so golden
Wie sonst kein Tag mir war,
Da träum ich von einer holden
Fraue mit blondem Haar.
Da träum ich von seligen Dingen,
smilie.php

Die mir ein Blick verhieß,
Da hör' ich Lieder klingen
Fernher vom Paradies.
Da sehe ich Wolken jagen
Und schaue lang in die Nacht
O du, ich kann nicht sagen,
Was du aus mir gemacht.
smilie.php
 
Verführer
Gewartet habe ich vor vielen Türen,
In manches Mädchenohr mein Lied gesungen,
Viel schöne Frauen sucht ich zu verführen,
Bei der und jener ist es mir gelungen.
Und immer, wenn ein Mund sich mir ergab,
Und immer, wenn die Gier Erfüllung fand,
Sank eine selige Phantasie ins Grab,
Hielt ich nur Fleisch in der enttäuschten Hand.
Der Kuß, um den ich innigst mich bemühte,
Die Nacht, um die ich lang voll Glut geworben,
Ward endlich mein - und war gebrochene Blüte,
Der Duft war hin, das Bese war verdorben.
Von manchem Lager stand ich auf voll Leid,
Und jede Sättigung ward Überdruß;
Ich sehnte glühend fort mich vom Genuß
Nach Traum, nach Sehnsucht und nach Einsamkeit.
O Fluch, daß kein Besitz mich kann beglücken,
Daß jede Wirklichkeit den Traum vernichtet,
Den ich von ihr im Werben mir gedichtet
Und der so selig klang, so voll Entzücken!
Nach neuen Blumen zhögernd greift die Hand,
Zu neuer Werbung stimm ich mein Gedicht...
Wehr Dich, du schöne Frau, straff dein Gewand!
Entzücke, quäle - doch erhör mich nicht!

Hermann Hesse, aus "Krisis". "Krisis" war die Antwort Hesses auf die Glückwünsche seiner Freunde und Leser zu seinem 50. Geburtstag, auf die Würdigungen ,die dieser Geburtstag im Kulturbetrieb und in der Presse gefunden hatte.
"Krisis" erschien 1928 in einer einmaligen Sonderausgabe von nur tausend Exemplaren...
 
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