Sinn des Lebens im Alter
Hallo alle
Es ist nun schon wieder so viel geschrieben worden, dass ich wirklilch Mühe habe, auf all diese vielen Gedanken einzugehen. Aber ich habe ja keine Verpflichtung, dies alles zu tun. Also nehme ich mir das Recht, auf das zu antworten, was ich für besonders interessant und auch für die weitere Behandlung dieses Themas notwendig oder hilfreich finde.
Ich gehe nun mal ganz unsystematisch vor und schreibe einfach mal drauf los, was mir gerade einfällt.
Also bitte nicht beleidigt sein, wenn ich den einen oder anderen nicht erwähne.
Datura, du hast zwar nur die Frauen angesprochen, aber nachdem du mich auch in sehr negativer Weise erwähnst, habe ich wohl auch das Recht, obwohl ich ein Mann bin, auf dein Posting zu antworten.
Wie Clematis schon erwähnt hat, hast du das, was ich über die "Wichtigkeit" geschrieben habe, total missverstanden. Selbstwertgefühl und "sich zu wichtig nehmen" sind zwei Paar Stiefel. Ich habe kein Wort davon gesagt, dass man kein Selbstwertgefühl haben soll. Vielleicht liest du mal in einer ruhigen Stunde und ohne dich aufzuregen über einen Mann, meine letzten Beiträge nochmals durch und ich bin sicher, dass du dann merken wirst, dass du mich falsch verstanden hast. Und wenn du das nicht tun wirst, nun, dann eben nicht. Jedoch würde ich es sehr schade finden, wenn du in Vorurteilen stecken bleiben würdest, nur weil ich ein Mann bin (so lese ich das zwischen deinen Zeilen heraus, vielleicht täusche ich mich ja auch!).
Clematis, was du sagst, zeugt von einer großen Lebensweisheit. Insbesondere die Gelassenheit im Alter ist etwas, das uns im Alter glücklich macht. Diese Gelassenheit kann man jedoch nur dann erfahren und erlernen, wenn man sich nicht mehr so wichtig nimmt. Mit der Gelassenheit kommt auch Freude am Leben auf. Nämlich an dem Leben, das man gerade (im Alter) hat, trotz kleinerer und auch manchmal größerer Probleme, Krankheiten etc. Mit diesen Problemen fertig zu werden, das ist Lebenskunst. Mit "Fertigwerden" sollte man jedoch nicht meinen, diese Probleme zu überwinden (sprich: wieder gesund zu werden, obwohl man vielleicht lebensgefährlich erkrankt ist), sondern das Schicksal anzunehmen und zwar mit Würde und Menschlichkeit.
Lieber Ory, auch ich muss dir sagen, dass deine Vorschläge der Themenbehandlung nicht alles sein können, was in den Themenkreis "Sinn des Lebens im Alter" notwendig ist. Sicherlich, es sind gute Vorschläge und sie können manchen alten Menschen einen weiteren Sinn des Lebens geben. Aber der Kern ist nicht getroffen. Diese Vorschläge sind tatsächlich so etwas wie eine "Beschäftigung", damit man nicht herumsitzen muss und nichts tut. Sie sind also nicht unwichtig, aber auch nicht besonders wichtig. Mit einer "Beschäftigung" gehen wir eigentlich sogar einen Schritt zurück, was ich nicht besonders als einen Reifungsprozess des Alters empfinde. Mit Zurückgehen meine ich in die heute so typische und wahrlich nicht weise und Freude schenkende Lebensweise des "sich ständig beweisen müssens". Dazu kommt noch, dass es auch sehr um das Ansehen geht, um Erfolg. Ja, auch darum, wieder "wichtig" zu sein. Aber im Alter sind wir nicht mehr gar so wichtig in Bezug auf Erfolge oder anderen zu helfen. Im Alter brauchen wir vielleicht sogar selbst Hilfe, weil unser Körper nicht mehr ganz so funktioniert, wir eher müde werden und leider oft auch krank sind. Mal ein Beispiel hierzu: Ich kenne eine Frau sehr gut, die Zeit ihres Lebens bemüht war, anderen zu helfen. Damit hat sie ihre Daseinsberechtigung erhalten. Oder sie meinte, diese zu erhalten! (Nebenbei bemerkt: wozu brauchen wir eine Daseinsberechtigung? ist das nicht ein Auswuchs unserer Leistungsgesellschaft ???). Diese Frau war glücklich, wenn sie anderen helfen konnte. Daran wäre ja eigentlich nichts Schlimmes. Obwohl ich immer das Gefühl hatte, dass sie im tiefsten ihres Innersten gar nicht nur helfen wollte um der Hilfe willen, sondern weil sie sich damit wichtig vorkam. Natürlich auch nützlichl. Aber auch das ist eine Prägung unserer Leistungsgesellschaft. Aber nun ist sie alt, nicht mehr sehr gesund und kann nun all das nicht mehr tun, was sie bisher getan hat. Also auch nicht mehr helfen. Diese Frau ist nun wirklich unglücklich. Aber warum? Ich denke ich weiss es: Sie hat einem Zwang, den uns die Leistungsgesellschaft eingeimpft hat, folgen müssen. Und nun kann sie das nicht mehr und steht vor einer Leere.
Unsere Gesellschaft ist in ganz extremer Weise auf Leistung abgestellt und das macht uns alle krank. Weil wir nämlich dadurch ganz einseitige Menschen werden, die sich nur an Leistung orientieren und sonst nichts. Wir sind wohlhabend geworden dadruch, aber sehr, sehr arm im seelischen Bereich. Und deshalb gibt es heute so viele Menschen (auch Jugendliche), die keinen Sinn im Leben sehen. Denn nur Leistung zu erbringen, das sehen sie nicht als Sinn des Lebens an. Aber was Anderes hat man ihnen nicht gezeigt, nicht gelehrt.
Um jedoch auf das Alter zurück zu kommen: Das Alter ist eine Herausforderung. Nicht ein Abstellplatz. Aber auch nicht ein Platz, wo man sich ständig bewähren muss. Das können alte Menschen gar nicht mehr. Jedoch, die Umstellung auf nun ganz andere Werte ist sehr schwierig, wenn man das nicht in jungen oder jüngeren Jahren schon gelernt oder zumindest eingesehen hat, dass es auch noch was Anderes gibt.
Der von dir verlinkte Vortrag von Viktor Frankl ist hoch interessant. Er spricht davon, dass es drei Dinge sind, die wir als sinnvoll suchen sollten:
1. Sich selbst finden.
Dies ist schon mal eine sehr schwierige Aufgabe. Besonders in einer Gesellschaft, die nur aus Konkurrenz und Leistung aufgebaut ist. Sich selbst finden, das bedeutet: Die eigenen Stärken, aber auch die eigenen Schwächen zu erkennen und zu akzeptieren! Ferner: Zu erkennen oder zu erlernen, was uns Freude macht (ausser einer guten Leistung natürlich). Das kann die Natur sein, Sport, Freundschaften, ein Hobby, Musik oder sonstige Kunst und vieles mehr.
2. Frankl hat als zweiten Punkt die Liebe angesrpochen. Er hat hier sehr fundamentale Dinge angesprochen, die ich auch in meinem Buch sehr deutllich behandle. Nämlich nicht Liebe mit nur Sex zu verwechseln, nicht sich selbst bestätigen zu müssen (wieder das sich wichtig nehmen !), sondern in erster Linie den Partner / Partnerin wichtig zu nehmen und ihr/ihm Freude ZU SCHENKEN. Nicht sich selbst verschenken, sondern Liebe, Zuneigung, Gefühle zu schenken ohne sich selbst aufzugeben. Das sich "selbst aufgeben" wurde früher von Frauen nicht nur erwartet, sondern gefordert. Also sich selbst aufzugeben ist NICHT Liebe, sondern eine Fehlleitung der Liebe und leider eine Prägung unserer Gesellschaft, die wir wahrscheinlich noch nicht ganz überwunden haben. Dieses Thema ist extrem umfangreich und man könnte das in einem eigenen Thread mal aufgreifen, es wäre wert das zu tun.
3. Das Leid mit Würde anzunehmen. Nicht das Leiden zu überwinden versuchen, sondern es als einen Teil des Lebens anzunehmen und das Beste daraus zu machen. Ich habe diesbezüglich selbst eine sehr interessante Erfahrung gemacht, als ich vor mehr als 3 Jahren sehr gelitten hatte unter meiner Histamin Intoleranz. Aber ich bin daran gewachsen. Nicht weil ich meinen Zustand überwunden habe, sondern weil ich das Beste daraus machen konnte und mich heute viel gesünder ernähre als früher. Auch (oder weil !) ich immer noch auf Vieles verzichten muss.
Ich möchte noch einen 4. Punkt anfürhen: Sich selbst zu versorgen, für den eigenen Lebensunterhalt (und falls man Familie hat, für diese zu sorgen) ist auch ein ganz wichtiger Punkt, einen Sinn des Lebens zu finden.
Es wäre sehr schade, wenn dieser wirklich hoch interessante Thread nun aufhören würde oder wenn man diese philosophischen Aspekte heraus nehmen würde und sich nur noch um "Beschäftigungen im Alter" unterhalten würde. Die Tiefe und Schönheit dieses Threads wäre dann verloren.
Klar, es gibt Leser, die einesteils manche Dinge missverstehen und andere, die mit diesen Gedanken nichts anfangen können oder wollen. Aber ist das ein Grund, alles wieder abzuwürgen? Auch ein neuer Thread wäre wahrscheinlich nicht sinnvoll, denn der Lauf dieses Thread wäre dann unterbrochen und es könnte sehr schwierig sein, ganz neu wieder anzufangen. Das ganze Leben ist ein Ablauf, ein organischer Ablauf! Man kann nicht einfach unterbrechen und wieder neu anfangen. Alles gehört zusammen, bis es endlich aufhört, so wie unser Leben auch.
Schöne Grüße
Werner