Ein Beitrag zur Geschichte des Einlaufs
Abschrift von Einzelblättern aus einer Gesundheitsschrift unbekannten Titels der Vorkriegszeit, selbstverständlich in schöner Fraktur gedruckt,
die von mir um 1952 als Klopapierersatz auf der Toilette einer Krankenschwester gefunden und dort entwendet wurden:
„Das Tiefenklistier
Seit Alters her war bei mangelhaften oder aussetzenden Stuhlgang der Darmeinlauf oder das Klistier üblich, ist es doch ein Mittel, den Abgang des Stuhles bei Verstopfung ohne Gewaltmaßnahmen herbeizuführen. Das allgemeinübliche Klistier hatte jedoch den Nachteil, das es nur diejenigen Massen, welche unmittelbar am Ausgang des Darmes lagerten, herausschaffte; die tiefer liegenden Massen wurden durchweg nicht von dem Wasser erreicht.
Diesem Mangel hilft das Tiefenklistier ab. Der einzuführende Darmschlauch ist ca. 75-80 Zentimeter lang und so tief wird das Wasser auch in den Darm vorgetragen; also dorthin, wo die Massen vorwiegend lagern. Bei diesem Klistier werden 2, 3, 4 oder sogar auch 5 Liter Wasser in den Darm eingeführt. Es findet demnach eine regelrechte „Auswaschung“ des Darmes statt, die natürlich nicht ohne günstige Wirkung auf die fernere Darmtätigkeit, sowie auf das allgemeine Befinden des Menschen bleibt.
Bei dieser Gelegenheit werden auch die sogenannten Darmsteine, die sich in den „Darmtaschen“ („Darmfalten“) des Dickdarmes aufhalten und welche vielfach, für abgegangene Gallensteine angesehen werden, aufgeweicht und hinausbefördert; kurz,
das Tiefenklistier oder auch Darmbad genannt, ist ein großer Darmreiniger.
Die Technik dieses Klistiers ist folgende:
Man benötigt zunächst ein Gefäß von ca. 5 Liter Fassungsvermögen. Dasselbe steht mit
dem Wasser auf einem höheren Möbelstück (Schrank) und führt von diesem Gefäß ein Gummirohr, an dessen Ende das Darmrohr (aus festerem Gummi) von 75-80 Zentimeter sich befindet. Zwischen beiden Teilen befindet sich ein Hähnchen zum Absperren des Wassers.
Zweckmäßig schaltet man zwischen Hähnchen und oberen Gummischlauch noch eine sogenannte Klysopompe (d. i. ein Gummiball mit zwei Ventilen) ein, um bei Beginn der Prozedur das Wasser bequem aus dem oberen Gefäß zunächst ansaugen zu können. Am Fuße des Schrankes steht das Lager des Patienten, welches zweckmäßig, da oft etwas Wasser beim Einlaufen in den Darm wegläuft, mit einer alten Decke, Segeltuch oder dergleichen etc. bedeckt wird. Das Klosett sei in der Nähe, andernfalls halte man einen Eimer in Bereitschaft, da oft das nach dem Klistier das Wasser und der Stuhl mit aller Macht nach Entleerung drängt.
Das Wasser nehme man 38-42 Grad Celsius warm und führe nun, nachdem man bei offenen Hähnchen das Wasser angesaugt hat, das eingeölte Darmrohr zunächst nur ca. 10 Zentimeter ein und lasse hierauf ca. 1 Liter Wasser in den Darm einfließen. Am Eingang des Mastdarmes befindet sich eine Darmerweiterung, in welcher die Massen sich ansammeln.
Diese angesammelten Massen gilt es zunächst hinauszubefördern. Nachdem dies geschehen, führe man das Darmrohr der ganzen Länge nach derart ein, dass man dasselbe „etappenweise“ einölt und auch so einführt. Wird es gleich der ganzen Länge nach eingefettet, so läßt es sich in diesem Zustand schlecht einführen und handhaben. Das Darmrohr sei nicht zu kalt, man hänge es bis zum Gebrauch in das warme Klistierwasser, trockne es darnach ab, da sonst das Oel nicht haftet. Beim Einführen des Darmrohres kommt es vor, dass die im Darm immer weiter vordringende Rohrspitze in einer der Darmfalten sich „fängt“ und sich dann beim weiteren Nachschieben des Rohres umbiegt. Dann kann kein Wasser mehr in den Darm einfließen. Um dies feststellen zu können, drücke man nach jeder Etappe des Weiterschiebens, bei geöffnetem Hähnchen, den Ball der Klysopompe. Läßt sich derselbe zusammendrücken, so ist dem Wasser der Austritt aus dem Darmrohr nicht verhindert. Leistet der Ball beim Zusammendrücken jedoch Widerstand (lässt sich also nicht zusammendrücken)
So ist der Austritt in den Darm behindert, die Spitze des Darmrohres hat sich an einer Darmfalte umgelegt. In diesem Falle ziehe man mit der einen Hand unter dauerndem Drücken des Balles, mit der anderen Hand das Darmrohr langsam etwas zurück, bis der Klysoball sich wieder zusammendrücken lässt. Das ist das Zeichen, dass die Spitze des Darmrohres wieder das Wassere durch lässt. Dann kann die weitere Einführung in der beschriebenen Weise .bis zum Hähnchen erfolgen. Beim Einführen des Darmrohres kann man schon auf halbem Wege das Wasser in den Darm mit einlaufen lassen. Zeigen sich beim Darmfüllen krampfartige Darmzusammenziehungen, so stelle man zur Beruhigung für kurze Zeit den Wasserzufluß ab
und führe kreisende Streichungen über den Leib in Richtung des Uhrzeigers aus. Ist alles Wasser in den Darm gelangt, so halte man dasselbe so lange wie möglich noch im Darme fest, da hierdurch die Kotmassengut aufweichen.
Dasa Entleeren der großen Wassermenge vollzieht sich nur etappenweise. Man verbleibe deshalb längere Zeit auf dem Klosett, um sich vor „Überraschungen“ zu bewahren.
Ratsamer ist stets die Benutzung eines Eimers, um sich von dem großen Unrat,
der sich im Darm angesammelt hat, persönlich zu überzeugen. Erst dann ermißt man voll und ganz die Wichtigkeit eines Tiefenklistieres. Der Mensch fühlt sich nach einem solchen Bade wie neugeboren.
Nach der völligen Entleerung des Darminhaltes nehme man mit einer kleinen Oelspritze noch ein kleines Oelbleibeklistier von ca.50 Gramm guten Oeles. Dieses Oel soll im Darm verbleiben, um der Darmwandung die erforderliche Geschmeidigkeit zu geben. Manche Personen sind nach der Prozedur etwas ermattet. Deshalb nimmt man dasselbe meist abends vor dem Schlafengehen; es nimmt ungefähr 5/4 bis 1 ½ Stunden in Anspruch, man vermeide dabei jedoch jegliche Eile.
Das Tiefenklistier wird normalerweise alle 2-3 Wochen bis zur normalen Darmtätigkeit angewandt. In Ausnahmefällen kann es in einer Woche auch 2 mal angewendet werden, jedoch dies nicht wochenlang aufeinander; der Patient beobachte selbst dabei die Wirkung auf den Körper. Es ist zu bedenken, dass Klistiere trotz ihrer „Natürlichkeit“ doch immer wieder etwas „Unnatürliches“ für den Körper sind.
Nach diesem Klistier erst nehme man das Abendessen ein und zwar am ratsamsten einen Teller Weizenschleim in Wasser gekocht; jedoch keine feste Nahrung. Nur erst am anderen Tage lebe man wieder in gewohnter Weise.“
So sahen Rezepte um etwa 1930 aus, etwas weitschweifig, aber auch dem „einfachen“ Menschen verständlich. Muß aber nicht nachgemacht werden!
meint klysophil