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Autismus: Gene weisen auf Störungen der Hirnentwicklung hin
Deutsches Ärzteblatt: Nachrichten "Autismus: Gene weisen auf Störungen der Hirnentwicklung hin"
Deutsches Ärzteblatt: Nachrichten "Autismus: Gene weisen auf Störungen der Hirnentwicklung hin"
Philadelphia – Die Mehrzahl der Kinder mit Autismusspektrums-Störung hat genetische Varianten auf dem Chromosom 5, die eine plausible Erklärung der Erkrankungen liefern. Nach einer Studie in Nature (2009; doi: 10.1038/nature07999) sind Defekte in Cadherinen für die Erkrankung verantwortlich.
Cadherine gehören zu den Zelladhäsionsmolekülen. Sie schaffen Verbindungen zwischen verschiedenen Zellen. In der Entwicklungsphase des Gehirns steuern Cadherine die Migration der Neurone im Zentralnervensystem. Sie sind, vereinfacht gesagt, dafür verantwortlich, dass die Nervenfasern ihr Ziel erreichen und Verbindungen zu anderen Neuronen knüpfen können.
Die Gene für die Cadherine CDH9 und CDH10 sind auf dem Chromosom 5p14,1 lokalisiert. In ihrer Nähe hat die Gruppe um Hakon Hakonarson vom Children's Hospital of Philadelphia jetzt gleich mehrere Genvarianten (Single Nucleotide Polymorphism, SNP) aufgespürt, die bei Patienten mit Autismusspektrums-Störung häufiger waren als bei den Kontrollen.
Die Forscher hatten zunächst die DNA von 3.100 Personen aus 780 Familien untersucht, in denen wenigstens zwei Mitglieder erkrankt waren. Danach wurden die Ergebnisse in einer zweiten Kohorte aus 1.204 Patienten und 6.491 Kontrollen validiert.
In früheren Studien waren bereits mehr als hundert „Autismus-Gene“ entdeckt worden. Alle erklärten allerdings jeweils nur wenige Erkrankungen, die oft auf einzelne Familien beschränkt waren. Eine der jetzt entdeckten Varianten wurde dagegen bei 65 Prozent der Patienten mit Autismusspektrums-Störung nachgewiesen.
Sie war zwar auch bei 60 Prozent der Kontrollen vorhanden, sodass für den einzelnen Genträger das Risiko nur minimal erhöht ist – sicherlich keine vernünftige Basis für einen Gentest. Aufgrund der starken Verbreitung könnte er jedoch 15 Prozent der Erkrankungen erklären.
zum Thema
- PDF der Studie Hakonarson
- Abstract der Studie Pericak-Vance
- Pressemitteilung des US-National Institute of Neurological Disorders and Stroke
- Pressemitteilung der University of California - Los Angeles
- Pressemitteilung des Children's Hospital of Philadelphia
In weiteren Experimenten haben die Forscher an Feten die Expression von CDH9 und CDH10 während der Entwicklung des menschlichen Gehirns untersucht. Während CDH9 kaum vorhanden war, entdeckten die Forscher, dass CDH10 während der vorgeburtlichen Entwicklung vor allem im frontalen Cortex gebildet wird und damit in einer Region, die später für die Entwicklung der Sprache, für das Sozialverhalten und komplexe Denkprozesse von großer Bedeutung ist.
Genau diese Leistungen des Gehirns sind bei vielen Autismusspektrums-Störungen, wenn auch in abgestufter Form, vermindert. Die neuen genetischen Befunde passen deshalb zu den derzeitigen Krankheitskonzepten, die hinter autistischen Verhaltensweisen eine Entwicklungsstörung des Gehirns vermuten.
Eine weitere Studie von Hakonarson in Nature (zum Berichtszeitraum noch nicht verfügbar) und eine Untersuchung von Margaret Pericak-Vance vom Miami Institute for Human Genomics in den Annals of Human Genetics (2009; 73: 263-273) bestätigen die Ergebnisse. Hakonarson beschreibt in der Studie weitere Gendefekte und Pericak-Vance stieß in einer genomweiten Assoziationsstudie ebenfalls auf SNPs auf dem Chromosom 5p14.1. © rme/aerzteblatt.de