Kommt man auf das Thema Regenwald zu sprechen, so folgt in der Regel gleich darauf der Klimawandel. Das ist auch richtig. Aber das ist nicht das Einzige, was der Regenwald zu „bieten“ hat. Man hört und liest es kaum: in diesem wertvollen Wald gibt es hervorragende Heilkräuter, köstliche Lebensmittel und Kuriositäten aus der Pflanzen- und Tierwelt, die mit dem wertvollen Lebensraum verbunden sind.
Vampirfledermäuse helfen bei Herzattacken!
Gerade, wenn man einen hohen Blutdruck hat, kann es geschehen, dass sich in den Blutgefäßen ein Blutgerinnsel bildet. Dies verursacht nicht nur im Gehirn eine Durchblutungsstörung, die möglicherweise zu einem Schlaganfall führt. Letzterer gehört immer noch zu den häufigsten Todesursachen bei uns. Um dies zu verhindern, müssen die Gerinnsel aufgelöst werden. Bekannt dafür ist die Anwendung von Blutegelsubstanzen (Hirudin). Jedoch kommen bessere Wirkstoffe von den Vampirfledermäusen Mittel- und Südamerikas! Diese Blutsauger haben in ihrem Speichel eine Substanz, die das Blut frei fließen lässt, die Gerinnung verhindert und die gefährliche Blutgerinnsel im Gehirn von Schlaganfall-Patienten auflösen kann. Diese Speichelsubstanz heißt im Fachjargon „Desmoteplase“. Man hofft damit irreversible Hirnschäden zu vermeiden.
Das Tier benötigt diese Substanz, um zu verhindern, dass das Blut, das aus der Wunde des Beutetieres fließt, gerinnt und der Blutstrom dadurch versiegt. Das bisherige Medikament, der „Tissue Plasminogen Activator“ (t-PA) kann das Gehirn der Patienten weiter schädigen, indem es eine fortschreitende Zelldegeneration im Gehirn verursacht. Außerdem muss t-PA innerhalb von drei Stunden nach Einsetzen der Schlaganfall-Symptome angewandt werden, um das Risiko weiterer Hirnschädigungen zu vermeiden. Diese Nebenwirkungen hat die Substanz aus dem Fledermausspeichel nicht. Der Wirkstoff des „Vampirs“ bietet eine sichere Behandlungsoption über längere Zeiträume, da es keine schädigende Wirkung auf Gehirnzellen hat. Es kann verstopfte Arterien doppelt so schnell wie die bisherigen Medikamente öffnen. Zudem ist seine Wirkung auf den Bereich des Blutgerinnsels beschränkt.
Bereits fester Bestandteil der üblichen Krebstherapie – Das Madagaskar-Immergrün
Ursprünglich kam das Madagaskar-Immergrün tatsächlich aus Madagaskar, heute ist es weltweit in den Regenwäldern verbreitet. Es handelt sich um eine unscheinbare Pflanze, die zur Familie der Hundsgiftgewächse gehört und eine rosafarbene, fünfblättrige Blüte zeigt.
In der traditionellen Heilkunst wurde der Blütenauszug gegen Halsschmerzen und Erkältungen eingesetzt. In Afrika werden die getrockneten Blätter als Rauschmittel und Aphrodisiakum geraucht (das kann bei übermäßigem Gebrauch zu Nieren- und Nervenschädigungen führen).
Für die moderne Medizin ist es eine wichtige Grundsubstanz für die Chemotherapie bei unterschiedlichen Krebsarten. Es enthält die Substanzen mit den Namen Vincristin und Vinblastin, die als Modellsubstanzen für Zytostatika (Stoffe, die das Wachstum von Krebstumoren hemmen) dienen. Vinblastin ist inzwischen ein Standardmedikament bei Blasenkrebs. Vincristin wird in der Kombinationstherapie bei Leukämie und kleinzelligem Bronchialkarzinom (spezielle Krebsart der Bronchien) eingesetzt. Auch gegen Hodenkrebs werden die Inhaltsstoffe des Immergrüns verwendet. Die Hodgkin-Krankheit (Lymphdrüsenkrebs), an der vor allem junge Erwachsene erkranken und die akute lymphatische Leukämie kam ohne die Pflanze für daran erkrankte Kinder praktisch einem Todesurteil gleich. Durch den Einsatz von Vincristin in der Chemotherapie hat sich die Überlebenschance von an Leukämie erkrankten Kindern vervierfacht. Mit Vinblastin konnte die Zehn-Jahres-Überlebensrate der Hodgkin-Krankheit von 2 auf 58 Prozent erhöht werden. Die Medikamente sind auch gegen einige weitere Krebsarten wirksam, wie etwa gegen den Wilms-Tumor, primäre Hirntumore sowie gegen Gebärmutterhals- und Brustkrebs. Der jährliche Gewinn aus der Herstellung und dem Verkauf der beiden Wirkstoffe der Pflanze übersteigt 180 Millionen Dollar! Leider hatte der Gewinn aus dem Verkauf der wertvollen Wirksubstanzen keine Auswirkung auf den Artenschutz, denn in Madagaskar sind heute 1.000 Pflanzenarten vom Aussterben bedroht.
Krebstherapie der Zukunft mit Graviola?
Graviola oder Guanàbana ist ein kleiner, aufrechter, immergrüner Baum, der eine Wuchshöhe von 5-6 Metern erreichen kann und zur Familie der Annonaceae gehört. Man findet ihn in den wärmsten Gebieten Nord- und Südamerikas inklusive Amazonien, aber auch auf Jamaika, Haiti und in Westindien. Von der Pflanze wird alles verwendet: Blätter, Früchte, Samen, Rinde und Wurzeln. Die essbaren, im Durchmesser 15-20 cm großen Früchte, haben ein weißes Fruchtfleisch. Sie werden auf den örtlichen Märkten verkauft. Das Fruchtfleisch ist zwar leicht sauer, dennoch eignet es sich ausgezeichnet zur Herstellung von Getränken. Aber auch unverarbeitet kann man die rohen Früchte genießen.
Bereits seit den 40er Jahren forscht man an der Pflanze. Besonders intensiv wird eine Stoffgruppe untersucht, die sogenannten Annonacen-Acetogenine, die nur in der Familie der Annonaceae vorkommen. Die Pflanze bildet diese natürlichen Verbindungen in Blättern, Stengeln, Rinde und Samen. Wissenschaftlich bestätigt wurde, dass diese Stoffe beträchtliche tumorhemmende Eigenschaften und eine spezifische Wirkung gegen verschiedene Krebszellenarten haben, ohne die gesunden Zellen zu schädigen. Sogar bei niedrigen Dosierungen (1 ppm, entsprechend einem Teil in einer Million) sollen manche Acetogenine bereits wirken.
Die besondere Wirkung gegen Krebs beruht auf der Hemmung spezifischer biochemischer Vorgänge im Körper, die nur in Tumorzellen ablaufen. Deshalb schaden sie auch gesunden Zellen nicht. Inzwischen gibt es auf die Acetogenine zahlreiche Patente. Besonders wirksam scheinen die Annonacen-Acetogenine allerdings gegen Prostatakrebs zu sein.
Erfreulicherweise helfen die Substanzen gerade gegen diejenigen Tumore, die auf die üblichen Krebsmedikamente nicht ansprechen. Als wirksam erwiesen haben sie sich gegen Lungen-, Brust-, Pankreas- und Dickdarmkrebs, ebenso beim Lymphom. Forscher aus Taiwan haben 2003 mitgeteilt, dass der wichtigste Acetogenin-Annonacin-Wirkstoff außerdem gegen Eierstock-, Gebärmutter-, Harnblasen- und Hautkrebszellen wirken soll.
Aber damit nicht genug: Annonacen-Acetogeninen, die in Graviola und anderen Pflanzen der Annona-Gattung vorkommen, sollen die Infektion mit HIV unterdrücken können. Nicht umsonst hat man diese Wirkstoffe in das Kontrollprogramm gegen AIDS des Nationalinstituts für Gesundheit an der Purdue-Universität (USA, Indiana) eingeschlossen.
Bei der Wirksamkeit der Substanzen wundert man sich, dass die Pflanze nicht längst bei der Heilung von Krebs verwendet wird. Das Problem bei der Krebsforschung ist jedoch, dass natürliche Substanzen nicht patentierbar sind. Daher muss der Naturstoff so verändert werden, dass zumindest die Mischung geschützt werden kann. Oft konnte man jedoch schon feststellen, dass die Veränderung einer natürlichen Substanz die Antitumoreigenschaft zum Erliegen brachte.
Aufgrund des mangelnden Patentschutzes der natürlichen Substanz wurden auch bereits Forschungen an anderen natürlichen Wirkstoffen eingestellt – ihre Wirkung ist eben zu natürlich. Die Lösung wäre, dass nicht Firmen, die viel Geld in die Entwicklung stecken müssen, ein derartiges Medikament entwickeln, sondern die entsprechenden Länder selbst. Ansonsten wird man viele weitere Menschen an Krebs sterben sehen, obwohl dies gar nicht nötig wäre.
Guanabana ist ohne Zweifel ein hoffnungsvolles Naturheilmittel, das zeigt, wie wichtig der Schutz und die Bewahrung des Regenwaldes ist.
Viele andere Kuriositäten und Heilmittel findet man im Regenwald. Ein weiteres Beispiel ist zum Beispiel eine Pflanze, die als Kaumasse dient und damit Karies verhindert. Auch ein natürliches Empfängnisverhütungsmittel findet man dort, das bei Wechseljahresbeschwerden wahre Wunder bewirken soll. Eine weitere Pflanze, die CamuCamu genannt wird, bringt die Vitamin-C-reichsten Früchte der Erde hervor – dagegen muten die Vitamingehalte von Orangen direkt lächerlich an. Viele Heilkräuter helfen bei den unterschiedlichsten Krankheiten – so dass nicht nur der Klimaschutz ein guter Grund ist, alles Menschen mögliche für den Erhalt des Regenwaldes zu tun!