Hallo Gine!
Meinem Vater wurde auch jahrelang nachgesagt, dass er sich in alles reinsteigert, er wurde belächelt und hinter ihm wurde hergeredet. Auch wir, seine eigene Familie, haben irgendwann geglaubt, dass er irgendwie ein Hypochonder ist. Wenn alle Ärzte sagen, dass alles ok ist, dann hat man zu der Zeit noch geglaubt, dass das stimmt.
Aber dann ist er wegen irgendwas zu einem sehr fähigen Lungenarzt gekommen, der festgestellt hat, dass mein Vater ein Lungenemphysem hat. Das war der Grund, warum er nur ein paar Schritte gehen konnte, ohne außer Atem zu kommen, warum er sich immer schwach fühlte etc.
Ich habe mich damals sehr geschämt, weil ich mich von den Ärzten so beeinflussen ließ.
Mein Vater hat einfach gefühlt, dass etwas nicht stimmt. Es muss sehr schlimm für ihn gewesen sein, dass ihn niemand ernst genommen hat.
Im weiteren Verlauf der Krankheit, die ja nun alles andere als harmlos ist, hat sich gezeigt, dass mein Vater kein Jammerlappen ist, sondern dass er unglaublich stark ist. Die Ärzte haben sich bis zum Schluss gewundert, wie souverän und positiv er mit der Krankheit umgeht.
Als es dann zum Ende kam, ging wieder der Ärzte-Terror los. Ein Arzt sagte meiner Mutter, dass mein Vater sich das alles selber zuzuschreiben hätte, weil er geraucht hat. Meine Mutter ging – nach allen Erfahrungen – völlig an die Decke und fragte ihn, wie er darauf käme. Es seien immerhin gut 30 Jahre her, dass er geraucht hätte. Aber der Arzt meinte, mein Vater hätte ganz gelbe Finger, das sei ja wohl deutlich. Nur, die gelben Finger kamen von einer der vielen Folgekrankheiten.
Und wenn dein Vater wirklich nichts haben sollte, dann ist es der Job der Ärzte, rauszukriegen, ob evtl. Vitamin D-Mangel, Vitamin B12-Mangel, Schilddrüsenprobleme etc. Schuld an seinem Zustand sind. Keiner kriegt einfach so Depressionen. Einfach Anti-Depressiva zu geben ist ja sooo bequem.
Als meine Tante mit über 90 im Sterben lag, da hatte sie Herzprobleme und sehr, sehr hohen Diabetes. Wegen des Herzens durfte sie nicht trinken (nur sehr wenig), wegen der Diabetes hatte sie quälenden Durst. Die Ärzte bestanden darauf, dass sie nicht mehr als erlaubt zu trinken bekommt. Um den Zucker kümmerten sie sich nicht, weil es sich ja nicht lohnte, da sie im Sterben lag.

Ich habe ein solches Theater gemacht!!! Sie bekam dann Spritzen, der Durst wurde etwas erträglicher.
Allerdings hatte sie auch Schmerzen, aber sie war ja so alt und lag im Sterben. Das haben sie auch zu ihr gesagt. Bis eine befreundete Ärztin intervenierte, damit sie Morphium bekam. Und meine Tante war PRIVAT-Patientin!!!
Das sind nur zwei von vielen Beispielen, wie alte Leute in unserem Gesundheitssystem angesehen werden. Selbst ich mit 52 Jahren muss mir schon anhören, alles wäre normaler Verschleiß – bei Dingen, die ich schon mit 20 hatte!
Daher halte ich es für sehr wichtig, nicht aufzugeben oder deinen Vater als Hypochonder anzusehen, sondern dafür zu sorgen, dass alles, wirklich alles getan wird, um die Sache abzuklären. Zur Not auch Tests selber zu bezahlen. Wenn dann wirklich alles nur seelisch ist, dann muss er eben eine Therapie bezahlt bekommen oder mal zur Kur geschickt werden, wo sie auf das alles eingehen können.
Ich glaube keinem Arzt mehr, wenn er nach irgendwelchen Standard-Untersuchungen behauptet, alles sei ok!!!
Liebe Grüße :wave:
Sonora