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FALSCHE ERINNERUNGEN: Das Trauma, das es nie gab
Manchmal bringt eine Psychotherapie vergessene Traumata wieder hervor. Doch solche Erinnerungen sind nicht immer verlässlich. Vor allem bei bestimmten Methoden ist Vorsicht geboten. - von Nele Langosch.
In den 1980er und 1990er Jahren berichteten ungewöhnlich viele erwachsene Patienten ihren Therapeuten, in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden zu sein oder ein anderes Trauma erlitten zu haben. Nicht wenigen war nie zuvor bewusst gewesen, diese furchtbaren Erfahrungen gemacht zu haben. Psychologen folgerten, sie müssten die Erinnerung in der Zwischenzeit verdrängt haben. Zuvor waren häufig suggestive Techniken wie Hypnose oder Traumdeutung zum Einsatz gekommen, um die verschollenen Bilder hervorzuholen.
Doch bald darauf brachte eine Reihe von Experimenten einer Forschungsgruppe um die Psychologin Elizabeth Loftus diese Erklärung ins Wanken. In einer berühmten Studie befragte die Wissenschaftlerin erwachsene Probanden zu Erinnerungen an vier Kindheitsereignisse. Eines von ihnen hatte allerdings nie stattgefunden: Es handelte davon, wie die Teilnehmenden im Alter von fünf Jahren vorübergehend verschwunden gewesen waren, wie sie zum Beispiel bei einem Besuch mit den Eltern in einem Einkaufszentrum verloren gegangen waren. Mit Hilfe suggestiver Fragetechniken brachte die Psychologin ein Viertel von ihnen dazu zu glauben, diese Erfahrung tatsächlich gemacht zu haben: Die Versuchspersonen hatten Scheinerinnerungen entwickelt.
Untersuchungen anderer Arbeitsgruppen bestätigten bald, wie fehleranfällig das autobiografische Gedächtnis sein kann.
»Das Wesen von Scheinerinnerungen besteht darin, dass man subjektiv überzeugt ist, etwas sei genau so passiert. Deshalb ist es aber noch lange nicht richtig.«
Allerdings ist es schwer, Scheinerinnerungen von echten Gedächtnisinhalten zu unterscheiden. Sie sind weder detailreicher noch undeutlicher. Und sie erzeugen ähnliche Gefühle, können sogar Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung auslösen. Nur in Ausnahmefällen, etwa wenn objektive Fakten das Gegenteil belegen, sind sie eindeutig als falsch zu enttarnen. So können sich Menschen beispielsweise nicht an Ereignisse erinnern, die in ihren ersten zwei Lebensjahren stattgefunden haben. Forscher bezeichnen dieses Phänomen auch als Kindheitsamnesie. ...

Falsche Erinnerungen: Das Trauma, das es nie gab
Manchmal bringt eine Psychotherapie vergessene Traumata wieder hervor. Doch Erinnerungen sind nicht immer verlässlich

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Wie kann es zu falschen Erinnerungen kommen?
Betroffene von falschen Erinnerungen bezüglich der Missbrauchsthematik berichten häufig, sie seien nach oder während des Zusammenseins mit Menschen, die viel von sexuellen Missbrauch, Vergewaltigung etc. berichtet hätten, darauf gekommen, dass sich bei Ihnen auch so etwas abgespielt haben könnte, an das sie sich aber nicht mehr genau erinnern können. Beeinflussungen dieser Art sind meist in Psycho-Sekten üblich. Vielfach kommen in diesen Fällen mehrere Faktoren zusammen: Gruppendruck, unbewusste Neigung zur Identifikation mit anderen (Suggestibilität), Hochsensibilität und psychische Labilisierung in einer prekären Lebensphase. In manchen Fällen spielt zusätzlich auch die Einwirkung von Rauschdrogen eine gewisse labilisierende Rolle. Dass manche Betroffene bei ihrem Glauben an ihre suggerierten „falschen“ Erinnerungen auch an einen Schadensersatz/Opferausgleich denken, den die meist wohlhabenden Eltern dann zu entrichten haben, wenn Klagen erfolgreich sind, ist leider eine traurige Wahrheit. ...

Falsche Erinnerungen
Falsche Erinnerungen als Problem in der Psychotherapie | Wolfgang Albrecht | Praxis für Psychotherapie, Psychoanalyse, Coaching in Berlin Charlottenburg

Ein interessantes und auch wichtiges Thema!
Ich habe Ende des letzten Jahrtausends mehrere Frauen kennen gelernt, die im Laufe ihrer Psychotherapie davon überzeugt waren (wurden?), daß sie in der Kindheit mißbraucht worden waren. Das hatte auf die Frauen und deren Familien starke negative Wirkkungen und brachte ihnen keine Gesundheit dazu, obwohl ja daran gearbeitet wurde, diese "Urache" der Beschwerden "aufzulösen".
Ob das heute noch so ist, weiß ich nicht. Vielleicht haben sich manche Therapie-Arten ja inzwischen von allein verabschiedet, die damals als besonders effektiv und neu angesehen wurden?
Es ist meiner Meinung nach wichtig zu sehen, daß es zwar solche falschen Erinnerungen gibt, daß sie aber nicht stimmen müssen. -Vielleicht bestand die Wirkung dieser Scheinerinnerungen auch darin, ,daß die unguten Gefühle und Probleme, mit denen diese Frauen zu kämpfen hatten, nun einen Namen hatten und letztlich einen (falschen) Schuldigen?
Grüsse,
Oregano
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