Trauer und Schuldgefühle über ein Auto

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21.05.06
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Ich weiss nicht wo ich es sonst schreiben könnte aber ich muss mich irgendwo mal austauschen...
Ich hab mein geliebtes Auto zum Schrottplatz gebracht und fühle mich jetzt furchtbar. Ich habe dieses Auto vor 2 Jahren für 200 Euro gekauft. Es war da schon 25 Jahre, ein alter kleiner Peugeot 106. Wenn man bremste, quietschte das Pedal als ob er ein bisschen jammerte. Er hatte null Technik, kein Radio, keine Klimaanlage, die Polster waren zerschlissen aber er fuhr wie ne Eins. Er liess mich nie im Stich. Wir fuhren viele Strecken mit ihm, ich scherzte oft dass ich ihn mehr liebte als meinen Partner.
Und dann hat er es dieses Jahr nicht mehr durch den Tüv geschafft und er hatte einige Macken im Motor und der Mechaniker meinte, das lohnt doch nicht mehr.
Und ich hab ihn aufgegeben. Ich hatte noch ne Bekannte gefragt ob sie ihn übernehmen wollte aber es wäre zuviel Geld gewesen reinzustecken. Und dann hab ich ihn ohne gross zu überlegen zum Schrottplatz gebracht.
Und fühle mich nun furchtbar schuldig, als ob ich ein Haustier hab einschläfern lasssn, nur weil es alt war.
Ich weiss es war "nur" ein Auto aber fuer mich hatte es Seele...es war mir ein treuer Weggefährte gewesen und der Gedanke wie ich ihn da hab zurück gelassen bricht mir das Herz.
Es wäre sicher anders/einfacher wenn er von sich gestorben wäre... aber so war ich es die ihn aufgegeben hat... obwohl er so treu und stark war.
Verrückt?
 
Nein, Carrie: nicht verrückt 🙂!
Wenn so ein Auto einem Menschen lange „treu“ gedient hat und dann auf den Autofriedhof kommt, darf man doch auch darüber trauern, daß es nicht zu retten war. Und die „Beerdigung“ eines Autos findet eben über die Schrottpresse statt und üblicherweise ohne große Zeremonie.
Das sollte Dich aber nicht daran hindern, für Dich und das Auto noch nachträglich irgendeine Art von Zeremonie auszudenken und auszuführen 🚙? Du hast doch bestimmt ein Foto, das Du aufhängen kannst? Da fällt Dir bestimmt etwas ein !

Grüsse,
Oregano
 
Vielen Dank Oregano,
Ja ich hab tatsaechlich ne kleine Zeremonie fuer ihn gehalten und mich ausgeweint. Vor allem fuehlte ich mich so schuldig denn er fuhr ja noch!! Vielleicht haette ich noch jemanden fuer ihn finden koennen..
Nun ja ich kann es nicht mehr aendern aber das wird mich wohl noch etwas begleiten...
 
Hallo Carrie,

mein Verständnis hast Du ebenfalls, Du bist absolut nicht alleine damit. Mir geht es gerade ganz ähnlich.

Vor knapp zwei Wochen habe ich mich von meinem geliebten "Känguru" getrennt, das mich 13 Jahre lang treu begleitet hat. Ich hatte es zu einem Mini-Camper ausgebaut und viele Urlaube damit/darin verbracht, jahrelang zusammen mit meinem inzwischen verstorbenen Hund.
Es war jetzt 17 Jahre alt und einiges wäre fällig gewesen, was ich auch noch hätte reparieren lassen. Aber es hatte auch ein mysteriöses, merkwürdiges Bremsgeräusch, dessen Ursache über Jahre keiner hat rausfinden können.
Es kam nicht von den Rädern sondern war direkt hinter dem Pedal, aber alle Werkstattleute zuckten nur mit den Schultern und konnten sich das nicht erklären.
Es wurde immer schlimmer und unangenehmer und ich immer ängstlicher und hab mich kaum noch getraut damit zu fahren. Es bremste zwar zuverlässig, aber das Schleifen machte mich total unsicher. Wäre dieses Problem nicht gewesen hätte ich es noch behalten, aber mit ständiger Angst im Nacken hatte es keinen Zweck mehr.

Ich habe ihn zum Schrottpreis bei dem Händler gelassen wo ich den neuen gekauft habe, und auf der letzten Fahrt dorthin war mir total elendig zumute und ich fühlte mich wie eine "Verräterin" und hätte heulen können.
Für viele ist das bestimmt völlig plemm-plemm, da ein Auto doch nur ein Gebrauchsgegenstand ist ... aber ich habe es wirklich total gemocht und es sehr gerne gefahren.
Wenn ich daran denke, was ich ihm alles zugemutet und mit ihm erlebt habe, und trotzdem hat es mich nicht ein einziges Mal mit einer Panne im Stich gelassen. Immer zuverlässig und gut gelaufen.
Und jetzt wird es wahrscheinlich als Ersatzteilspender dienen oder im besten Fall als Exportauto irgendwo landen. Ich fühlte mich richtig schuldig, dass ich es einfach seinem Schicksal überlasse, nach allem was es für mich getan hat ...

Mir hilft die Freude über den neuen Gebrauchten aber ganz gut über den Trennungsschmerz und die Schuldgefühle hinweg, denn der ist auch richtig toll und ich hoffe, dass ich ihn auch so lange fahren werde wie seinen Vorgänger.
Wollte dir nur sagen, dass ich deine Gedanken und Gefühle absolut verstehe, und wir beide damit wohl auch nicht die Einzigen sind. Es gibt sicher noch mehr Leute, denen es so geht. :)
 
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