Hallo Ihr Lieben....
eigentlich müßte ich sehr weit ausholen, weil als ich 2 Jahre alt war der Weg bis zu meinem Selbstmordversuch wie programmiert war.
In der Nacht vom 12. auf den 13. April 2004 saß ich wie immer am PC und muß wohl auch viel Alkohol getrunken haben - wie schon seit Monaten. Aber an die ca. 5 Monate zuvor kann ich mich bis heute nur vage erinnern. Ich hatte bis dahin über 3 Jahre lang die Antidepri-Pille Bromazanil genommen und mich unmerklich verändert. Meine damalige Hausärztin hat mir damals die Pille verschrieben als ich mit einem Puls von 120 zu 200 zu ihr kam. Sie sagte, die Pille sei harmlos und ich könne sie ruhig täglich zum Einschlafen nehmen. Mit einer viertel Tabl. fing ich an. Zum Schluß nahm ich jeden abend 4 oder 5. Um immer genug zu haben, hatte ich 3 Ärzte, die mir jeden Monat ein Rezept gaben - ohne Untersuchung und ohne Fragen. Ich rief einfach an und holte das Rezept ab. Daß ich abhängig war wollte ich nicht wissen, genau wie ich nichts davon wissen wollte, daß mir alles um mich herum entglitt.
Zu meiner Hausärztin kam ich damals mit den Auswirkungen einer Angst- und Panikattacke. Mit einer weniger starken war ich 2 Jahre vorher schon mal über Nacht im Krankenhaus. Da hab ich selbst alles wieder in den Griff gekriegt aber beim 2.Mal waren die Symptome so schlimm und offensichtlich, daß meine Ärztin vielleicht damit überfordert war.... Und die Pille wirkte sofort!
Warum es zu diesen Attacken kam und daß ich die Lösung der Probleme ohne Pille in der Hand hatte und genau wußte, was zu tun war DAS verdrängte ich einfach. Ich glaubte, einfach wie bisher weiterzumachen und zu funktionieren, wie man es von mir gewöhnt war, sei das Beste für meinen Sohn und mich. Ich war mit einem verheirateten, sehr viel älteren Mann "zusammen" und wir hatten eine Firma, die zwar auf meinen Namen lief aber die eigentlich nur er führte. Seit 1994 machte ich von zu Hause aus die Büroarbeiten und unterschrieb, was auch immer er mir vorlegte. Wir wohnten nie zusammen und es störte mich nicht, daß er abends bei seiner Frau war. Er wollte sie verlassen und wir versuchten sogar, daß ich schwanger werde. 2 Jahre lang versuchten wir das. Zum Schluß durch künstliche Befruchtung. Da musste ich 3 mal in der Woche zum Arzt um den perfekten Zeitpunkt der Befruchtung bemessen zu können. Monat für Monat - über 1 Jahr lang - ging das so.
Kurz vor meiner 2. Attacke war dann der Schwangerschwaftstest positiv. Nachmittags war meine Schwester zu Besuch. Wir saßen auf der Terrasse und machten Pläne als ich einen Krampf im Bauch hatte. So stark, daß es mich vom Stuhl auf den Boden riss....... und da wußte ich, daß es ein "Abgang" war. Wir fuhren sofort zum Arzt und der bestätigte, daß ich nicht oder nicht mehr schwanger war. Ich hätte so gerne noch ein Kind gehabt aber damit hatte sich das für mich erledigt, denn ich wollte mich von diesem Mann seit langem trennen. Auch wenn das unbequem und anstrengend und mit dem Verlust unseres (meines Sohnes und meines) Wohlstands einhergegangen wäre, ich wollte mich trennen weil er sich niemals ganz zu mir bekennen würde. Das war mir klar geworden. --------- Aber damit hätte ich das bequeme und schöne und sorglose Leben aufgegeben und deshalb haderte ich mit mir. Denn bevor ich mit diesem Mann zusammenkam, da mußte ich als alleinerziehende Mutter hart arbeiten und konnte meinem Sohn weder zeitlich noch finanziell viel bieten. Ich glaubte mein Unglücklichsein hinter das Wohl meines Sohnes stellen zu müssen.......... und rutschte direkt in die schicksalhafte 2. Angst- und Panikattacke!
Unser Freundeskreis war sehr groß und weil ich so perfekt funktionierte, war ich die Anlaufstelle meiner Familie für alle Probleme und vor allem finanzielle Nöte.
Die Pille hat mich nicht sofort verändert, ich denke eher schleichernd aber irgendwann offensichtlich. Ich erinnere mich, daß mein Sohn und sein bester Freund sich weigerten die Rezepte für mich zu holen und versuchten mit mir über mein Problem zu reden...... darauf ging ich erst gar nicht ein. 6 Monate vor meinem Selbstmordversuch zogen wir aus unserem schönen und vor allem überschaubaren Haus um in eine 10 Zimmer Villa. Mein Freund sagte, dieses Haus könnten wir dann als Büro nutzen. Und in die Einliegerwohnung zog der Freund meines Sohnes, außerdem war im Untergeschoß noch eine Wohnung, in die dann mein Freund einziehen wollte. Wir erweiterten unsere Firma und kauften in Polen eine Entenbräterei. Also ICH kaufte sie - mit meinem Namen.... Das Haus war ein Traum, alles hörte sich so wunderbar an. Den Mietvertrag unterschrieben wir beide mit der Option das Haus nach einem Jahr für 1 Million Euro zu kaufen.
------- Also ich sag Euch: ohne Pille und mit meinem reinen Verstand hätte ich mich darauf NIEMALS eingelassen.---------------
Freunde und auch Familie hatten sehr wohl versucht an mich ranzukommen, aber ich verstand das Gutgemeinte nur als Anfeindung und mein Freund bestärkte mich also brach ich fast alle Kontakte ab.
Mit dem Umzug in dieses riesige Haus verlor ich den Überblick über alles. Jede Woche kam mein Freund mit einer Auslandsüberweisung nach Polen, die ich unterschrieb. Auf meine Fragen, warum noch mehr Geld und warum die Bräterei immer noch nicht arbeitet hatte mein Freund immer plausible Antworten. Und auch seine Antworten, warum er nicht endlich in unser Haus zieht verstand ich!!!! Währenddessen entglitt mir mein Sohn immer mehr. Unser Steuerberater machte mich auf Unregelmässigkeiten aufmerksam....Mein Freund beruhigte mich und ich schluckte dann einfach noch ne Pille mehr und gut war's!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Wach war ich meist nur noch abends und dann surfte ich sinnlos im Internet.
Soziale Kontakte hatte ich keine mehr.
Irgendwann hab ich dann neben den Pillen abends auch noch angefangen zu trinken. Und irgendwann war ich geistig nicht mehr da. Was genau so ablief Monate vor meinem Selbstmordversuch, daran erinnere ich mich nicht, kaum oder nur in bruchstückchen. Mein Sohn und sein Freund haben mir später dies und das erzählt, z.B. wie ich einmal total betrunken in das Zimmer des Freundes gefallen bin und nach Zigaretten verlangt habe. Er und mein Sohn hatten Freunde zu Besuch und beide haben sich meiner so geschämt. Daran erinnere ich mich überhaupt nicht, aber es gibt mir noch heute einen Stich ins Herz, wenn ich dran denke.
Schämenhaft erinnere ich mich aber, daß mein Sohn und auch sein Freund versuchten mit mir zu sprechen. So weiß ich z.B., daß mein Sohn mir sagte, daß er lieber in ein kleines Haus oder in eine Wohnung mit mir ziehen will und er mich vermisst, wie ich früher war.
Aber da hatte ich schon keine Kraft mehr mich aus der Situation zu befreien.
....... So und dann, am Ostersonntag nachmittags kam mein Freund. Ich erinnere mich, daß ich am Tisch in der Küche saß und er mit den Händen aufgestützt an der Spüle stand und sagte:"Alles ist aus und kaputt. Wir sind pleite. Nichts ist mehr da." Und ich sagte:"Wie... Ich versteh nicht.Okay dann ziehen wir hier aus, verkleinern uns...." Aber er sagte, daß nichts mehr zu retten ist und dann sagte er:"Also, ich hab hier nichts mehr zu tun und geh jetzt. Machs gut." Und ich sagte:"Wie Du gehst jetzt und kommst nicht wieder! Was passiert denn jetzt" und er meinte, daß er die Tage nochmal vorbei kommen will................
Ich hab das nicht in meinen Kopf gekriegt und irgendwie nicht verstanden, was da grad geschieht.
Er wollte doch gestern noch zu uns ziehen, wir haben doch die Firma und sind in dieses riesige Haus gezogen. Wir haben zwei Hunde und zu meinem Geburtstag ein Jahr zuvor schenkte er mir einen Irish Wolfhound Welpen. Wir beide hatten doch die Verantwortung für meinen Sohn, seinen Freund und 3 Hunde................
Er ging!
Ich weiß nicht, wie lange ich noch am Tisch saß. Meine nächste Erinnerung ist, daß ich vor dem PC saß und vor mir ca. 60 Bromazanil und eine fast volle Flasche Wodka. Und ich dachte, daß ich vor Jahren zu feige war wieder ich selbst zu sein und jetzt deshalb das Unglück über uns kam. Der Freund meines Sohnes wollte eh ausziehen und hatte schon eine Wohnung gefunden. Und der Vater meines Sohnes ist ein reicher Mann, bei ihm würde mein Sohn mit offenen Armen aufgenommen werden wie auch die Hunde.
Ich sagte mir, daß die Welt ohne mich besser dran ist und schluckte alle Pillen mit dem Wodka runter. Ich schrieb noch ein paar Zeilen an meinen Sohn.
Aber die Pillen wirkten irgendwie nicht. Ich ging in die Küche und holte das schärfste Messer. Ich setzte mich in die Badewanne, um keine Sauerei zu hinterlassen, wenn ich mir die Pulsadern aufschneide. Ich schnitt mir quer in den linken Arm, da wo die Ader am stärksten zu sehen war. Aber es kam nur wenig Blut, also schnitt ich weiter und weiter und auch am rechten Arm. Aber es blutete einfach nicht. Da holte ich einen Schraubenzieher und stach damit zu. Ich weiß nicht, wie lange ich so rumwerkelte. Ich wurde müde, blutete am rechten arm und legte mich ins Bett............... Ich war bereit zu sterben.
---------------------------Das nächste, woran ich mich erinnere ist, daß ich - im Dämmerzustand - Stimmen hörte. Ich hörte, daß mein Sohn fragte:"Ist meine Mum tot"! Da öffnete ich die Augen. Mein Freund sagte zu meinem Sohn:"Nein, sie lebt. Komm mit in die Küche". Ich stand auf und als ich in die Küche kam hörte ich ihn zu meinem Sohn und dessen Freund sagen:"Das muß jetzt sein. Seid beruhigt, es ist zu ihrem Wohl..." Und da schrie ich, daß er kein Recht hat da zu sein und irgendwas zu entscheiden.Dann musste ich mich auf die Couch legen, weil die Pillen noch wirkten. Als nächstes erinnere ich mich daran, daß Sanitäter vor mir standen und mich mitnehmen wollten. Ich weigerte mich und warf sie aus dem Haus.......... Mein Sohn bettelte mich an, mir helfen zu lassen aber in diesem Moment war er mein Feind, weil er sich mit meinem Freund -Ex- gegen mich verbündete. Plötzlich standen zwei Polizeibeamte vor mir und forderten mich auf mit den Sanitätern zu gehen.
Aber ich weigerte mich, schließlich kann ich selbst über mich bestimmen. Da holte der eine Polizist Handschellen raus und sagte, entweder ich gehe freiwillig oder so...........
Also zog ich mich an, steckte Personalausweis,Krankenkassenkarte, Kreditkarte, Handy und Kontokarte ein und stieg in den Krankenwagen ein. Und damit fing die Hölle für mich an..........
Dem Notarzt im Wagen sagte ich, daß es doch meine eigene Sache ist, wenn ich sterben will und fragte ihn warum es bei mir nicht geklappt hat wo ich doch alles versucht habe. Er schaute sich meine Arme an und heute weiß ich genau, wie ich schneiden muß......... Ich wurde in die Notaufnahme gebracht aber ich weigerte mich, daß man meine Wunden behandelt. Also brachte man mich ein Haus weiter auf die Depressionsstation.
Zeitgefühl hatte ich nicht mehr, weil die Pillen da volle Wirkung zeigten. Als diese nachließ, da wurde mir bewußt was ich getan hatte und war so voller Wut auf meinen Sohn, weil der sich mit meinem Ex zusammentat. Ohne Nachzudenken schrieb ich ihm sofort gemeine sms, daß er mich verraten hat usw. Er schrieb zurück, daß er mich liebt und ich gesund werden soll aber ich antwortete abweisend und gemein. Dann schlief ich wieder ein. Als ich aufwachte, war ich schon 2 Tage in der Klinik und mir wurde dann richtig klar, was passiert war. Mein Handy hatte man mir zwischenzeitlich weggenommen und ich bat darum meinen Sohn anzurufen. Ich mußte ihm erklären, erzählen, erklären....... mit ihm reden....... wissen, wo er ist und was ist mit meinen Hunden..... Aber man ließ mich nicht. Ich wollte raus, weg...... aber ich durfte nicht. Sie sagten, ich sei eine Gefahr für mich selbst. Andere Patienten sagten mir, ich solle mich beruhigen, sonst würde alles viel schlimmer für mich werden. Aber ich war wieder ich selbst und kannte meine Rechte! --- Von wegen...----
Weil ich nicht verstummte, wurde ich mitten in der Nacht in ein Zimmer geführt und dort stand ich dann vor einem Richter, der anordnete, daß ich meiner Rechte enthoben werde, weil ich auch eine Gefahr für andere sei. Ich sagte, wenn ich hier nicht raus kann um mit meinem Sohn zu reden, dann werde ich weder essen noch trinken und eben so sterben.
Da wurde ich ans Bett gefesselt.
Nie hätte ich geglaubt, daß so ein Alptraum real sein könnte.
Am 4. Tag bekam ich mein Handy wieder und konnte mich auf der Station frei bewegen. Ich telefonierte fast ununterbrochen. Ich rief Freunde an und bat um Hilfe. Mein Sohn war bei seinem Vater und die Hunde in einer Tierpension. Irgendwie musste es aber weitergehen und so versuchte ich Hilfe zu mobilisieren.
Den einzigen Familienkontakt, den ich noch hatte, war meine Tante. Sie hat immer wieder in der Vergangenheit gesagt, daß ich immer willkommen bin und sie immer für mich da ist. Und ich rief sie an und bat sie um Hilfe. Sie versprach mich zu besuchen........ bis heute habe ich nie wieder von ihr gehört.
Das bleibt hängen. Für immer.
Am 5. Tag wurde ich in die Suchtstation verlegt. Wegen der Bromazanil. Und da sollte ich aufgrund der Abhängigkeit behandelt werden, aber bekam dennoch jeden abend die selbe Pille. Das machte für mich keinen Sinn, also weigerte ich mich und stand fortan unter Beobachtung. Ich durfte die Station nicht mehr verlassen.
Die nächsten 7 Tage war ich zusammen mit Heroinabhängigen, Alkoholikern und Süchtigen aller Art.
Mein Zimmer teilte ich mit einem Mädel, das freiwillig auf kaltem Entzug von Heroin war. Als ich zu ihr kam, hatte sie gerade den 1. Tag hinter sich. Ich habe keinen Menschen kennengelernt, der tapferer war, als sie. Nicht einmal hat man sie jammern gehört........... Ich weigerte mich also weiter Pillen zu nehmen, weil ich nicht glaubte abhängig zu sein.
Von wegen!!!!!!!!!!
3 Tage dauerte mein Entzug.
............Mehr schreibe ich morgen. Ich muss früh aufstehen und mach jetzt erst mal Schluß.
LG
Silvia