Themenstarter
- Beitritt
- 19.08.10
- Beiträge
- 437
ICH BIN ANDERS - UND DAS IST GUT SO!
Aber,
wie Shelley an anderer Stelle schrieb: 'Es hilft mir doch immer sehr,
zu erfahren, wie andere...'
Ich glaube, d a s trifft auf uns alle zu.
Wir diskutieren hier nicht über die Behandlungsmöglichkeiten
von Grippe oder Zahnschmerz - im gesamten Bereich der psychischen
(Erkrankungen möchte ich gar nicht sagen) Störungen (?) klingt auch nicht
nett, denn wer definiert, was eine Störung ist?
Der, der sich gestört fühlt!
Also, beim ganzen Psychiatrie/klin. Psychologie-Bereich geht es
letztlich um die Bewertung menschlichen Verhaltens bzw. die Frage:
Wie weit ist ein Mensch in der Lage, sich reibungslos in ein bestehendes
System einzufügen?
Kann er es nicht, versucht man herauszufinden, ob es dafür organische
Ursachen gibt, dann, ob er unter dem Einfluß von Giften
(Drogen,Umweltgifte etc.) stand.
Und wenn dies alles nicht zutrifft, wirds schwierig.
Wir alle gehen dabei von der stillschweigenden Übereinkunft aus,
dass die Welt, in der wir leben, völlig in Ordnung ist, so wie sie ist
und man sich ihr deshalb auch anpassen k a n n.
Wir vergessen dabei, dass ein psychisch vollkommen gesunder Mensch
des Mittelalters wahrscheinlich bereits nach einem Tag am Rande des
Nervenzusamenbruchs wäre, gelänge ihm ein Zeitsprung - wobei er
noch nicht einmal in New York landen muss.
Diese Flut von Reizen, der wir täglich ausgesetzt sind!
Die minderwertige Nahrung, die zusammen mit künstlich erzeugten
elektromagnetischen Feldern unsere Abwehr schwächt!
Ein Mensch, der sich diesen krankmachenden Bedingungen anpaßt,
wird zwangsläufig krank.
Die, die Strategien entwickeln, um sich diesen Prozessen zu verweigern,
zeigen für mein Empfinden eine weitaus größere Überlebensbereitschaft
und -fähigkeit als alle anderen.
Dazu passt auch, dass Asperger ohnehin meist eine aussergewöhnlich
hohe Intelligenz aufweisen und die Fähigkeit, verschiedene Sinnes-
eindrücke zu vernetzen, (Synästhesie)*
bei ihnen recht verbreitet ist.
Sprich: beim hören eines Wortes diesem einen 'Wert' zuzuweisen,
der aus optischen, akustischen und haptischen Eindrücken
zusammengesetzt ist.
Freunde, die um meine 'Lieblingstheorien' wissen,
zu denen auch die gehört, dass Krankheiten häufig
'artifiziell' sind, also heiß geliebte Kinder
einer omnipotenten Pharmaindustrie, schenkten mir ein Buch
mit dem Titel: Das Zeitalter der Nervosität
- Deutschland zwischen Bismark und Hitler, Joachim Radkau,
Propyläen Taschenbuch.
In dem der bekannte Historiker seine These von der Genese
des 2. Weltkriegs und des Nationalsozialismus vertritt.
Er kennzeichnet die gesamte wilhelminische Epoche als eine Ära,
die von einer starken Nervosität getragen wurde und schließt damit an
Thomas Mann an, der behauptete, Hitler stand unter
'kaum zu ertragender Nervenanspannung'.
Das will ich gar nicht weiter verfolgen.
Wobei, die Vorstellung, bestimmte Psychopathologien könnten,
wenn sie denn um sich greifen (100.-Affe-Theorie), ganze
Länder an den Rand des Abgrundes führen,
an sich schon interessant ist.
Was mich aber besonders interessierte, ist der Aspekt,
den ein Kritiker von 'Die Zeit' hervorhob, indem er
dieses Buch 'eine profunde Sozialgeschichte
der Nervosität' nannte.
Hier wird einmal exemplarisch aufgezeigt, wie Krank-
heitsbilder entstehen und auch wieder verschwinden.
Beschreibt man jemanden heutzutage als 'sehr nervös'
assoziiert dies 'leicht hysterisch', vielleicht auch
'paranoid', in jedem Fall nicht voll belastbar.
Die Betrachtung und Be'inhaltung' von 'nervös' veränderte
sich aber im Laufe der Zeit.
So galt in der vorwilhelminischen Ära das Prädikat: 'nervös'
als Zeichen 'guter Rasse' - war also mehr den
herrschenden Schichten vorbehalten.
'Feinnervig' wurde eher mit 'sehr sensibel' übersetzt
und war keineswegs ein negativ besetzter Begriff.
Zum, eine Pathologie kennzeichnenden Begriff wandelte
er sich, als findige 'Society'- Ärzte auf den Gedanken
kamen, man könne Bäder einrichten,
um finanzträchtigen Nutzern den Eindruck zu vermitteln,
dort könne etwas
zur 'Nervenberuhigung' getan werden.
Ganz reale Profitinteressen (des Arztes) trafen hier auf
den Wunsch, des 'Nutzers', also des Badereisenden,
seine vergnügliche Reise zu rechtfertigen,
ihr etwas 'seriöses' zu verleihen. (Ich tu das nicht für mich,
sondern um meine Nerven zu kurieren.
Schließlich muß ich ja eine Firma leiten.)
Er w u r d e also erst zum 'Patienten'.
Wie uneins man in der Bewertung des Krankheits-
bildes 'Nervenschwäche' (Neurasthenie) war,
zeigt sich in den höchst unterschiedlichen
Behandlungsweisen. Zum einen, eher sedierend,
Reize abschirmend -
mehr der heutigen Wellness-Erfahrung mit Massagen,
leiser Musik etc.entsprechend, andererseits gab es
jedoch auch Ärzte, die meinten, man müsse die
hypersensible Klientel 'abhärten' und versuchen, ihre
Reizschwelle etwas nach oben zu verlagern.
Die vermittelten dann eher
'Überlebenstrainings'- und 'Bootcamp'-Erfahrungen.
In jedem Fall war man sich einer Sache gewiß,
dass man es mit einem
ernsthaften Krankheitsbild zu tun habe, denn
schließlich ließ es sich ja behandeln.
Das änderte sich schlagartig, als plötzlich scharenweise
durch den 1. Weltkrieg stark traumatisierte Soldaten
auftraten, die tatsächlich 'nervenkrank' waren.
So viele Bäder, um die alle zu befrieden, gab es gar nicht.
Die Kranken- und Rentenkassen, damals auch nicht
anders als heute, verweigerten die Kostenübernahme
und die Soldaten wurden als Versicherungsbetrüger
und Drückeberger denunziert und bestenfalls
der Hypochondrie bezichtigt!
Aber die Anfänge waren bereitet und die enge
Verknüpfung von 'Modernität' (mit großstädtischer
Reizüberflutung, Industriealisierung und
vor allem: einer unglaublichen Beschleunigung
des Lebenstempos) und Neurasthenie zu auffällig,
um einfach übergangen zu werden.
Und man interessierte sich für Wesenszüge, die
besonders empfänglich
für Neurasthenie machten. Der Neurologe Dubois sprach
von 'der pedantischen Pünktlichkeit' vieler
Neurastheniker.
(Asperger-Syndrom, ich hör dich trapsen!)
Auffällig waren ebenfalls die nationalen Häufungen.
Bei den Briten schien 'Neurasthenie' fast unbekannt
zu sein und man bescheinigte ihnen einen sehr
'robusten' Nationalcharakter.
Wohingegen die Deutschen, mit ihrer Neigung zu
Grübelei und Trübsinn (das faustische Element)
wohl mehr als andere empfänglich
zu sein scheinen.
(Goethe: "Dem Phlegma gehört die Welt!" war es auch,
der den Begriff 'veloziferisch' schuf. Eine Verknüpfung
zwischen schnell und teuflisch, die sicher nicht zufällig war.
Dazu gibts eine tolle dctp-Folge, Alexander Kluge im
Gespräch mit... Peter Berling, glaube ich))
Die Rolle, die den Lebensumständen zukommt, wird
immer wieder hervorgehoben.
So zitiert der Autor Georg Grabe, einen Telefon-
techniker bei Siemens, der in seinen Memoiren den
Ausbruch einer Massenhysterie unter den
Telefonistinnen beschreibt.
Ein neues, noch nicht ausgereiftes, System wird
eingeführt und bringt, statt der erwarteten Verbesserungen
nur fehlerhafte Schaltungen.
Viele Anrufe kommen nicht zustande.
Viele Verbindungen 'stehen' nicht.
Die Teilnehmer werden fuchsig und die Telefonistinnen
noch mehr.
Bis eine zu schreien anfängt und andere folgen.
Der Telegrafendirektor, der Zeuge eines technischen
Triumphes werden sollte, will nun auf das alte System
zurückschalten, ringt die Hände und ruft ein ums andere
Mal: "Meine armen Mädchen!"
Vor der Berufswahl 'Telefonistin' wurden besonders
die sensibleren Gemüter in zahlreichen Publikationen
gewarnt.
Soviel zum Thema Umwelt und Krankheit.
Und nicht nur die Menschen früherer Zeitalter hätten mit
der heutigen Welt wahrscheinlich so ihre liebe Not.
Auch die, die in -von der unserigen- strark abweichenden
Kulturen aufwachsen, sind nicht zwangsläufig zu
bemitleidende, da von der westlichen
Light (sorry! natürlich: Leit-)Kultur abgeschnittene Lebens-
formen, sondern vielleicht wesentlich glücklichere
Menschen, da sie in einen tragfähigen sozialen
Kontext eingebunden sind, der es ihnen sogar
gestattet, persönliche Besonderheiten aufzuweisen.
Also:
BiMi sagt (ich bin müde und gestatte mit jetzt einen
Rückfall in infantile [regressive] Verhaltensweisen):
Nicht nur Menschen früherer Zeiten würden wahr-
scheinlich heutzutage in der einen oder anderen
Form als 'psychisch krank' eingestuft werden,
auch die jeweilige Kultur kann toleranter oder intoleranter
bezüglich der Definition von Krankheiten sein.
(Temporale und lokale Unterschiede.)
Aber selbst am gleichen Ort zur gleichen Zeit gibt
es kaum Einigkeit bezüglich der Auslegung.
Es gibt Autisten, Asperger, HSPler (High Sensitive Person), Savants
und Hochbegabte...
Viele scheint zu einen, dass sie über besondere
Fähigkeiten verfügen, die sich auf der Basis eines
höchst verfeinerten Sensoriums entwickelten.
Besondere Fähigkeiten machen einsam.
Sie separieren den 'Betroffenen' von seiner Umwelt.
Das war immer so und kann auch nicht anders sein.
Aber es ist unnötig, Menschen zu s t i g m a t i s i e r e n,
indem man ihnen ein Krankheitsbild zuordnet.
Nur, weil sie mit den bestehenden Verhältnissen nicht
konform gehen.
Wenn wir das Ende der symptomorientierten Behandlung
auch auf Asperger ausweiten wollen, müssen wir uns
ebenfalls bemühen, die Welt, in der wir leben,
menschlicher zu gestalten.
Da gibts einiges zu tun.
Sowohl was die (Mit-)menschlichkeit unseres Verhaltens
angeht, als auch in Bezug auf die ständig zunehmende
Unbewohnbarkeit unseres Planeten.
Der Mensch ist eines der anpassungsfähigsten Lebewesen.
Das war die Voraussetzung für unseren Triumphzug.
Vielleicht wird es auch unseren Untergang besiegeln.
BiMi
*Als Synästhesie bezeichnet man die Fähigkeit, parallel zueinander oder gleichzeitig einen visuellen, olfaktorischen oder akustischen Reiz wahrzunehmen.
Es gibt ein gutes Buch zumThema aus dem, leider nicht mehr existenten 'Byblos-Verlag'
(Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser nur ins Leben gerufen wurde,um m i r eine Freude zu bereiten. Es waren alles wundervolle Bücher, die dort erschienen!).
Das Buch ist von Richard E. Cytowic und heißt: Farben hören, Töne schmecken
Aber,
wie Shelley an anderer Stelle schrieb: 'Es hilft mir doch immer sehr,
zu erfahren, wie andere...'
Ich glaube, d a s trifft auf uns alle zu.
Wir diskutieren hier nicht über die Behandlungsmöglichkeiten
von Grippe oder Zahnschmerz - im gesamten Bereich der psychischen
(Erkrankungen möchte ich gar nicht sagen) Störungen (?) klingt auch nicht
nett, denn wer definiert, was eine Störung ist?
Der, der sich gestört fühlt!
Also, beim ganzen Psychiatrie/klin. Psychologie-Bereich geht es
letztlich um die Bewertung menschlichen Verhaltens bzw. die Frage:
Wie weit ist ein Mensch in der Lage, sich reibungslos in ein bestehendes
System einzufügen?
Kann er es nicht, versucht man herauszufinden, ob es dafür organische
Ursachen gibt, dann, ob er unter dem Einfluß von Giften
(Drogen,Umweltgifte etc.) stand.
Und wenn dies alles nicht zutrifft, wirds schwierig.
Wir alle gehen dabei von der stillschweigenden Übereinkunft aus,
dass die Welt, in der wir leben, völlig in Ordnung ist, so wie sie ist
und man sich ihr deshalb auch anpassen k a n n.
Wir vergessen dabei, dass ein psychisch vollkommen gesunder Mensch
des Mittelalters wahrscheinlich bereits nach einem Tag am Rande des
Nervenzusamenbruchs wäre, gelänge ihm ein Zeitsprung - wobei er
noch nicht einmal in New York landen muss.
Diese Flut von Reizen, der wir täglich ausgesetzt sind!
Die minderwertige Nahrung, die zusammen mit künstlich erzeugten
elektromagnetischen Feldern unsere Abwehr schwächt!
Ein Mensch, der sich diesen krankmachenden Bedingungen anpaßt,
wird zwangsläufig krank.
Die, die Strategien entwickeln, um sich diesen Prozessen zu verweigern,
zeigen für mein Empfinden eine weitaus größere Überlebensbereitschaft
und -fähigkeit als alle anderen.
Dazu passt auch, dass Asperger ohnehin meist eine aussergewöhnlich
hohe Intelligenz aufweisen und die Fähigkeit, verschiedene Sinnes-
eindrücke zu vernetzen, (Synästhesie)*
bei ihnen recht verbreitet ist.
Sprich: beim hören eines Wortes diesem einen 'Wert' zuzuweisen,
der aus optischen, akustischen und haptischen Eindrücken
zusammengesetzt ist.
Freunde, die um meine 'Lieblingstheorien' wissen,
zu denen auch die gehört, dass Krankheiten häufig
'artifiziell' sind, also heiß geliebte Kinder
einer omnipotenten Pharmaindustrie, schenkten mir ein Buch
mit dem Titel: Das Zeitalter der Nervosität
- Deutschland zwischen Bismark und Hitler, Joachim Radkau,
Propyläen Taschenbuch.
In dem der bekannte Historiker seine These von der Genese
des 2. Weltkriegs und des Nationalsozialismus vertritt.
Er kennzeichnet die gesamte wilhelminische Epoche als eine Ära,
die von einer starken Nervosität getragen wurde und schließt damit an
Thomas Mann an, der behauptete, Hitler stand unter
'kaum zu ertragender Nervenanspannung'.
Das will ich gar nicht weiter verfolgen.
Wobei, die Vorstellung, bestimmte Psychopathologien könnten,
wenn sie denn um sich greifen (100.-Affe-Theorie), ganze
Länder an den Rand des Abgrundes führen,
an sich schon interessant ist.
Was mich aber besonders interessierte, ist der Aspekt,
den ein Kritiker von 'Die Zeit' hervorhob, indem er
dieses Buch 'eine profunde Sozialgeschichte
der Nervosität' nannte.
Hier wird einmal exemplarisch aufgezeigt, wie Krank-
heitsbilder entstehen und auch wieder verschwinden.
Beschreibt man jemanden heutzutage als 'sehr nervös'
assoziiert dies 'leicht hysterisch', vielleicht auch
'paranoid', in jedem Fall nicht voll belastbar.
Die Betrachtung und Be'inhaltung' von 'nervös' veränderte
sich aber im Laufe der Zeit.
So galt in der vorwilhelminischen Ära das Prädikat: 'nervös'
als Zeichen 'guter Rasse' - war also mehr den
herrschenden Schichten vorbehalten.
'Feinnervig' wurde eher mit 'sehr sensibel' übersetzt
und war keineswegs ein negativ besetzter Begriff.
Zum, eine Pathologie kennzeichnenden Begriff wandelte
er sich, als findige 'Society'- Ärzte auf den Gedanken
kamen, man könne Bäder einrichten,
um finanzträchtigen Nutzern den Eindruck zu vermitteln,
dort könne etwas
zur 'Nervenberuhigung' getan werden.
Ganz reale Profitinteressen (des Arztes) trafen hier auf
den Wunsch, des 'Nutzers', also des Badereisenden,
seine vergnügliche Reise zu rechtfertigen,
ihr etwas 'seriöses' zu verleihen. (Ich tu das nicht für mich,
sondern um meine Nerven zu kurieren.
Schließlich muß ich ja eine Firma leiten.)
Er w u r d e also erst zum 'Patienten'.
Wie uneins man in der Bewertung des Krankheits-
bildes 'Nervenschwäche' (Neurasthenie) war,
zeigt sich in den höchst unterschiedlichen
Behandlungsweisen. Zum einen, eher sedierend,
Reize abschirmend -
mehr der heutigen Wellness-Erfahrung mit Massagen,
leiser Musik etc.entsprechend, andererseits gab es
jedoch auch Ärzte, die meinten, man müsse die
hypersensible Klientel 'abhärten' und versuchen, ihre
Reizschwelle etwas nach oben zu verlagern.
Die vermittelten dann eher
'Überlebenstrainings'- und 'Bootcamp'-Erfahrungen.
In jedem Fall war man sich einer Sache gewiß,
dass man es mit einem
ernsthaften Krankheitsbild zu tun habe, denn
schließlich ließ es sich ja behandeln.
Das änderte sich schlagartig, als plötzlich scharenweise
durch den 1. Weltkrieg stark traumatisierte Soldaten
auftraten, die tatsächlich 'nervenkrank' waren.
So viele Bäder, um die alle zu befrieden, gab es gar nicht.
Die Kranken- und Rentenkassen, damals auch nicht
anders als heute, verweigerten die Kostenübernahme
und die Soldaten wurden als Versicherungsbetrüger
und Drückeberger denunziert und bestenfalls
der Hypochondrie bezichtigt!
Aber die Anfänge waren bereitet und die enge
Verknüpfung von 'Modernität' (mit großstädtischer
Reizüberflutung, Industriealisierung und
vor allem: einer unglaublichen Beschleunigung
des Lebenstempos) und Neurasthenie zu auffällig,
um einfach übergangen zu werden.
Und man interessierte sich für Wesenszüge, die
besonders empfänglich
für Neurasthenie machten. Der Neurologe Dubois sprach
von 'der pedantischen Pünktlichkeit' vieler
Neurastheniker.
(Asperger-Syndrom, ich hör dich trapsen!)
Auffällig waren ebenfalls die nationalen Häufungen.
Bei den Briten schien 'Neurasthenie' fast unbekannt
zu sein und man bescheinigte ihnen einen sehr
'robusten' Nationalcharakter.
Wohingegen die Deutschen, mit ihrer Neigung zu
Grübelei und Trübsinn (das faustische Element)
wohl mehr als andere empfänglich
zu sein scheinen.
(Goethe: "Dem Phlegma gehört die Welt!" war es auch,
der den Begriff 'veloziferisch' schuf. Eine Verknüpfung
zwischen schnell und teuflisch, die sicher nicht zufällig war.
Dazu gibts eine tolle dctp-Folge, Alexander Kluge im
Gespräch mit... Peter Berling, glaube ich))
Die Rolle, die den Lebensumständen zukommt, wird
immer wieder hervorgehoben.
So zitiert der Autor Georg Grabe, einen Telefon-
techniker bei Siemens, der in seinen Memoiren den
Ausbruch einer Massenhysterie unter den
Telefonistinnen beschreibt.
Ein neues, noch nicht ausgereiftes, System wird
eingeführt und bringt, statt der erwarteten Verbesserungen
nur fehlerhafte Schaltungen.
Viele Anrufe kommen nicht zustande.
Viele Verbindungen 'stehen' nicht.
Die Teilnehmer werden fuchsig und die Telefonistinnen
noch mehr.
Bis eine zu schreien anfängt und andere folgen.
Der Telegrafendirektor, der Zeuge eines technischen
Triumphes werden sollte, will nun auf das alte System
zurückschalten, ringt die Hände und ruft ein ums andere
Mal: "Meine armen Mädchen!"
Vor der Berufswahl 'Telefonistin' wurden besonders
die sensibleren Gemüter in zahlreichen Publikationen
gewarnt.
Soviel zum Thema Umwelt und Krankheit.
Und nicht nur die Menschen früherer Zeitalter hätten mit
der heutigen Welt wahrscheinlich so ihre liebe Not.
Auch die, die in -von der unserigen- strark abweichenden
Kulturen aufwachsen, sind nicht zwangsläufig zu
bemitleidende, da von der westlichen
Light (sorry! natürlich: Leit-)Kultur abgeschnittene Lebens-
formen, sondern vielleicht wesentlich glücklichere
Menschen, da sie in einen tragfähigen sozialen
Kontext eingebunden sind, der es ihnen sogar
gestattet, persönliche Besonderheiten aufzuweisen.
Also:
BiMi sagt (ich bin müde und gestatte mit jetzt einen
Rückfall in infantile [regressive] Verhaltensweisen):
Nicht nur Menschen früherer Zeiten würden wahr-
scheinlich heutzutage in der einen oder anderen
Form als 'psychisch krank' eingestuft werden,
auch die jeweilige Kultur kann toleranter oder intoleranter
bezüglich der Definition von Krankheiten sein.
(Temporale und lokale Unterschiede.)
Aber selbst am gleichen Ort zur gleichen Zeit gibt
es kaum Einigkeit bezüglich der Auslegung.
Es gibt Autisten, Asperger, HSPler (High Sensitive Person), Savants
und Hochbegabte...
Viele scheint zu einen, dass sie über besondere
Fähigkeiten verfügen, die sich auf der Basis eines
höchst verfeinerten Sensoriums entwickelten.
Besondere Fähigkeiten machen einsam.
Sie separieren den 'Betroffenen' von seiner Umwelt.
Das war immer so und kann auch nicht anders sein.
Aber es ist unnötig, Menschen zu s t i g m a t i s i e r e n,
indem man ihnen ein Krankheitsbild zuordnet.
Nur, weil sie mit den bestehenden Verhältnissen nicht
konform gehen.
Wenn wir das Ende der symptomorientierten Behandlung
auch auf Asperger ausweiten wollen, müssen wir uns
ebenfalls bemühen, die Welt, in der wir leben,
menschlicher zu gestalten.
Da gibts einiges zu tun.
Sowohl was die (Mit-)menschlichkeit unseres Verhaltens
angeht, als auch in Bezug auf die ständig zunehmende
Unbewohnbarkeit unseres Planeten.
Der Mensch ist eines der anpassungsfähigsten Lebewesen.
Das war die Voraussetzung für unseren Triumphzug.
Vielleicht wird es auch unseren Untergang besiegeln.
BiMi
*Als Synästhesie bezeichnet man die Fähigkeit, parallel zueinander oder gleichzeitig einen visuellen, olfaktorischen oder akustischen Reiz wahrzunehmen.
Es gibt ein gutes Buch zumThema aus dem, leider nicht mehr existenten 'Byblos-Verlag'
(Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser nur ins Leben gerufen wurde,um m i r eine Freude zu bereiten. Es waren alles wundervolle Bücher, die dort erschienen!).
Das Buch ist von Richard E. Cytowic und heißt: Farben hören, Töne schmecken
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