War die Natur Nietzsches eine Kreuzung aus Dionysos und Ahasver, die trotz aller Schmerzen die Ewigkeit, zu der sie verdammt war, lieben musste, eine wilde, tobende Natur, die lieber brüllte als seufzte oder zwitscherte, - so ist Stefan George (geboren 1868 in Büdesheim), der strenge Priester der Gelassenheit und Gebundenheit, der Verkünder asketischer Lüste, mass- und zuchtvoll. Auch er verkündet wie Nietzsche eine Kunst, die jenseits von Gut und Böse wirkt; er steht den moralischen Forderungen eines Teiles der jungen Generation ferner als fern.
"Du sprichst mir nicht von Sünde oder Sitte". In einem seiner ersten Gedichte versteigt er sich bis zur Apotheose der Ausschweifung: im Heliogabal. Aber immer reiner klärt sich seine Welt: bis das Jahr der Seele herrlich sichtbar wird, der Teppich des Lebens sich vor ihm breitet, der Engel ihm den Weg weist und der Stern des Bundes magisch erblinkt. Stefan George begann als Fackelträger des reinen Wortes in einer Zeit, die das Wort verunreinigte und beschmutzte, er schritt fort und schreitet weiter als ein Flammenträger des reinen Sinnes in einer Zeit, die verschwelt und rauchig loht, die Baal und Beelzebub betet, die kein Seelengold, nur ein Geldgold kennt, die alles "zweckmässig" einrichtet und als Ziel die Zweckmässigkeit postuliert oder die Ziellosigkeit an sich. Die geistige und moralische Begriffe verwechselt und ein politisches Parteiprogramm vom Spinozas Ethik nicht zu unterscheiden vermag. Sie hat auch bei George gebändigte Leidenschaft mit Temperamentlosigkeit, die Gebärde des echten Priesters mit den Tingeltangelalläuren ihrer geistigen Charlatane, die gekonnte Kunst mit gemachter Mache verwechselt. Sei´s. Die Weltgeschichte ist auch das Weltgedicht: einige der schönsten Strophen dieses Gedichtes hat Stefan George gesungen.