Herbst-Gedichte

Im Herbste

Auf des Gartens Mauerzinne
bebt noch eine einz’ge Ranke:
Also bebt in meinem Sinne
schmerzlich nur noch ein Gedanke.

Kaum vermag ich ihn zu fassen,
aber dennoch von mir lassen
will er, ach, zu keiner Frist;
und so denk ich ihn und trage
alle Nächte, alle Tage
mit mir fort die dumpfe Klage,
daß du mir verloren bist.

(Emanuel Geibel)

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Seidel, Heinrich (1842-1906)

November
Solchen Monat muß man loben;
Keiner kann wie dieser toben,
keiner so verdrießlich sein,
und so ohne Sonnenschein!
Keiner so in Wolken maulen,
keiner so mit Sturmwind graulen!
Und wie naß er alles macht!
Ja, es ist ´ne wahre Pracht.
Seht das schöne Schlackerwetter!
Und die armen welken Blätter,
wie sie tanzen in dem Wind
und so ganz verloren sind!
Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt
und die durcheinanderwirbelt
und sie hetzt ohn´ Unterlaß;
Ja, das ist Novemberspaß!


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Theodor Fontane (1819 – 1898)

Herbstmorgen
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Die Wolken ziehn, wie Trauergäste,

Den Mond still-abwärts zu geleiten,

Der Wind durchfegt die starren Äste

Und sucht ein Blatt aus beßren Zeiten.



Schon flattern in der Luft die Raben,

Des Winters unheilvolle Boten;

Bald wird er tief in Schnee begraben

Die Erde, seinen großen Toten.



Ein Bach läuft hastig mir zur Seite;

Es bangt ihn vor des Eises Ketten,

Drum stürzt er fort und sucht das Weite,

Als könnt ihm Flucht das Leben retten.



Da mocht ich länger nicht inmitten

So todesnaher Öde weilen;

Es trieb mich fort, mit hastgen Schritten

Dem flüchtgen Bache nachzueilen.
 
Im Novembersturm

Der Sturmwind rast und der Regen schlägt
ans Fenster in schweren Tropfen -
Ich fühl in der tollen Novembernacht
mein Herz wohl hörbar klopfen.

Es schlägt in brennender Ungeduld
sehnsüchtig und beklommen . . .
Ach, wenn die Stunde doch Flügel hätt'
und wäre der Winter gekommen!

Und deckte die Ströme das blinkende Eis
und der Schnee die schweigende Runde -
und wären wir endlich allein, allein
in der heimlichen Mitternachtsstunde!

O Liebster, Liebster, - der Sturmwind rast
und der Regen rauscht endlos nieder -
mir aber fluten durch Haupt und Herz
traumselige Liebeslieder.

Clara Müller-Jahnke (1860-1905)
 
Herbstlandschaft

Kartoffelsäcke am Raine!
Das Laub des Ahorns glüht rot.
Und mittags noch einmal die kleine
Grillenmusik. Wie ein Boot
zieht die herbstliche Wolke vorüber
mit Schatten und Regengrau.
Der Rübenacker liegt trüber
unter dem Wäscheblau
des kalten Himmels. Es fallen
die Eckern im plötzlichen Wind.
Und unter den Füßen knallen
Schneebeeren, die reif nun sind.

(Karl Krolow)


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Tristesse
Die Schatten wandeln nicht nur in den Hainen,
davor die Asphodelenwiese liegt,
sie wandeln unter uns und schon in deinen
Umarmungen, wenn noch der Traum dich wiegt.

Was ist das Fleisch - aus Rosen und aus Dornen,
was ist die Brust - aus Falten und aus Samt,
und was das Haar, die Achseln, die verworrnen
Vertiefungen, der Blick so heiß entflammt:

Es trägt das Einst: die früheren Vertrauten
und auch das Einst: wenn du es nicht mehr küßt,
hör garnicht hin, die leisen und die lauten
Beteuerungen haben ihre Frist.

Und dann November, Einsamkeit, Tristesse,
Grab oder Stock, der den Gelähmten trägt -
die Himmel segnen nicht, nur die Zypresse,
der Trauerbaum, steht groß und unbewegt.

Gottfried Benn (1954)

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Novembersonne

In den ächzenden Gewinden
Hat die Kelter sich gedreht,
Unter meinen alten Linden
Liegt das Laub hoch aufgeweht.


Dieser Erde Werke rasten,
Schon beginnt die Winterruh -
Sonne, noch mit unverblassten,
Goldnen Strahlen wanderst du!

Ehe sich das Jahr entlaubte,
Gingen, traun, sie müßig nie,
Nun an deinem lichten Haupte
Flammen unbeschäftigt sie.

Erst ein Ackerknecht, ein Schnitter,
Und ein Traubenkoch zuletzt
Bist du nun der freie Ritter,
Der sich auf der Fahrt ergetzt.

Und die Schüler, zu den Bänken
Kehrend, grüßen jubelvoll,
Hingelagert vor den Schenken,
Dich als Musengott Apoll.

Conrad Ferdinand Meyer
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Herbstgefühl

Mürrisch braust der Eichenwald,
Aller Himmel ist umzogen,
Und dem Wandrer, rauh und kalt,
Kommt der Herbstwind nachgeflogen.

Wie der Wind zu Herbsteszeit
Mordend hinsaust in den Wäldern,
Weht mir die Vergangenheit
Von des Glückes Stoppelfeldern.

An den Bäumen, welk und matt,
Schwebt des Laubes letzte Neige,
Niedertaumelt Blatt auf Blatt
Und verhüllt die Waldessteige;

Immer dichter fällt es, will
Mir den Reisepfad verderben,
Daß ich lieber halte still,
Gleich am Orte hier zu sterben.

(Nikolaus Lenau, 1802-1850)

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Dezemberlied

Harter Winter, streng und rauch,
Winter, sei willkommen!
Nimmst du viel, so gibst du auch,
Das heißt nichts genommen!

Zwar am Äußern übst du Raub,
Zier scheint dir geringe,
Eis dein Schmuck, und fallend Laub
Deine Schmetterlinge,

Rabe deine Nachtigall,
Schnee dein Blütenstäuben,
Deine Blumen, traurig all
Auf gefrornen Scheiben.

Doch der Raub der Formenwelt
Kleidet das Gemüte,
Wenn die äußere zerfällt,
Treibt das Innere Blüte.

Die Gedanken, die der Mai
Locket in die Weite,
Flattern heimwärts kältescheu
Zu der Feuerseite.

Sammlung, jene Götterbraut,
Mutter alles Großen,
Steigt herab auf deinen Laut,
Segenübergossen.

Und der Busen fühlt ihr Wehn,
Hebt sich ihr entgegen,
Lässt in Keim und Knospen sehn,
Was sonst wüst gelegen.

Wer denn heißt dich Würger nur?
Du flichst Lebenskränze,
Und die Winter der Natur
Sind der Geister Lenze!

Franz Grillparzer (1791-1872)
 
Rückgedenken

von Hermann Hesse

Am Hang die Heidekräuter blühn,
Der Ginster starrt in braunen Besen.
Wer weiß heut noch, wie flaumiggrün
Der Wald im Mai gewesen ?

Wer weiß heut noch, wie Amselsang
Und Kuckucksruf einmal geklungen ?
Schon ist, was so bezaubernd klang,
Vergessen und versungen.

Im Wald das Sommerabendfest,
Der Vollmond überm Berge droben,
Wer schrieb sie auf, wer hielt sie fest ?
Ist alles schon zerstoben.

Und bald wird auch von dir und mir
Kein Mensch mehr wissen und erzählen,
Es wohnen andre Leute hier,
Wir werden keinem fehlen.

Wir wollen auf den Abendstern
Und auf die ersten Nebel warten.
Wir blühen und verblühen gern
In Gottes großem Garten.


 
Der Himmel ist umgezogen

Der Himmel ist umgezogen
Die Winde rauschen traurig
Der Herbst kommt angeflogen
Die Tage gehen schneller.

Blätter rascheln unter Kindertritten
Der Hut des Nachbarn fliegt davon
Wir gehen schnellen Schrittes
Die Zeit eilt uns davon.

Gedicht von Monika Minder

https://www.gedichte-zitate.com/herbstgedichte.html

Symptome deuten und bearbeiten ist besser als sie bekämpfen. Jedes Symptom will dir etwas sagen.
Rüdiger Dahlke hat tolle Bücher geschrieben darüber.
"Krankheit als Symbol" ist eines davon. Ein Handbuch der Psychosomatik.

Krankheit als Symbol: Ein Handbuch der Psychosomatik. Symptome, Be-Deutung, Einlösung.: Amazon.de: Ruediger Dahlke: Bücher
 
Farbenflut allmählich sich selbst verbleichend,
traurig, ...langsam nur noch den Schatten gleichend.
Doch ein letztes mal in prächtgem Gewand,
gibt Er uns aus lauer Hand,
seinen Früchtereichtum dar,
sagt damit; "das Jahr, ...es geht zu Neigen"
so wird es uns nun doch gewahr,
es endet bald der Jahreszeitenreigen!

Gruß Andreas
 
Zuletzt bearbeitet:
... so viele wunderbare Herbstgedichte... einen ganzen Novembernachmittag und Abend habe ich damit verschwelgt.

Zum Dank:

Altweibersommer

Die Weiber packen ihre Sommersachen
Noch einmal aus.
Auf der Bank vor dem Haus
und am Rand der Allee
Sieht man sie sitzen und stricken und lachen.

Nun tut die Sonne nimmer weh.
Eine sagt vor sich hin: ich seh
Silberne Fäden inmitten des Blaus –

- Während die Buben die Schnur an dem Drachen
Immer länger und länger machen.

Albrecht Goes

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Drachenlied

Fliege, fliege, kleiner Drache
Steig mit Eifer in die Lüfte
Schwing dich, kleine blaue Sache
Über unsre Häusergrüfte !

Wenn wir an der Schnur dich halten
Wirst du in den Lüften bleiben
Knecht der sieben Windsgewalten
Zwingst du sie dich hochzutreiben.

Wir selbst liegen dir zu Füßen !
Fliege, fliege, kleiner Ahne
Unsrer großen Äroplane
Blick dich um, sie zu begrüßen !

Berthold Brecht
 
Zuletzt bearbeitet:
... und noch ein paar Herbstgedichte:

August

Im Grund ist's kühl
und manchmal
steigen morgends erste Nebel
eh Sonne wärmt
der frühen Brombeern Pracht.

Bald mischt sich dann
verstohlen
hie und da
hienein in's sommersatte Grün
ein Tupfen Gelb
und heimlich
sinkt ein Blatt.

Ute Vollmöller

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Herbst

Manchmal
im Herbst
trennt das Licht
Hell und Dunkel
ohne Übergang.

Konturen
sind klar
wie sonst nie,
als wäre die Welt
ohne Frage.

Ute Vollmöller

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Herbstabend

Der Tag geht rasch,
die Sonne zieht den kleinen Kreis
mit Eile,
nur eine Weile
liegt der See im Dämmerlicht
dann fällt die Nacht.

Wie Blätter weht Wind
die Zeit mir aus den Händen,
die Bäume harren schwarz
dem neuen Tag.

Ute Vollmöller

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November

Dunstiger Abend
kalte Luft
heiße Schokolade
Novemberduft

feuchter Wald
Pfützen spiegeln Himmel
Dämmerung
Gitarrenklänge
Einsamkeit

und ein Buch im Café,
ein Tisch für mich allein,
Wärme kriecht herauf,
stille sein.

Ute Vollmöller

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Frierend hängt der Mond
oben in kahlen Bäumen
und träumt vom Sommer.

Ute Vollmöller
 
Zuletzt bearbeitet:
...und auch diese Gedichte möchte ich euch nicht vorenthalten:

Still erhebt sich ein Licht

Regenwolken peischen über das Land,
gehetzt springen die Schatten über die Felder,
still erhebt sich ein Licht und legt sich wieder,
Farben leuchten auf und tragen einiges von einer Freude,
die leise aufbricht und sich
in die schweren Zeiten einschiebt.

Raphael Seitz

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Herbst

Wir sprangen durch's Kartoffelfeuer,
Es beizte Rauch die Augen wund,
Und unter moosigem Gemäuer
War bitterrot von Rauch mein Mund.

Wir rückten dicht ans duftend herbe
Milchblau gewundne Rauchgeäst.
Das nirgends faul ein Kraut verderbe,
Besorgte unser Feuerfest.

Es war noch lang im Heimwärtsfahren
und duftete bis tief in Nacht
Aus vielen warmen Kinderhaaren,
das Spiel und Wind verwirrt gemacht.

Hermann Lenz
 
Ins innere mag es mich nun wieder führen,
Der Abend, mit zunehmender Kühle die Stirn mir berührend.
die letzten Sonnenstrahlen, lassen nun den Verstand ein letztes mal erahnen,
wie des Tages verlöschend Licht mich führt zu andrer, fühlenden Sicht.
Die Tiefen der Seele in sich tragend, nicht nach Aussehen und Stand mich fragend, legt der Herbst mein eigenes Sein mir offen,
so steh Ich denn in der Kälte meines Seins mit der einzigen Wahrheit getroffen!

Gruß Andreas
 
Rainer Maria Rilke: Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
 
Zum Ende

Mit Frische und in allen Tönen
schattiert, hat sich das Jahr gesegnet,
jetzt in der Zeit zum Ende hin.
Wer will erwarten, diesen schönen
lichten Frühling? Ach, es regnet
noch bunte Blätter, wo ich bin.
 
Der Herbst ist die schönste Zeit für die Wildschweine

Viele sagen, heutzutage gäb’ es eine Wildschweinplage,
denn der jungen Ferkelbrut täten warme Winter gut
und die Jagd mit dem Gewehr sei bei diesem Tier sehr schwer.
Auch der große Säbeltiger wär längst fort. Die Sau sei Sieger.

So ein Wildschwein wird geboren mit den allerfeinsten Ohren.
Hört’s von fern nur einen Laut, ist’s gleich weg und abgehaut.
Anders als das Reh, der Hirsch, läuft es nie auf seiner Pirsch,
ohne was zu überlegen, täglich auf den gleichen Wegen.

Nein, es wechselt seine Spuren hundertmal in Wald und Fluren.
Einmal frißt es in den Feldern, einmal wühlt es in den Wäldern,
schon sah eine Frau voll Graus eine Sau in ihrem Haus.
Niemand weiß von vornherein, was es treibt, das wilde Schwein.

In die dicksten Dornenhecken kriecht es, um sich zu verstecken.
Ohne Mucks und ohne Schnaufen kann’s in alten Ästehaufen
gut getarnt und reglos liegen, ach es ist zum Jungekriegen!
Schließlich geht der Jäger heim – und der Wildsau auf den Leim.

Einer ist vielleicht zu wenig, doch zu mehrt da bin ich König!
Also traten zwanzig Mann jüngst zu einer Treibjagd an.
Bald war ein Getreidefeld von den Jägern rings umstellt,
wo die Säue, die verreckten, sich im hohen Korn versteckten.

Jeder wußte ganz genau, keine Chance’ hat eine Sau
gegen zwanzig grüne Jäger, jeder Mann ein Flintenträger.
Einmal müssen sie heraus und dann ist’s mit ihnen aus.
Nicht ein Fünferl möchte man geben, um ein solches Schweineleben.

Ja, man roch schon fast den Duft von dem Braten in der Luft,
als die Truppe blitzesschnelle, wie ein Mann, an einer Stelle
donnernd aus den Acker kam, wo der Jäger Reißaus nahm.
Mit dem Tode müßt er’s büßen, wagte er es, hier zu schießen.

Und, was keinen wundern muß, auch kein andrer kam zu Schuß,
sondern sah nur Schwänz’ von hinten, wie sie in dem Wald verschwinden.
Also unterlag aufs neue Menschenlist der Wildschweinschläue!
Dies geschah, es ist bekannt, bei Gröbenzell im flachen Land.

Hu Ti
der kein Jäger ist :)
 
Eine Träne rollt durch sein Gesicht
doch seine Angst, man sieht sie nicht
nur er weiß, was in ihm geschieht,
sonst niemand seine Schmerzen sieht.

So hart gekämpft und doch verloren
mit einem Schlag besiegt
liegt er am Boden ohne Kraft
der Sieger kalt vorüber zieht.

Das Flammenmeer aus kalten Blicken
hat ihn ganz plötzlich umgeben
das Ziel so weit, kein Weg in Sicht
so nimmt er sich das Leben.

Doch niemand wird ihn je vermissen
oder jemals auf die Suche gehen
denn niemand hat es je versucht
was in ihm vorgeht zu verstehen.

Die Haut wird kalt
der Atem flach
und langsam kehrt die Ruhe ein.
Das alles nur für einen Wunsch
niemals mehr allein zu sein.​
 
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