Ausgewanderte Wörter

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Heute Nachmittag hörte ich im Radio eine, wie ich fand, sehr interessante Buchvorstellung und ein Interview mit der Autorin/ Herausgeberin Jutta Limbach.

Oft genug wird ja die „Anglisierung der deutschen Sprache“ beklagt. In dem Interview hat Jutta Limbach dies als Unsinn bezeichnet und erklärt, dass es keine sprachliche „Reinheit“ gebe, sie nie gegeben habe und diese nur auf einer Wunschvorstellung beruhe.

In diesem Buch, das auf einer Ausschreibung des Goetheinstitutes basiert, wird angedeutet, wie deutschsprachige Begriffe in andere Sprachen integriert wurden.

Ausgewanderte Wörter
Eine Auswahl der interessantesten Beiträge zur internationalen Ausschreibung "Ausgewanderte Wörter"




Sprachen verbinden Menschen und Kulturen - und Wörter einer Sprache finden ihren Platz in anderen Sprachen.
Ausgewanderte Wörter gibt einen interessanten und amüsanten Überblick über deutsche Wörter, die in andere Sprachen „ausgewandert“ sind. In Japan gibt es ein märchenland, in Schweden den besserwisser, in England isst man kohlrabi, in Australien fährt man gemutlich auf der autobahn, und wenn der Nigerianer is-das-soo sagt, meint er das Gleiche wie wir.
Sie werden erstaunt sein, wie viele solcher ausgewanderter Wörter es gibt und wo überall auf der Welt „Deutsch gesprochen wird“.
In dem vierfarbig illustrierten, hochwertig ausgestatteten Geschenkband ist eine Auswahl der schönsten, interessantesten und geistreichsten Beiträge zur internationalen Ausschreibung „Ausgewanderte Wörter“ des Deutschen Sprachrats veröffentlicht.
Zusätzlich erhält der Leser amüsante und interessante geschichtliche und wissenschaftliche Hintergrundinformationen.

Die Russen geraten in 'Zeitnot' und die Nigerianer fragen sich 'Is das so?'. Immer mehr deutsche Wörter und Ausdrücke werden auch in andere Sprachen übernommen.
(Deutschlandradio.de)

"Szlafrock" zum Beispiel heißt auf polnisch Bade- oder Morgenmantel, die Amerikaner schicken ihre Kinder in den "kindergarden", Schweden haben "Fingerspitzengefuehl" und Nigerianer fragen sich "Is das so?"
(Tagesschau)

Herzliche Grüße von

Leòn
 
Is jetzt bisschen off-topic:

Meiner Meinung nach gibt es sehr wohl eine Anglisierung der deutschen Sprache!

In synchronisierten Fernsehsendungen und Kinofilmen werden - neben den "normalen" Anglizismen aus Werbung und Wirtschaft ("on the top"=zusätzlich; "roundabout"=ungefähr; "crunchy"=knusprig; "ich bin fit"=mir geht es gut; uswuswuswusw) - "grammatische Anglizismen", wie ich es mal nennen möchte, eingeführt.

Damit meine ich keine einzelnen Wörter oder auch Floseln, die als englische Wörter in die deutsche Sprache eingebaut werden, sondern so Konstruktionen wie:

"Ich bin okay" (auf Deutsch: "Mir geht es gut, es ist alles in Ordnung")
"Wir wollten Babies haben" ("Wir wollten Kinder kriegen / zeugen")
"Sie werden es lieben" ("Das wird ihnen sehr gefallen")
"es macht Sinn" ("es hat Sinn") => "Sinn machen" kommt von "it makes sense"
"etwas diskutieren" ("to discuss something") => auf deutsch heisst es "über etwas diskutieren"

Selbst ein harmlos erscheinendes "Habt Spaß!" erinnert mich doch zu stark an das "Have fun!" und daran, dass es eigentlich heisst: "Ich wünsch Euch viel Spaß"....

Und überhaupt dieses "oookaaayyyy" immer, das macht mich wahnsinnig.
Wenn man jemandem etwas erzählt, und derjenige noch vor zwei Jahren einfach "aha", hmm" und "ach so" während dem Erzählfluss gesagt hatte, so weichen diese Bestätigungslaute einem stupiden "okay", "okay", "okay".

Wenn man jemandem eine Neuigkeit mitteilt - und er früher "holla" oder "ach nee" oder "huch, das ist ja ein Ding" ausgerufen hätte - wird ein langgezogenes guttural untermaltes "oooookayyyyyyyyyy" ausgespuckt.

Diejenigen Jugendlichen, die man im Bus hinter sich sitzen hat und anhand der Aussprache als "Ausländer" identifiziert hat, entpuppen sich beim Hinschauen leider oft genug als "blonde Deutsche", die leider nicht fähig sind, die eigene Sprache ohne Fehler zu sprechen ("ey Alder, geh´n wir Bahnhof?").

Meiner Ansicht nach sind wir auf dem Weg zu dem Orwell´schen "Neusprech" ("Newspeak"). Das ist eine reduzierte Sprache, die es schwierig macht, komplexe Umstände zu beschreiben oder gar Systemkritik zu äußern (kommt in Orwells Roman "1984" vor, der leider heute traurige Aktualität an den Tag legt).

Zur Info: ich bin kein Vertreter eines verklärten "Deutschtums" oder spreche mich für die Grenzen von 1933 aus.
Jedoch geht mir dieses Nachgeplapper von schlecht synchronisierten Filmen und hirnamputierten Floskeln ("ookaaayyyy") gehörig auf die Nerven.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
noch ein unerträglicher Ausspruch, der meiner Meinung nach ursprünglich aus dem Englischen kommt:

"Alles ist gut" (auf Deutsch: "es ist alles in Ordnung")

Das kommt, m.E. von "it´s all good".

So spricht doch eigentlich keiner in Deutschland.

Für mich ein Phänomen, welches durch die blöden Ami-Filme kommt.
 
Dazu fällt mir noch ein: in 2007...
das ist auch so direkt übernommen

LG
 
Foresprug durk Tecnic
Der Este geht ins "reisibüroo", der Franzose guckt durchs "wasistdas", die Kroaten trinken einen "gemischt", und bei den Engländern ist manches "verboten". Dafür kennt man in Norwegen "Vorspiel" und "Nachspiel". Lesen Sie hier eine Auswahl der Leserzuschriften an den Zwiebelfisch.
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"Vorsprung durch Technik" oder doch "Four Sprung Pork Technic

... glaube, dass das Wort "blumkol" im Indonesischen eher niederländischen Ursprungs ist. Die Niederländer waren ja die Kolonialmacht in Indonesien und haben dort viele hübsche Worte hinterlassen. So bekommt man zum Waschen ein "Handuk" und einen "Waslap", und Elektrizität heißt "Strom". Besonders lustig finde ich, wie einige Werkstätten mit großen Schildern auf ihren Auspuff-Reparaturservice hinweisen: "Knalpot

Vor vielen Jahren habe ich mich in Moskau köstlich amüsiert, als ich es mit meinen bescheidenen Russischkenntnissen aus der Schule geschafft habe, ein Ladenschild zu transkribieren. Erst nach einer Weile fiel bei mir der Groschen, weshalb an offensichtlichen Friseurgeschäften "??????????" ("Parikmacher", also Perückenmacher) steht.

Da gibt's noch mehr Beispiele.
 
Besonders interessant finde ich, dass die Herausgeberin Jutta Limbach eigentlich Juristin ist und von 1994 - 2002 Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe (D) war. 2002 wurde sie dann zur Präsidentin des Goethe-Instituts gewählt und beschäftigt sich seither offensichtlich mit den Gesetzen der deutschen Sprache ;) .

Das Goethe-Institut e.V. nimmt übrigens Aufgaben der auswärtigen Kulturpolitik wahr. Ein Hauptziel ist - wie kann es anders sein: die Förderung der Kenntnis deutscher Sprache im Ausland!
 
Interessantes ist hierzulande auch entlang des Röschtigrabens (franz. "rideau du röschti" in humorvoller Anlehnung an den "eisernen Vorhang") zu beobachten:

le steck, la dreck, le vattr, la muttr... allerdings sind es eher die älteren Menschen, die entlang der Sprachgrenze wohnen, die diese Ausdrücke übernahmen. (Stecken, Dreck, Vater, Mutter)

So kam auch das Fazonetli (ital. fazonetti) für das Nastuch über die Alpen. Ich denke, es ist eigentlich eine schöne Sache, wie Wörter von einer Sprache in die andere hinüberwechseln.

Olis Beispiele zeigen aber auch, dass es des guten zuviel sein kann. Frankreich reagiert mit klaren Quoten auf die Verwässerung der Kultur, indem es vorgibt, wieviel frankophonen Ursprungs am Radio und Fernsehen gesendet werden soll. Dennoch, auch das verhindert nicht le weekend, le pullover etc. Immerhin arbeiten sie aber mit imprimante für Drucker alias Printer und ordinateur für Rechner alias Computer...

Ich denke, je stärker eine Kultur und ihre Menschen verwurzelt sind, je stärker ist die Ausdruckskraft und der Ausdruck in der eigenen Sprache. Wenn die deutsche Sprache sich verwässern lässt (gilt ebenso für andere Sprachen), so zeigt das nichts anderes an, als dass die eigene Kultur und das eigene Selbstverständnis offensichtlich schwächer sind, als das was von andrswo herüber schwappt, wo offensichtlich mehr Stärke ist. So mag man auch die Aussage in Asterix Trabantenstadt verstehen, wenn der Alte sagt: "Ich habe nicht gegen die Fremden, aber diese Fremden sind nicht von hier."

Wenn die deutsche Sprache daran kränkelt, dass beispielsweise Anglizismen Einzug halten, dann mag dies als ein untrügliches Zeichen dafür gelten, dass da offenbar was ist, das stärker als das Eigene ist. Dann darf man sich wohl mit Fug und Recht fragen, ob denn der germanophone Mensch in seinem Kulturkreis noch verwurzelt ist, und ob das eigene Selbstverständnis bereits so geschwächt ist, dass er sich am Anglophonen orientiert? Denn mit der Sprache werden eben auch Werte und Lebensarten übernommen...

Es gibt übrigens sehr sprechende Beispiele für Menschen, die sich gerade auch über und dank der deutschen Sprache im germanophonen Sprachraum sehr gut assimilieren können, ohne ihre ursprüngliche Heimat verleugnen zu müssen. Einmal mehr - sowohl als auch.

Und nicht nur das: Ein Zuwanderer namens Ursus Lavabo - besser bekannt als der Waschbär - mischt die einheimische Fauna ganz schön auf...

Herzlichst - Phil :D
 
Eigentlich wollte ich mich hier nicht äußern, denn das Thema des von mir "vorgestellten" Buches ist ja ein ganz anderes. Aber...:D ich kann nicht an mich halten.

Unsere "deutsche" Sprache ist unter anderem so voll latainischen, arabischen, französischen, spanischen, italienischen und uralten englischen Einflüssen (von den alten indischen ganz zu schweigen), dass es uns längst nicht mehr bewusst ist.
Kein Mensch denkt zum Beispiel heute daran, dass "Mütze" aus dem Arabischen kommt (Muezzin ist der, der open drauf sitzt!), ebenso wie "matt" oder "Gitarre".

Es ist ein Irrglaube zu denken, es gebe eine Sprache, die nur in sich ruht. Das hat es nie gegeben und wird es nicht geben. Ob es einem nun schmeckt oder nicht. :)

Herzliche Grüße von Leòn
 
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