Mitochondropathie

Kategorien: Krankheit

Störungen des Energiestoffwechsels durch Funktionsbeeinträchtigungen der «Zell-Kraftwerke» – Dr. Bodo Kuklinskis erweiterter Mitochondropathie-Begriff, der neben genetischen Enzymdefekten auch erworbene Schäden z.B. durch nitrosativen Stress umfasst

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Inhaltsverzeichnis


Einleitung

Der Begriff Mitochondropathie (auch: Mitochondriopathie) bezeichnet allgemein eine Krankheit der Mitochondrien (griech. mitos für Faden; chondros für Knorpel, Korn; pathos für Schmerz, Krankheit). Mitochondrien sind Zellorganellen (Strukturen der Körperzellen mit bestimmter Funktion), deren Hauptfunktion in der Bereitstellung von Energie in Form von Adenosintriphosphat (Abk. ATP) besteht. ATP ist sozusagen das «Batteriemolekül» bzw. der «Brennstoff» des Körpers, da es eine universelle Form unmittelbar verfügbarer Energie und wichtiger Regulator energieliefernder Prozesse ist. Die Energiegewinnung erfolgt durch Oxidation von Nährstoffen, wobei zugleich Rohstoffe für Biosynthesen (von griech. biosýnthesis für «Lebenszusammenfügung», in der Biochemie der Aufbau komplexer organischer Substanzen) von z.B. Phospholipiden, Aminosäuren, Porphyrin und Häm anfallen. Bei den Mitochondropathien handelt es sich um Defekte von Enzymen, die an der Energiegewinnung der Zellen beteiligt sind. Die Auswirkungen betreffen den gesamten Zellstoffwechsel, da alle energieverbrauchenden Schritte gebremst werden. Einige der relevanten Enzyme sind gewebespezifisch, so dass nur eine bestimmte Gruppe von Organen betroffen sein kann.

Symptome

Die Mitochondrien sind zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit über 50 Enzymen ausgestattet, die teils organspezifisch sind und jeweils aus bis zu 40 Proteinen bestehen. So kommt es je nach Lokalisation der Defekte zu vielfältigen Kombinationen unterschiedlicher Symptome und Folgeerkrankungen. Charakteristische Kombinationen werden zu Syndromen (Krankheitsbildern; von griech. Syndrom für Zusammenlaufen) zusammengefasst. Besonders viele Mitochondrien befinden sich in Zellen, die viel Energie verbrauchen, wie Muskelzellen, Nervenzellen, Sinneszellen, Eizellen, Zellen von Darmschleimhaut und Immunsystem. Symptome des Nervensystems und der Muskulatur sind in fast allen Fällen von Mitochondropathie vorhanden. Im letzteren Fall spricht man von einer Mitochondrialen Myopathie (griech. myos für Muskel).

Nach Kuklinski kommt es aufgrund der gestörten Prozesse in den Mitochondrien u.a. zu

  • massiven Vitalstoffverlusten, v.a. zu einem chronischen Defizit an Vitamin B12
  • verminderter Synthese von Melatonin und Gamma-Aminobuttersäure
  • gesteigerter Bildung von toxischen Metaboliten wie Homocystein
  • Störung und Schädigung von Hirnschranken- und Nervenzellen
  • Funktionsdefiziten der Superoxiddismutase, Glutathion-S-Transferasen, Cytochrom-P450-Enzyme
  • Anlagerung von Citrullin oder Peroxinitrit an Eiweiße (u.a. Tryptophan, Tyrosin), die dadurch als Antigene wirken
  • gesteigerter Entzündungsbereitschaft (Entzündungen erhöhen wiederum den nitrosativen Stress)

und in der Folge zu Störungen auf Multiorganebene. Im Einzelnen können folgende Organe oder Organsysteme von Symptomen betroffen sein:

  • Hirn / Nervensystem / Psyche mit u.a. chronischem Energiedefizit (leichte Erschöpfbarkeit, Verringerung konzentrativer mentaler und kognitiver Fähigkeiten, Ausdauerleistungen kaum möglich, lange Erholungszeiten), Kopfschmerz, Migräne, Nackenmyalgien, Schwindel, Schlafstörungen, Depressionen, unklaren Ängsten, erhöhter Empfindlichkeit gegen Lärm, Licht, Hektik, Zugluft, Übererregbarkeit, Reifungsstörungen des kindlichen Hirns
  • Sinnesorgane mit u.a. phasenweisen Sehstörungen, Schleier- und Verschwommensehen, Blend- und Lichtempfindlichkeit, Gesichtsfeldausfällen; nächtlichem Zuschwellen der Nase, Fließschnupfen; Tinnitus
  • Herz-Kreislauf-System mit u.a. niedrigem Blutdruck, Belastungsluftnot, Sympathikusattacken mit hohem Ruhepuls und Herzrhythmusstörungen (der Sympatikus ist der Teil des vegetativen Nervensystems, der den Körper in hohe Leistungsbereitschaft versetzt um ihn auf Angriff, Flucht oder andere außergewöhnliche Anstrengungen vorzubereiten; von griech. sympatheín für mitleiden)
  • Immunsystem mit u.a. erhöhter Temperatur nach Erschöpfung, wiederkehrenden oder chronischen Infekten, Histaminosen, Allergien, Autoimmunopathien
  • Hormonsystem mit u.a. Schilddrüsenfehlfunktionen und -erkrankungen
  • Verdauungsorgane mit u.a. Reizdarmsyndrom, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Kohlenhydratverwertungsstörungen, Fruktose-, Lactose und Glutenintoleranz, Unterzuckerungssyndromen, ständigem Hungergefühl, Diabetes
  • Harnorgane mit u.a. kälteempfindlicher Harnblase, häufigem Harndrang nachts und tagsüber
  • Haut mit u.a. Sonnenlichtüberempfindlichkeit, Trockenheit, Hauterkrankungen verschiedender Art
  • Bewegungsapparat mit u.a. Muskelschwächen, Gelenk- und Rückenschmerzen, Schulter-Arm-Syndrom, Karpaltunnelsyndrom, Polyarthritis, Arthrosen, Fibromyalgie
  • Gynäkologische Organe mit u.a. Menstruationsbeschwerden, Zysten, Endometriose, Myomen, Fruchtbarkeitsstörungen, Schwangerschaftskomplikationen, Mastopathie
  • Sonstige: u.a. Metabolisches Syndrom (Entwicklung über Jahre hinweg, auch bei zunächst hypotoner Blutdrucklage und Hypoglykämie); bei schweren Verlaufsformen dagegen teils rapider Gewichtsverlust; Hämsynthesestörungen wie Porphyrie und Kryptopyrrolurie; Empfindlichkeit auf Fremd- und Schadstoffe (MCS)

Ursachen

Hier werden sowohl Ursachen als auch Einflussfaktoren (die z.B. zu einer Verschlimmerung führen können) dargestellt.

Mitochondropathie als Erbkrankheit

Mitochondropathien wurden bisher ausschließlich als Erbkrankheiten angesehen. Die Erbsubstanz der Mitochondrien (mtDNA) wird mütterlicherseits vererbt, enthält jedoch nur den «Bauplan» für einen Teil der Eiweiße des Mitochondriums. Der «Bauplan» für den anderen Teil liegt in der Erbsubstanz der Zellkerne, den Chromosomen, die außerhalb der Mitochondrien gebildet werden. Einige Mutationen werden daher nur über die Mutter vererbt, andere nach den klassischen Mendelschen Erbgesetzen. Je nach Art der Mutation und Verteilung der veränderten Mitochondrien entstehen verschiedene Störungsbilder. Der Anteil des veränderten Erbgutes hat dabei einen Einfluss auf die Krankheitsausprägung und das Risiko der Weitervererbung.

Die erworbene Mitochondropathie – Kuklinskis erweiterter Ansatz

Kuklinski entwickelte einen erweiterten Begriff der Mitochondropathie und damit einen neuen Ansatz für mitochondriale Medizin. Im Vordergrund stehen dabei nicht genetische enzymatische Blockaden, sondern degenerative Prozesse erworbener Natur, die Kuklinski als akquirierte (erworbene) Mitochondropathie bezeichnet und als ernste Störung sieht, die «organübergreifend Leistungsdefizite auslöst und bei Nichtbeachtung zu massivsten Störungen der Gesundheit auf Multiorganebene führt». Kommt es dabei zu Schädigungen der Zellkern-DNS oder des mitochondrialen Genoms, kann die akquirierte Mitochondropathie nach den bekannten Regeln weitervererbt werden. Auslöser der degenerativen Prozesse ist nach Kuklinski nitrosativer Stress, der Strukturen und Genom von Mitochondrien und Zellen schädigt und die normale altersbedingte Zunahme der geschädigten Gen-Kopien beschleunigt. Mit der Chronizität des nitrosativen Stresses steigt das Risiko von irreversiblen Genschäden und Folgeerkrankungen. Als eine der Hauptursachen des nitrosativen Stresses sieht Kuklinski die instabile Halswirbelsäule als «häufigste, unerkannte Schädigung des Menschen», verursacht durch Halswirbelsäulen (HWS)-Traumen. Zu den gesicherten Mitochondropathien zählen nach Kuklinski u.a. Parkinson, Alzheimer, ALS, Fibromyalgie.

Diagnostik

Leitbefund der Mitchondropathien in der üblichen Diagnostik ist die Laktazidose (Milchsäureüberladung), der Nachweis erfolgt durch Bestimmung des Laktatwertes in Ruhe oder nach leichter Belastung. Weitere Untersuchungen sind:

  • Bestimmung der organischen Säuren im Urin und der Aminosäuren im Serum
  • Muskelbiopsie zur Diagnosesicherung
  • Untersuchungen zur Klärung von Organbeteiligungen
  • Nachweis des Gendefektes in den Blutzellen

Die Diagnostik Kuklinskis richtet sich nach der Symptomatik und berücksichtigt die zentralen Aussagen seines Forschungsansatzes. Da er davon ausgeht, dass Mitochondropathien mit chronischem nitrosativen Stress verbunden sind, bezieht sie neben Labormarkern der mitochondrialen Energiegewinnung entsprechende Untersuchungen ein. Sofern der Verdacht auf eine instabile Halswirbelsäule besteht, die nach Kuklinski immer nitrosativen Stresses auslöst, wird auch hier eine geeignete Diagnostik empfohlen.

Therapie

Die Mitochondropathie gilt bisher allgemein als nicht heilbar. Zur Verbesserung der Zellatmung und Vermeidung einer weiteren Schädigung der Mitochondrien werden folgende Maßnahmen empfohlen:

  • Anpassung der Ernährung, ausreichende Zufuhr von Energie (Fette nur, sofern Fettsäure-Oxidationsdefekte ausgeschlossen sind), Flüssigkeit und Mineralien
  • Vermeidung von Fasten und starken körperlichen Belastungen
  • Leichtes körperliches Training
  • Puffersubstanzen bei akuter Milchsäureüberladung
  • Eventuell Einnahme für die Zellatmung nötiger Substanzen (Coenzym Q10, Biotin, Thiamin, Kreatin), obwohl eine Wirkung als bisher nicht bewiesen gilt

Das Therapiekonzept Kuklinskis besteht in einer individuell angepassten integrativen und organübergreifenden Komplextherapie. Neben der Verbesserung der mitochondrialen Energiegewinnung ist eine Reduzierung des nitrosativen Stresses Bestandteil seines Konzeptes, sowie bestimmte therapeutische Maßnahmen bei Vorliegen einer instabilen Halswirbelsäule. Ursachenbeseitigung ist dabei nicht nur oberstes Ziel, sondern nach Kuklinski auch teilweise erreichbar. Weitere Ziele sind die Behandlung bereits entstandener und Vorbeugung weiterer Schäden.

Quellen

  1. Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM): Wissenswertes über Mitochondriale Myopathien (verwendete Version nicht mehr online erhältlich, neue Version hier)
  2. KFS – Privat-Institut für präventive & regenerative Medizin: Mitochondriale Medizin (Archiv-Link vom Mai 2009)
  3. Kuklinski, Doz. Dr. sc. med. Bodo: Das HWS-Trauma – Ursachen, Diagnose und Therapie, Aurum-Verlag Bielefeld (2006)
  4. Kuklinski, Doz. Dr. sc. med. Bodo: Das Hals-Wirbel-Säulen-Trauma – Ursachen, Diagnose und Therapie, Vortrags-Mitschnitt von 12/2006 (Audiodatei nicht mehr online verfügbar, nur noch eine Inhaltsangabe)
  5. Kuklinski, Doz. Dr. sc. med. Bodo: Internistische Auswirkungen der HWS-Instabilität – für alle Therapeuten, die mit Ihren Händen die Gesundheit des Menschen fördern, Vortrags-Skript (Archiv-Link vom November 2009)
  6. Kuklinski, Doz. Dr. sc. med. Bodo: Kryptopyrrolurie, nitrosativer Stress und Mitochondropathie – Übersicht über neuere Erkenntnisse hinsichtlich der KPU (Archiv-Link vom Januar 2007)
  7. Kuklinski, Doz. Dr. sc. med. Bodo: Migräne – eine Mitochondropathie mit neuen Therapieansätzen (Archiv-Link vom Oktober 2009)
  8. Kuklinski, Doz. Dr. sc. med. Bodo: Praxisrelevanz des nitrosativen Stresses (pdf-Datei)
  9. Thome, Konrad: Nährstoffe zum Überleben, Optimal-Verlag, 2006
  10. Wikipedia MitochodriopathieMitochondrienAdenosintriphosphat (ATP)Biosynthese

Siehe auch

Relevante Wiki-Artikel

Relevante Foren-Beiträge

Literatur

  • Kuklinski, Doz. Dr. sc. med. Bodo: Das HWS-Trauma – Ursachen, Diagnose und Therapie, Aurum-Verlag Bielefeld (2006)
  • Kuklinski, Doz. Dr. sc. med. Bodo und Dr. Anja Schemionek: Schwachstelle Genick – Ursachen, Auswirkungen und erfolgreiche Therapie, Aurum-Verl. Bielefeld (2006)

Weblinks

Autor: Kate, letzte Aktualisierung (Links): 07.2023

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