Winter

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Spuren im Schnee


Siehst du nicht die feinen Spuren heimlich still und über Nacht hier in den verschneiten Fluren wer hat sie wohl dort gemacht?

Wie ein Muster anzuschauen, kleine Tritte tief im Schnee ziehen sich durch Feld und Auen, war´s ein Häslein oder Reh?

Und da drüben dicht am Walde zeigt sich eine zarte Spur bei der glitzernd weißen Halde, Pfötchen eines Eichhorns nur….

Andre Spuren wird man finden später dann im Tageslauf, die von frohen Kindern künden auf dem Schulhof gar zuhauf.

Plötzlich kommt aus einer Ecke unverhofft und ganz geschwind wie aus heimlichen Verstecke mit Gebrause dann der Wind.

Und zerblähst im wilden Tanze all die Spuren dort, oh weh!

Ausgelöscht ist nun das Ganze und zurück bleibt Schnee- nur Schnee!


Sabine Kauffmann- Villow
 

Durs Grünbein:
Novembertage I. 1989
300px-Berlin-wall-dancing.jpg

(1999)

An diesem Abend brach ein Stottern die Gesetze,
Ein Lesefehler hob die heiligen Verbote auf.
So nüchtern wie die Meldung in die Welt ging
Vor Mikrofon und Kamera, war jener Spuk vorbei,
Den sie verordnet hatten. Erstmals sah man
Die kommunistischen Auguren zögernd lächeln
Wie Spieler, die verlieren, und jetzt wissen sie,
Was sie, gewiegt in Sicherheit, vergessen hatten.
Mit einer letzten Drohung, einer Atempause,
Erklärten Greise meine Geiselnahme für beendet.
In dieser Nacht, als man die Schleusen aufzog,
Ergoss ein Menschenstrom sich in den hellen Teil
Der Stadt, die eine Festung war seit dreißig Jahren,
Geschleift von einem falschen Wort im Protokoll.
Bevor die Eisentore widerriefen, hob die Menge
Den Bann auf, der hier alle Muskeln lähmte.
Mit offnem Mund am Straßenrand ein Offizier
Stand wie verrenkt, weil kein Befehl mehr lenkte,
Das Machtwort ausblieb wie seit Jahren nie.
Als gegen Morgen auf den Boulevards im Westen,
Nach Feuerwerk und Kreisverkehr und Tränen,
Das Freibier ausging, war das Glück vollkommen.
Bei einer Kreuzung stand verlassen, abgebrannt
Bis zu den Rädern, ein Trabant, und die Besitzer images.google.de/images?q=tbn:kaR7tY1JhVDhCM:http:
Hatten den Autoschlüssel an den Baum gehängt.
Von ihren Kindern angetrieben, ganze Clans
Zogen durchs Zentrum, orientierungslos und still.
Die Ersten schliefen schon, sie lagen eingerollt
Vorm Kaufhaus selig unter den Vitrinen,
Auf teurem Pflaster träumend freien Grund.

(In: Grünbein, Durs: Nach den Satiren. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999)


https://www.engeler.de/gruenbein.html
 
Schneeglöckchen

Schneeglöckchen,ei, du bist schon da?
Ist denn der frühling schon so nah?
Wer lockte dich hervor ans Licht?
Trau doch dem Sonnenscheine nicht!
Wohl gut er´s eben heute meint,
wer weiß, ob er dir morgen scheint?

Ich warte nicht, bis alles grün;
Wenn meine Zeit ist, muss ich blühn.
Der mich erschuf für diese Welt
Heißt blühn mich, wann es ihm gefällt;
Er denkt bei Schnee und Kälte mein,
wird stets mein lieber Vater sein.

August H.H. v. Fallersleben
 
Das passt gut, Carlina. Bei mir im Garten sind es nicht die Schneeglöckchen sondern die Primel, die meinen sie müssten jetzt blühen...
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Landregen

Auf der Erde
steht eine hohe, gewaltige,
tausendsaitige Regenharfe.
Und Phanta
greift mit beiden
Händen hinein
und singt dazu -:
Monoton,
wie ein Indianerweib,
immer dasselbe.
Die Lider werden mir
schwer und schwerer.
Nach langem Halbschlaf
erwach ich wieder, -
reibe verstört mir
die trägen Augen -:
auf der Erde
steht eine hohe, gewaltige,
tausendsaitige Regenharfe.


Christian Morgenstern
 
Hallo,

ich habe wieder mal ein Gedicht von Julie Schrader gefunden und kann einfach nicht wiederstehen, es zu posten::D

Weihnachten: Der Schnee

von Julie Schrader (dem "Welfischen Schwan")

Der Schnee fällt auf die Türme,
Fällt auf die Dächer gar.
Welch´ märchenhafte Stürme,
Wie ist das wunderbar1

Er fällt Dir auf das Haupte
Und krönt Dich hehr und licht.
Du bist die vollgestaubte
Und kennst Dich selber nicht.

Bald hängt am Ohr Dir Eise,
Die Nase tröpfelt schlimm.
Du hörst der Eng´lein Weise:
Klimbim! Klimbim! Klimbim!

Du siehst nicht mehr die Orte,
Die sonst im Schmutz erstarrt.
Wie Sahne auf der Torte
Liegt unser Schnee. Apart!

Der Erde wildem Fluche
Hat die Natur gebeut.
Mit ihrem Tafeltuche
Hat Dunkles sie zerstreut.

Ja, lieber Schnee, Du milder,
Du änderst uns´re Welt.
Ich hab´ mir tausend Bilder
Von Deinem Fall bestellt.

 
Während Du Schnee-Gedichte bringst, nehme ich ein Antihistamin, Leòn. Verkehrte Welt...



Hugo Ball (1886-1927)

Abschied

Sag mir, dass du dich im Föhnwind sehnst
Und dass du trauern würdest,
Wenn ich ginge.
Sag mir, dass diese Tage schön sind
Und dass du weinen wirst,
Wenn ich nicht singe.

Sag mir, dass du dem Leben gut bist.
Sag meiner Stimme,
Dass sie nie verwehe...
Und dass du heiter und voll frohen Mut bist,
Auch wenn ich lange Zeit
Dich nicht mehr sehe.

Sag mir, dass ich ein töricht Kind bin,
Und streichle mich, wie eine junge Meise.
Sag mir, dass ich zu dir zurückfind,
Auch wenn die Nächte dunkel sind,
Durch die ich reise.
 
Ein Liebesgedicht...

Das Liebesbrief-Ei

Ein Huhn verspürte grosse Lust
unter den Federn in der Brust,
aus Liebe dem Freund, einem Hahn zu schreiben,
er solle nicht länger in Düsseldorf bleiben.
Er solle doch lieber hier - zu ihr eilen
und mit ihr die einsame Stange teilen,
auf der sie schlief.
Das stand in dem Brief.

Wir müssen noch sagen: Es fehlte ihr an gar nichts.
Ausser an Briefpapier.
Da schrieb sie ganz einfach und deutlich mit Blei
den Liebesbrief auf ein Hühnerei.
Jetzt noch mit einer Marke bekleben
und dann auf dem Postamt abgeben.

Da knallte der Postmann den Stempel aufs Ei.
Da war sie vorbei,
die Liebelei.

(Janosch)
 
Der Berliner Weihnachtsmarkt
Gottfried Keller

Welch lustiger Wald um das graue Schloss
Hat sich zusammengefunden,
Ein grünes bewegliches Nadelgehölz,
Von keiner Wurzel gebunden!

Anstatt der warmen Sonne scheint
Das Rauschgold durch die Wipfel;
Hier backt man Kuchen, dort brät man Wurst,
Das Räuchlein zieht um die Gipfel.

Es ist ein fröhliches Leben im Wald,
Das Volk erfüllt die Räume;
Die nie mit Tränen ein Reis gepflanzt,
die fällen am frohsten die Bäume.

Der eine kauft ein bescheiden Gewächse
Zu überreichen Geschenken,
Der andre einen gewaltigen Strauch,
Drei Nüsse daran zu henken.

Dort feilscht um ein verkrüppeltes Reis
Ein Weib mit scharfen Waffen:
Der dünne Silberling soll zu gleich
Den Baum und die Früchte verschaffen!
Mit glühender Nase schleppt der Lakai
Die schwere Tanne von hinnen,
Das Zöfchen trägt ein Leiterchen nach,
Zu ersteigen die grünen Zinnen.
Und kommt die Nacht, so singt der Wald
Und wiegt sich im Gaslichtscheine;
Bang führt die arme Mutter ihr Kind
Vorüber dem Zauberhaine.

Einst sah ich einen Weihnachtsbaum:
Im düstern Bergesbanne
Stand eisbezuckert auf dem Granit
Die alte Wettertanne.
Und zwischen den Ästen waren schön
Die Sterne aufgegangen,
Am untersten Ast sah ich entsetzt
Die alte Schmidtin hangen.

Hell schien der Mond ihr ins Gesicht,
Das festlich still verkläret;
Weil sie auf der Welt sonst nichts besaß,
Hatte sie sich selbst bescheret.

 
Die Schäferin.
schaf11.5jj.gif

Von Johann Peter Eckermann

An einem schönen Sommertag
Kam ich weit und breit
Daher über blühende Heide.
Ein Mädchen am Busch im Schatten lag,
Ein Hündchen zur Seit ,
Daß ihre Schafe sie weide,
Ja weide.
Ich sprach zu ihr: O Mädchen sprich!
Es steht wohl weit,
Dein Haus in der blühenden Heide?
Sie sprach zu mit: Was kümmert's dich!
Wohl weit und breit
Gehn meine Schafe zur Weide,
Ja Weide.

Ich lacht' und streckte mich allgemach
An ihre Seit'
Im Schatten auf sonniger Heide.
Das schöne Mädchen lacht' und sprach:
Sei doch gescheit!
Glaubst du, daß ich das leide?
Ja leide.

Mit meinem Arm ich sie umschlang,
Fast ward mir bang
Im Schatten an ihrer Seite.
Das schöne Mädchen lacht' und sang
Ein Lied, das klang
Weithin über blühende Heide,
Ja Heide.

Und als ich ging, wie zog zurück,
So Herz als Blick,
Zu ihr auf der blühenden Heide! –
Ich ging und betete: Holdes Glück,
O, hold Geschick,
Vereinige bald uns beide!
Ja beide.

 
Vorweihnachtszeit

Wenn vom Baum die Blätter fallen,
und der Herbstwind fegt durchs Land,
füll’ n sich langsam die Regale,
Weihnachtsduft erfüllt das Land.

Wo ich hinseh’ Weihnachtsmänner,
Spekulatius, Marzipan,
kann’ s schon langsam nicht mehr sehen,
warum tun sie uns das an?

Nicht mehr lang, ihr werdet’ s sehen,
steht der Hase unterm Baum,
hängt die Eier an die Nadeln,
schlimmer werden kann’ s ja kaum.

(Heinz Bornemann)
 
Tannengeflüster

Wenn die ersten Fröste knistern,
In dem Wald bei Bayrisch-Moos;
Geht ein Wispern und ein Flüstern
In den Tannenbäumen los,
Ein Gekicher und Gesumm
Ringsherum.

Eine Tanne lernt Gedichte,
Eine Lärche hört Ihr zu.
Eine dicke, alte Fichte
Sagt verdrießlich: "Gebt doch Ruh!
Kerzenlicht und Weihnachtszeit
Sind noch weit!"

Vierundzwanzig lange Tage
Wird gekräuselt und gestutzt
Und das Wäldchen ohne Frage
Wunderschön herausgeputzt.
Wer noch fragt: "Wieso? Warum?"
Der ist dumm.

Was das Flüstern hier bedeutet,
Weiß man selbst im Spatzennest:
Jeder Tannenbaum bereitet
Sich nun vor aufs Weihnachtsfest,
Denn ein Weihnachtsbaum zu sein:
Das ist fein!

(James Krüss)
 
Der Winter

Der zarte Schnee kitzelt sie fröhlich
an ihren kalten, nackten Füssen.

Eine süsse Schneeflocke wirbelt um sie herum
und setzt sich auf ihre erstarrten Augen.

Ein wärmender Sonnenstrahl blitzt auf
dringt aber nicht bis zu ihrem gebrochenen Herzen

Der zugefrorene See spiegelt sich
in einer Träne,
die sanft über ihre Wange rollt.

Eisiger Wind spielt mit ihrem Haar,
lässt es in alle Richtungen flattern,
macht es lebendig.

Doch sie steht starr am See,
die Augen stets in die gleiche Richtung,
sie rührt sich nicht. Nie wieder.

Bis der Frühling kommt


selbstgeschrieben - Durch euren GedichteThread über den Winter dazu angeregt worden =)
 
: Das Jahr wird alt. Hat dünne Haar.
: Ist gar nicht sehr gesund.
: Kennt seinen letzten Tag, das Jahr.
: Kennt gar die letzte Stund.

: Ist viel geschehn. Ward viel versäumt.
: Ruht beides unterm Schnee.
: Weiss liegt die Welt, wie hingeträumt.
: Und Wehmut tut halt weh.

: Noch wächst der Mond. Noch schmilzt er hin.
: Nichts bleibt. Und nichts vergeht.
: Ist alles Wahn. Hat alles Sinn.
: Nützt nichts, dass man's versteht.

: Und wieder stapft der Nikolaus
: durch jeden Kindertraum.
: Und wieder blüht in jedem Haus
: der goldengrüne Baum.

: Warst auch ein Kind. Hast selbst gefühlt,
: wie hold Christbäume blühn.
: Hast nun den Weihnachtsmann gespielt
: und glaubst nicht mehr an ihn.

: Bald trifft das Jahr der zwölfte Schlag.
: Dann dröhnt das Erz und spricht: "Das Jahr kennt seinen letzten Tag,
: und du kennst deinen nicht."



Aus dem Zyklus "Die dreizehn Monate" von Erich Kästner
 
Advent

von Mascha Kaleko

Der Frost haucht zarte Häkelspitzen
Perlmuttergrau ans Scheibenglas.
Da blühn bis an die Fensterritzen
Eisblumen, Sterne, Farn und Gras.
www.fractality.com/950404/frost.JPG
Kristalle schaukeln von den Bäumen,
Die letzen Vögel sind entflohn.
Leis fällt der Schnee ... In unsern Träumen
Weihnachtet es seit gestern schon.

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Fridolin Wasserburg:

Der erste Schnee

Vater, Mutter, Kind und Flunder
Schauen still des Winters Wunder.

Was der Flunder sehr mißfällt,
Daß der Schnee kein Salz enthält.

Unsre Flunder freut sich heut,
Denn ab heut wird Salz gestreut.
 
Leòn, das Gedicht von Mascha Kaleko hielt ich zufällig am Samstag in einem Buchladen in meinen Händen und es hat mir sehr gefallen. Ebenso zufällig entdeckte ich heute folgendes Gedicht, das vor etlichen Jahren an einem fünften Dezembertag aufgeschrieben wurde:

Dezember

Seit Tagen spar ich die Mitteilung auf,
Für den, der es wert wär: noch blüht eine Rose.
Schon fünfter Dezember. Zu flüchtig, zu lose
Ist die Bindung an jene, an die ich geschrieben.
Ich brauchte einen, um ihn zu lieben,
Damit ich entsiegle das magische Wort:
Schon Winter und schneit und die Rose blüht fort.

(natürlich von Eva Strittmatter :) )

Es blühen auch heute noch Rosen. Habt ihr sie gesehen?
 
Rosen, Ginster, Primel. Eigentlich würde ich mich nicht wundern,wenn die ersten Schneeglöckchen herausschauen würden...

Gruss,
Uta
 
In Weihnachtszeiten

In Weihnachtszeiten reis' ich gern
Und bin dem Kinderjubel fern
Und geh' in Wald und Schnee allein.
Und manchmal, doch nicht jedes Jahr,
Trifft meine gute Stunde ein,
Daß ich von allem, was da war,
Auf einen Augenblick gesunde
Und irgendwo im Wald für eine Stunde
Der Kindheit Duft erfühle tief im Sinn
Und wieder Knabe bin...

(Hermann Hesse)

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