Welche Art von Therapie bei Hypochondrie/Angst?
Guten Morgen, Sylvi,
wenn man eine Nacht schläft, sehen die Dinge oft anders aus.
"Ich neige schnell zu Suizidhandlungen", schreibst Du. Das ist höchste Alarmstufe. Hast Du schon Suizidversuche gemacht? Mit welchen Mitteln? (Du mußt solche Fragen nicht beantworten, klar.) Wenn Du das Gefühl hast, Deine Impulse nicht verläßlich kontrollieren zu können, brauchst Du Menschen, die Dich Tag und Nacht umsorgen. Das wird vermutlich nur in einer stationären Einrichtungen möglich sein. Man muß wissen, daß die Suizidgefahr im Durchschnitt (!) am höchsten ist während des Beginns der Besserung: da hat der Patient schon mehr Energie aber seine Welt ist noch total schwarz. Das oberste Ziel muß sein, Dein kostbares Leben zu erhalten.
War mein Fehler - ich hab mich von der Klarheit und Lockerheit Deines Schreibstils irreführen lassen. Sehr laienhaft.
Dann: Man müßte schon auch genau wissen, wie der Anfang Deiner Erkrankung aussah, welche Umstände, Einwirkungen ihr vorausgingen, und welche begleitenden Störungen es gab. Einmal ist das ein großes schulmedizinisches Programm: z.B. innere Sekretion (Schilddrüse, Neurotransmitter, Sexualhormone u.v.a.). Dann aber auch Dinge, an die die Schulmedizin "nicht glaubt": z.B. Amalgamvergiftung (wieviele Füllungen hast / hattest Du in Deinen Zähnen?), Elektromagnetische Felder (wieviele Schnurloslefefone, WLANs, Handys in Deiner Wohnung und in den Wohnungen Deiner Nachbarn in den vier Himmelsrichtungen + oben und unten?). Wohngifte (bist Du evtl. umgezogen?), Ernährung, evtl. Drogen? Und noch einiges andere. Das ist alles behandelbar, aber nicht alles durch die Schulmediziner und nicht von heut auf morgen.
Auch mit den schönen Orthomolekularen Mitteln, von denen ich einige erwähnte, ist große Vorsicht geboten. Was nimmst Du gegenwärtig an Medikamenten ein? Antidepressiva darf man z.B. nicht kombinieren mit Tryptophan, SAM, nicht einmal mit Johanneskraut (Gefahr eines sog. Serotonin-Syndroms, was gefährlich und sehr unangenehm ist). Weiterhin muß man sehr vorsichtig sein beim Wechseln von einem Medikament zu einem anderen; bei manchen mußt ein Abstand bis zu 2 Wochen eingehalten werden. Das steht zwar auf den Beipackzetteln, aber das steht so vieles . . . Also nicht improvisieren, nicht eigenmächtig probieren!
Du fragtest nach Opipramol. Das ist ein sog. reversibler MAO- (=Mono-Amino-Oxydase-) Hemmer, der m.W. vielen gut hilft, relativ wenig Nebenwirkungen hat, aber leider im Lauf der Zeit Dosiserhöhungen braucht. Tut der Dir gut? - Venlafaxin (danach fragtest Du auch): davon weiß ich nichts. Es steht in dr Roten Liste unter "Andere Antidepressiva", ist also kein trizyklisches AD, kein MAO-Hemmer. Die Liste der NW ist lang; u.a.: "Fälle von suizidalen Gedanken oder suizidalem Verhalten während der Therapie oder kurze Zeit nach Beendigung der Behandlung." (Vielleicht ist das für Dich nicht das Beste.) Auch hier strikte Regeln über Zeitabstände zu andren AD.
Die Schul-Psychiatrie ist nicht zu verachten. Antidepressiva haben z.T. heftige Nebenwirkungen aber manche Ärzte beherrschen die Kunst, dasjenige herauszufinden, das für die betreffende Patientin am besten geeignet ist. Antidepressiva allein haben in der Regel wenig Wirkungen über das Absetzen hinaus - aber sie schenken dem Patienten für eine Zeit Linderung der Symptome, so daß er mit psychologischen Therapien überhaupt arbeiten kann. (Die Wirkungen medikamentöser und psychologischer Therapie, so heißt es, "potenzieren" einander, d.h. sie sind mehr als nur additiv.)
Zugleich bräuchtest Du m.E. einen Arzt oder Heilpraktiker, der Orthomolekurare Medizin wirklich versteht. Häufig sind das z.B. Klinghardt-SchülerInnen (
www.ink.ag; dort auch eine Therapeutenliste). Wo lebst Du denn? Denn bei Dir brräuchte es wohl besondere Vorsicht, etwa, wenn es um die Entfernung / Ausleitung von Amalgam ginge. (Anderes - z.B. Entsorgung aller Deiner Strahlenschleudern und Abschirmung der benachbarten - kann ruhig abrupt geschehen.)
Was Dir - vermute ich - gut tun könnte, wäre ein Multi-Präparat, um die Speicher der Vitamine und Spurenelemente aufzufüllen. Lieber nichts aus dem Kaufhaus, eher z.B. "Basic Nutrients IV". Höher dosiert (aber einschleichend) vielleicht Vit. D und B12 (da ist fast jeder im Mangel) und Omega-3 (Krill-Öl).
Ich hatte Meditation erwähnt. Jetzt kommen mir leichte Zweifel, ob das für Dich im Moment geeignet ist. Man kann nämlich die Technik auch dazu verwenden, gewissermaßen in sich selbst zu versinken, einen Zustand von Leere, eine Art "Pseudonirvana" herzustellen. Die Idee ist aber das Zulassen alles Lebendigen von außen und innen, wach, gelassen und ohne zu manipulieren. Eben gerade nicht Leere. Das kann man so von der Ferne nicht entscheiden.
Ein einfaches Mittel, das ich gestern vergaß, ist tägliche, intensive Bewegung (im Rahmen Deiner Möglichkeiten). Z.B. Laufen, Gehen oder Radfahren, so daß Du Dich eben noch gleichzeitig unterhalten kannst. Das wirkt auf mehrere Weisen antidepressiv.
Zu Deiner Hochzeit. Verzeih bitte, wenn ich Dir indiskrete Fragen stelle. Ich kenne halt Menschen, die aus sehr achtenswerten, vernünftigen, respektablen Gründen ihre Heirat planen - aber ohne wirkliche Liebe ausgerechnet zu DIESEM speziellen Partner. Und die vorher krank werden: da könnte es sein, daß der Organismus (der body-mind-spirit, wie die Amis sagen) streikt. Er will nicht. Brauchst nicht zu antworten - aber, wenn Du magst, prüf das für Dich! (Und: welche Haltung nimmt denn Dein Gefährte Dir als Erkrankter gegenüber ein?)
Vielleicht spielt auch die zeitliche Planung eine Rolle? Mag sein, daß mein Denken beschränkt ist: Aber würde man nicht zuerst sein "Haus" fertig bauen und nicht schon schon in den Rohbau einziehen, wo's noch reinregnet und der Wind durchpfeift (d.h. zuerst halbwegs gesund werden)? Freilich, es gibt auch den heroischen Trotz der Großen Liebe, die sich durch so periphere Sachverhalte nicht stören läßt.
Ich wünsche Dir, daß Du Deiner Ärztin gegenüber völlig offen sein kannst. Auf keinen Fall würde ich ihr Suizidgedanken und -versuche verschweigen. (Aber die braucht auch Dein Verständnis: Vieles Wichtige hat sie an der Uni nicht gelernt. Und sie ist eingeschränkt durch allerlei von der Pharmaindustrie mitbestimmte "Leitlinien", durch Einschränkungen der Krankenkassen usw.)
(Und wieder mein Disclaimer: Ich hab Dir keine Ratschläge gegeben. Könnte das gar nicht. Bin nicht HP oder Arzt.)
Trotz allem (ich mein das gar nicht ironisch): Dir eine irgendwie doch glückliche Zeit Deiner Verlobung.
Laß bitte was hören, ja?
Alles Liebe,
Windpferd