Wenn ich dich richtig einschätze, bist du ein grosser Kämpfer.
Vielleicht sollst du jetzt nicht mehr dagegen kämpfen, sondern mit der Krankheit leben und für bestmögliche Erhaltung der Lebensqualität schauen?
Nein, liebe Pita, ich bin kein Kämpfer, schon gar kein grosser.
Ich fliehe vor dem Krebs, vor allem vor der grimmigen Schlussphase,
die Ramona so eindrücklich dokumentiert hatte.
Ich schau mir an, wer mir was auf dieser Flucht zu bieten hat. Wer mir
die grösste Distanz zum Ende schaffen kann, bekommt den Zuschlag.
Da hat die palliative Chemotherapie über Jahre den Kürzeren gezogen,
und nun, wo sie das letzte verbleibende Angebot zu sein scheint, geht
das nicht mehr. Der Weg zum bitteren Ende ist also vorgezeichnet,
und wenn es dann zu schrecklich werden sollte, werde ich erneut die
Flucht ergreifen: EXIT wird der Fluchthelfer sein, vielleicht. Ich weiss ja
nicht, wie sehr man selbst im heftigsten Schmerz noch am Leben hänge.
Du empfiehlst mir, nicht mehr "dagegen kämpfen", sondern "mit der
Krankheit leben". Aber das tu ich ja seit siebeneinhalb Jahren, seit
jenem Tag, als der Urologe nach der Prostataoperation den histologischen
Bericht brachte. Statt der damals erhofften Heilung stand da das
(aufgeschobene) Todesurteil drin:
Höchste Aggressivitätsstufe (Gleasongrad 5), Metastasen, also unheilbar.
Seither ist jede Therapie palliativ. Immerhin äusserst erfolgreich,
denn die Statistik gab mir damals grad mal zwei Jahre. Neue Therapien,
innovative Medikamente, die neu auf den Markt kamen und die ich von
der Kasse erstreiten musste, oder die ich in Form von frühen Studien
angeboten bekam und diese Nukleartherapie, die damals in Heidelberg
erste Gehversuche machte. Und gezielte Bestrahlung mit modernsten
Maschinen präzis dorthin, wo Schmerz und Gefässverschluss drohte.
Was bleibt? Schmerztherapie? Naja, erst mal abwarten. Noch sind es
'nur' die steigenden Werte und das PET-Bild, die vom Wiederaufflammen
der Krankheit zeugen, und ja, ein kleines Zerren im Femurschaft kündigt
auch Kommendes an. Das wird wohl noch einmal bestrahlt.
Mal sehen, wie lange meine Flucht noch dauert ...
Puistola