Sommer

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Das war für mich das Stichwort, Uta. Da haben wir den Sommer - Thread!

ok, dann gehen wir jetzt in den Sommer



Löwenzahn ist schon seit jeher
als höchst kriegerisch verschrien,
denn er lässt bei gutem Winde
Fallschirmtruppen feindwärts ziehn.
Und ich sitz auf der Veranda
und verzehre meine Suppe
und entdecke in der selben
Versprengte dieser Truppe.

Heinz Erhardt

https://www.bepepa.de/berni/Sommersti...rstimmung.html

(mit sehr schönen Fotos übrigens)


Löwenzahn

von Josef Weinheber

Keine Vase will dich. Keine
Liebe wird durch dich erhellt.
Aber deines Samens reine
Weiße Kugel träumt wie eine
Wolke, wie der Keim der Welt.

Lächle! Fühl dich gut gedeutet!
Blüh! So wird aus Schweigen Huld.
Bittre Milch und Flaum, der gleitet:
O, nicht Haß - den Himmel weitet
Weisheit, Stillesein. Geduld.

Wärst du auf der Höh geboren,
Ferne, selten, früh empor:
Teilnahmslosem Gang der Horen
Blühtest ruhmvoll, unverloren
Groß, dein Wunder vor.
 
George Gershwin


Summertime,
And the livin' is easy
Fish are jumpin'
And the cotton is high

Your daddy's rich
And your mamma's good lookin'
So hush little baby
Don't you cry

One of these mornings
You're going to rise up singing
Then you'll spread your wings
And you'll take to the sky

But till that morning
There's a'nothing can harm you
With daddy and mamma standing by

Summertime,
And the livin' is easy
Fish are jumpin'
And the cotton is high

Your daddy's rich
And your mamma's good lookin'
So hush little baby
Don't you cry
 
Endlich ist es Sommer. Die ersten schönen Tage sind nun vorbei. Nun kommt schon wieder das Gejammere wegen der "Hitze".

Ich kann dazu nur sagen, zum Glück gibt es das Wetter sonst wüssten 90% der Menschen nicht worüber sie nun jammern sollen.

Gruss

Whitney
 
Wie geht noch dieser Song aus "Kiss me Kate"? Ich habe ihn online nicht
large-smiley-054.gif
gefunden. Das war ungefähr wie:


Ich ging gern aus heute Nacht mit der Braut,
es ist aus, heute Nacht mit der Braut:
Es ist viel zu heiß,
es ist viel zu heiß,

Mr. Kisey, der als Sexspezialist,
theoretisch sehr viel weiß,
hat festgestellt, wenn es abgekühlt ist
sind Männer besonders heiß .... .

Es ist viel zu heiß,
es ist viel zu heiß ... .
usw.
 
Klingt im Wind ein Wiegenlied,
Sonne warm hernierdersieht;
Seine Ähren senkt das Korn;
Rote Beere schwillt am Dorn;
Schwer von Regen ist die Flur -
Junge Frau, was sinnst du nur?


Theodor Storm, 1817-1888
 
Detlev von Liliencron

Einen Sommer lang


Zwischen Roggenfeld und Hecken
Führt ein schmaler Gang,
Süßes, seliges Verstecken
Einen Sommer lang.

Wenn wir uns von ferne sehen
Zögert sie den Schritt,
Rupft ein Hälmchen sich im Gehen,
Nimmt ein Blättchen mit.

Hat mit Ähren sich das Mieder
Unschuldig geschmückt,
Sich den Hut verlegen nieder
In die Stirn gerückt.

Finster kommt sie langsam näher,
Färbt sich rot wie Mohn,
Doch ich bin ein feiner Späher,
Kenn die Schelmin schon.

Noch ein Blick in Weg und Weite,
Ruhig liegt die Welt,
Und es hat an ihre Seite
Mich der Sturm gesellt.

Zwischen Roggenfeld und Hecken
Führt ein schmaler Gang,
süßes, seliges Verstecken
Einen Sommer lang.


Detlev von Liliencron 1844-1909
 
Und hier noch eines vom alten Geheimrat:

Sommer

(aus dem Maskenzug, 1810)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 bis 1832)


Der Sommer folgt. Es wachsen Tag und Hitze,
und von den Auen dränget uns die Glut;
doch dort am Wasserfall, am Felsensitze
erquickt ein Trunk, erfrischt ein Wort das Blut.
Der Donner rollt, schon kreuzen sich die Blitze,
die Höhle wölbt sich auf zur sichern Hut,
dem Tosen nach kracht schnell ein knatternd Schmettern;
doch Liebe lächelt unter Sturm und Wettern.
 
Noch einmal Liliencron (den ich eigentlich bisher gar nicht kannte):

Am Strande
(Aus "Gedichte", 1889)
Der lange Junitag war heiß gewesen.
Ich saß im Garten einer Fischerhütte,
Wo schlicht auf Beeten, zierlich eingerahmt
Von Muscheln, Buchs und glatten Kieselsteinen,
Der Goldlack blüht, und Tulpen, Mohn und Rosen
In bäurisch buntem Durcheinander prunken.
Es war die Nacht schon im Begriff dem Tage
Die Riegel vorzuschieben; stiller ward
Im Umkreis alles; Schwalben jagten sich
In hoher Luft; und aus der Nähe schlug
Ans Ohr das Rollen auf der Kegelbahn.
Im Gutenacht der Sonne blinkerten
Die Scheiben kleiner Häuser auf der Insel,
Die jenseit lag, wie blanke Messingplatten.
Den Strom hinab glitt feierlich und stumm,
Gleich einer Königin, voll hoher Würde,
Ein Riesenschiff, auf dessen Vorderdeck
Die Menschen Kopf an Kopf versammelt stehn.
Sie alle winken ihre letzten Grüße
Den letzten Streifen ihrer Heimat zu.
In manchen Bart mag nun die Mannesträne,
So selten sonst, unaufgehalten tropfen.
In manches Herz, das längst im Sturz und Stoß
Der Lebenswellen hart und starr geworden,
Klingt einmal noch ein altes Kinderlied.
Doch vorwärts, vorwärts ins gelobte Land!
Die Pflicht befiehlt zu leben und zu kämpfen,
Befiehlt dem einen, für sein Weib zu sorgen,
Und für sich selbst dem andern. Jeder so
Hat seiner Ketten schwere Last zu tragen,
Die, allzuschwer, ihn in die Tiefe zieht.
Geboren werden, leiden dann und sterben,
Es zeigt das Leben doch nur scharfe Scherben.
Vielleicht? Vielleicht auch jetzt gelingt es nicht,
Auf fremdem Erdenraum, mit letzter Kraft,
Ein oft geträumtes, großes Glück zu finden.
Das Glück heißt Gold, und Gold heißt ruhig leben:
Vom sichern Sitze des Amphitheaters
In die Arena lächelnd niederschaun,
Wo, dichtgeschart, der Mob zerrissen wird
Vom Tigertier der Armut und der Schulden...
Das Schiff ist längst getaucht in tiefe Dunkel.
Bleischwere Stille gräbt sich in den Strom,
Indessen auf der Kegelbahn im Dorf
Beim Schein der Lampe noch die Gäste zechen.
In gleichen Zwischenräumen bellt ein Hund,
Und eine Wiege knarrt im Nachbarhause.



 
Hallo Uta,
obwohl er, sowohl was Lyrik als auch Prosa betrifft, sehr produktiv war, und bestimmt überregionale Wirkung hatte, ist v. Liliencron vielleicht doch eher in Norddeutschland bekannt. Ich musste als Kind noch irgendetwas von ihm auswendig lernen.

Hier findet man eine Werksauswahl, auch Prosa:
https://gutenberg.spiegel.de/autoren/liliencr.htm

Sonne und Mond.
Zornig lodernder Helios, glühend befunkelst du täglich,
Glühend und drohend zugleich unsere närrische Welt.
Gleichgültig hinter dir drein trödelt kühl mit der Fackel Selene.
Lächelnd schaut sie herab: Bleibt nur die Narren so fort!
 
Ja, das kann sein. Er ist ja auch so ein Übergangs-Dichter, denke ich, zwischen Spätromantik und fast schon Impressionismus?

Wilhelm Busch ist bekannt in der Stadt und auch im schönen Bayernland:


Zum Geburtstag im Juni
Den Jahreszeiten allen
Selbviert sei Preis und Ehr!
Nun sag ich: Mir gefallen
Sie minder oder mehr.

Der Frühling wird ja immer
Gerühmt, wie sich's gebührt,
Weil er mit grünem Schimmer
Die graue Welt verziert.

Doch hat in unsrer Zone
Er durch den Reif der Nacht
Schon manche grüne Bohne
Und Gurke umgebracht.

Stets wird auch Ruhm erwerben
Der Herbst, vorausgesetzt,
Daß er mit vollen Körben
Uns Aug und Mund ergörzt.

Indes durch leises Tupfen
Gemahnt er uns bereits:
Bald, Kinder, kommt der Schnupfen
Und's Gripperl seinerseits.

Der Winter Kommt. Es blasen
Die Winde scharf und kühl;
Rot werden alle Nasen,
Und Kohlen braucht man viel.

Nein, mir gefällt am besten
Das, was der Sommer bringt,
Wenn auf belaubten Ästen
Die Schar der Vöglein singt.

Wenn Rosen, zahm und wilde,
In vollster Blüte stehn,
Wenn über Lustgebilde
Zephire kosend wehn.

Und wollt' mich Einer fragen,
Wann's mir im Sommer dann
Besonders tät behagen,
Den Juni gäb ich an.

Und wieder dann darunter
Den selben Tag gerad,
Wo einst ein Kindlein munter
Zuerst zu Tage trat.

Drum flattert dies Gedichtchen
Jetzt über Berg und Tal
Und grüßt das liebe Nichtchen
Vom Onkel tausendmal.


Wilhelm Busch ( 1832 - 1908 )
 
Also ich denke, Ihr solltet doch heiraten :klatschen. Soviel Übereinstimmung findet man selten. Uta, Du solltest Dir das noch einmal überlegen.
:fans:
Ach nein, vielleicht doch nicht, dann erzählt Ihr Euch das hier nur noch in trauter Zweisamkeit, und wir hätten keinen Anteil mehr daran.
 
Hallo, Uta,
ich sehe das auch so, ich empfinde ihn sehr impressionistisch. Aber er wurde 1904 sogar von den "Modernen" als einer der ihren anerkannt.

Über Busch kann ich mich immer nur freuen.

Und hier mal einen, dessen Balladen mich als Kind/ Jugendlichen schwer beeindruckten.
Und ich stelle fest, dass mich die farbige, starke Sprache (die trotzdem immer noch gut verständlich ist, wie ich finde) nach wie vor bannt!

Erntegewitter

von Conrad Ferdinand Meyer

Ein jäher Blitz. Der Erntewagen schwankt.
Aus seinen Garben fahren Dirnen auf
Und springen schreiend in die Nacht hinab.
Ein Blitz. Auf einer goldnen Garbe thront
Noch unvertrieben eine frevle Maid,
Der das gelöste Haar den Nacken peitscht.
Sie hebt das volle Glas mit nacktem Arm,
Als brächte sie's der Glut, die sie umflammt,
Und leerts auf einen Zug. Ins Dunkel wirft
Sie's weit und gleitet ihrem Becher nach.
Ein Blitz. Zwei schwarze Rosse bäumen sich.
Die Peitsche knallt. Sie ziehen an. Vorbei.


Liebe Grüße von Leòn
 
Das ist wirklich ein starkes Gedicht. Wunderschön.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Gewitterabend.
Es dämmert und dämmert den See herab,
Die Wasser sind gar so dunkel;
Doch wenn ob den Bergen der Blitzstrahl zuckt,
Was ist das für ein Gefunkel!

Dann thun dem Schiffer die Augen weh,
Er sputet sich ängstlich zu Lande,
Wo gaffend der Feierabend steht
Am grell erleuchteten Strande.

Die Leute freuen und fürchten sich
Und wünschen ein gutes Ende
Und daß der Herr kein Hagelgericht
In ihren Krautgarten sende.

Jetzt zischt der Strahl in die laue Flut,
Rings spannen sich feurige Ketten;
Der blöde Haufen ergreift die Flucht,
Sie verkriechen sich in die Betten.

Wenn Gott einen guten Gedanken hat,
Dann raunt man: es wetterleuchtet!
Pass' auf Gesindel, daß nicht einmal
Er in die Wirtschaft dir leuchtet!


Gottfried Keller 1819-1890
Bezug zum Poetischen Realismus (nach Königs Erläuterungen)-vermischen sich Realismus und Romantik bzw. Romantizismus zu "poetischem Realismus"-Unverfälschte Realität wird gesehen und ausgewählt mit den Augen eines Poeten-Realismus wird von Keller weiter in den Symbolismus geführt, so dass nicht mehr realeGegenstände beschrieben werden sondern bedeutsame (s.u.)
https://tinyurl.com/hzk28
 
Zuletzt bearbeitet:
Sommer
von Annegret Kronenberg

Der Frühling schwand fast über Nacht,
hat lautlos sich verzogen.
Er hat dem Sommer Platz gemacht,
läßt grüne Flächen wogen.

Kornblum', Margerite, Mohn,
die lieben Schwalbenpaare,
sie alle sind vertreten schon
als schönste Exemplare.

Über Wiese, Feld und Rain
froh meine Blicke streifen.
Meine Kindheit fällt mir ein,
laß' frei Gedanken schweifen.

Am Feldrand pflückte ich ganz vorn
so manche Sommerblume.
Kein Schritt zu weit, zu nah' ans Korn,
da hauste "Roggenmuhme".

Doch das alleine war es nicht,
was mich vom Korn hielt fern:
Die Achtung vor dem Brot, ganz schlicht,
die Ehrfurcht vor dem Herrn.

Ach, war das eine schöne Zeit,
wenn Grasmahd stand ins Land!
Die Sense fuhr durchs grüne Kleid,
geführt von starker Hand.

Zur Mittagsstunde holte ich
den Speisekorb vom Haus.
Ein jeder stärkt' und labte sich
und ruht' ein wenig aus.

Der kräftig herbe Kräuterduft
vom frischgemähten Grase
erfüllte rings die ganze Luft,
liegt mir noch in der Nase.

Am Abend stellte Mutter dann
zum selbstgeback'nen Stuten
die reifen Erdbeer'n obenan,
ein Schmaus für Kinderschnuten.

Dann wurde draußen auf der Bank
noch gern ein Lied gesungen.
So war mit Freude, Lob und Dank
dein Sommertag verklungen.
 
Erich Fried:

Bahnfahrt
Solange die Wiesen
und Bäume
und Sträucher mit gelben Blüten
und Wildbäche
an meinem Fenster vorüberfahren
und die Sonne scheint
kann ich nicht ganz
so traurig sein
wie ich bin

An den Haltestellen
ist es weniger hell
und wenn ich aussteigen muss
steigt die Traurigkeit
mit aus
und wenn ich im Zug
etwas vergessen habe
ruft sie hinter mir her
und trägt es mir nach
 
Sommermorgen

von Marie von Ebner-Eschenbach, (1830-1916)



Auf Bergeshöhen schneebedeckt,
Auf grünen Hügeln weitgestreckt
Erglänzt die Morgensonne;
Die tauerfrischten Zweige hebt
Der junge Buchenwald und bebt
Und bebt in Daseinswonne.

Es stürzt in ungestümer Lust
Herab aus dunkler Felsenbrust
Der Gießbach mit Getose,
Und blühend Leben weckt sein Hauch
Im stolzen Baum, im niedren Strauch,
In jedem zarten Moose.
Und drüben wo die Wiese liegt,
Im Blütenschmuck, da schwirrt und fliegt
Der Mücken Schwarm und Immen.
Wie sich's im hohen Grase regt
Und froh geschäftig sich bewegt,
Und summt mit feinen Stimmen.
Es steigt die junge Lerche frei
Empor gleich einem Jubelschrei
Im Wirbel ihrer Lieder.
Im nahen Holz der Kuckuck ruft,
Die Amsel segelt durch die Luft
Auf goldenem Gefieder.
O Welt voll Glanz und Sonnenschein,
O rastlos Werden, holdes Sein,
O höchsten Reichtums Fülle!
Und dennoch, ach - vergänglich nur
Und todgeweiht, und die Natur
Ist Schmerz in Schönheitshülle.
 
Wärme des Sommers

Ich sehe die Schmetterlinge tanzen,
auf der Wiese, an dem Bach.
Sehe die Libellen fliegen
zwischen Gräsern
und Blüten
und wünsche, die Wärme des Sommers
Bliebe mir für immer erhalten.
 
Kind auf der Wiese - Sommerimpression

Schmetterlinge tanzen, in kurzen Rhythmen,
sie bewegen von Blüte sich zu Blüte,
ohne lange still zu sitzen.
Es ist ein Schwingen, ein sich Regen.
Schönheit im Sonnenlicht,
die sich nicht fangen lässt.

Grashüpfer wie sehr ich dich mag,
du bist so ein sprunghafter Geselle,
wenn du stille hockst, erkennt
man dich kaum, im Gras oder auf Zweigen.
Deine besondere
Kraft bewund’re ich!

Libellen schießen schnell aus der Luft herab,
manchmal ist ihr Flug für mein Auge zu schnell,
sie jagen glitzernd durch die Welt,
dann wieder schweben sie lange an
einem Ort und harren,
Räuber die sie sind!

Erdige Kerle sind sie, all die Käfer,
die wimmeln und krabbeln durch Erde und Gras,
sie wühlen und jagen herum.
Welch ein Gewimmel und Toben,
rüstige Panzer und
zartes Flügelgeflecht.
 
Sind das Anonyma?

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von J.W. von Goethe für Hochwasser-Zeiten:

Johanna Sebus
Zum Andenken der siebzehnjährigen schönen Guten aus dem Dorf Brienen, die am 13. Januar 1809 bei dem Eisgang des Rheins und dem großen Bruch des Dammes von Cleverham, Hilfe reichend, unterging.

Der Damm zerreißt, das Feld erbraust,
Die Fluten spülen, die Fläche saust.

"Ich trage dich, Mutter, durch die Flut,
Noch reicht sie nicht hoch, ich wate gut." -
"Auch uns bedenke, bedrängt wie wir sind,
Die Hausgenossin, drei arme Kind!
Die schwache Frau! ... Du gehst davon!" -
Sie trägt die Mutter durchs Wasser schon.
"Zum Bühle da rettet euch! Harret derweil;
Gleich kehr' ich zurück, uns allen ist Heil.
Zum Bühl' ist's noch trocken und wenige Schritt;
Doch nehmt auch mir meine Ziege mit!"

Der Damm zerreißt, das Feld erbraust,
Die Fluten spülen, die Fläche saust.

Sie setzt die Mutter auf sichres Land,
Schön Suschen, gleich wieder zur Flut gewandt.
"Wohin? Wohin? Die Breite schwoll,
Des Wassers ist hüben und drüben voll.
Verwegen ins Tiefe willst du hinein!"
"Sie sollen und müssen gerettet sein!"

Der Damm verschwindet, die Welle braust,
Eine Meereswoge, die schwankt und saust.

Schon Suschen schreitet gewohnten Steg,
Umströmt auch, gleitet sie nicht vom Weg,
Erreicht den Bühl und die Nachbarin -
Doch der und den Kindern kein Gewinn!

Der Damm verschwand, ein Meer erbraust's,
Den kleinen Hügel im Kreis umsaust's.

Da gähnet und wirbelt der schäumende Schlund
Und zieht die Frau mit den Kindern zu Grund;
Das Horn der Ziege fasst das ein',
So sollten sie alle verloren sein!
Schön Suschen steht noch, strack und gut:
Wer rettet das junge, das edelste Blut!
Schön Suschen steht noch, wie ein Stern;
Doch alle Werber sind alle fern.
Rings um sie her ist Wasserbahn,
Kein Schifflein schwimmet zu ihr heran.
Da nehmen die schmeichelnden Fluten sie auf.

Kein Damm, kein Feld! Nur hier und dort
Bezeichnet ein Baum, ein Turm den Ort.

Bedeckt ist alles mit Wasserschwall,
Doch Suschens Bild schwebt überall. -
Das Wasser sinkt, das Land erscheint,
Und überall wird schön Suschen beweint -
Und dem sein, wer's nicht singt und sagt,
Im Leben und Tod nicht nachgefragt!
 
Ein grünes Blatt

von Theodor Storm (1817-1888)

Ein Blatt aus sommerlichen Tagen,
Ich nahm es so im Wandern mit,
Auf daß es einst mir möge sagen,
Wie laut die Nachtigall geschlagen,
Wie grün der Wald, den ich durchschritt.
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