Omama, erzähl mir etwas aus Deinem Leben

Rota

in memoriam
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Zum Leben im Alter und dessen Sinn gehört auch, daß wir Alten unser Wissen an die Jugend weiter geben, die Erfahrungen und die Ergebnisse von Nachdenken und auch Leiden.

Niemals würde ich einem Kind aufdrängen, mir zuzuhören, wenn es nicht von selber kommt und fragt, hätte es wenig Sinn.
Im Nachhinein bekommen viele Erlebenisse eine Bedeutung, die ich damals nicht erkannt habe, noch weniger hätte glauben können, selbst wenn mir das einer prophezeit hätte.

"Ihr seid alle blöd, dauernd schaut Ihr in die doofe Kiste" so sprach meine Enkeltochter gestern und machte sich durch den Garten auf den Weg zu mir um sich wieder eine Geschichte aus meinem Leben abzuholen.

Ihr Zorn war für die Eltern und Geschwister lehrreich, denn er hat den Unterschied offenbart zwischen ERFUNDEN und WIRKLICH, von Lüge und Wahrheit, von Mißtrauen und Vertrauen.

Nicht nur, daß ich gerade beim Backen war um einen wundervollen Zwetschgendatschi zu machen, ich hatte auch Eile, weil er für einen Besuch geplant war, den wir am Nachmittag machen wollten.

So viel Zeit muß aber sein dachte ich und erzählte dem 5-jährigen Mädchen eine Geschichte aus meinem Leben. Als ich fertig war, strahlte mich der Zwerg an und sagte: Darf ich morgen auch kommen? ich will endlich wissen, wie das im Keller ist, wenn man sich fürchtet."

Ich war sehr erstaunt, daß das Kind nach einem Keller fragt um sich zu fürchten. Ich bin gespannt, wie sie reagieren wird, wenn ich ihr von einem Bombenangriff erzähle, bei dem ich im Keller saß mit den anderen Hausbewohnern.

Oder ist das noch zu früh? Was meint Ihr dazu?

Der Sinn des Lebens im Alter ist doch u.A. Wissen und Erfahrungen weiter zu geben. Wir hier in unserem friedlichen Deutschland haben das Fürchten verlernt glaube ich, sonst würde ein Aufschrei durch das Land gehen, daß ja keiner auf die Idee kommt, sich in Syrien einzumischen. Niemals kann Krieg Frieden schaffen, das habe ich in meinem langen Leben gelernt. Nur Gespräche und Erzählungen aus dieser Erfahrung aus der Geschichte meines Lebens können meine Enkelkinder als Wahrheit geschenkt bekommen, auch wenn sie traurig klingt.

Das angehängte Bild ist der Eingang zu dem Keller (der schaut noch genau so aus wie damals) in dem ich die Angriffe überlebt habe.

Mit sehr nachdenklichen Grüßen

Rota
 

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Guten Tag!
Mir scheint der Hinweis wichtig, daß man was machen konnte gegen die Gefahren. Einen kleinen Teil meiner Kindheit hab auch ich in Luftschutzkellern verbracht. Wir wohnten gefährlich nahe an einem wichtigen Bahnknotenpunkt. Mein Vater hat mit unseren Nachbarn riesige Baumstämme, genau in der richtigen Länge, quer und senkrecht in einen kleinen Teil unseres Kellers gerammt und verschraubt; knapp 20 Menschen paßten da rein, stehend. Danach sagte mein Vater (der was von der Sache verstand): "Das reicht so. Außer wenn eine Bombe ganz genau drauf fällt." (Auch dieser Realismus hatte etwas Bestärkendes.) Im Keller betete ich, zusammen mit einer sehr frommen Tante. (Auch das ein Mittel gegen Hilflosigkeit und Angst.) Eine Bombe fiel dann ca. 4 m daneben, rasierte die Hausmauer komplett weg; der Kellerraum blieb völlig intakt. - Schließlich flohen wir zu einem Bauern auf dem flachen Land, wo es sicher schien. Das war nahe am Ufer der Donau, auf deren anderer Seite aber gewaltige Öltanks standen. Die wurden natürlich auch bombardiert - und drei Bomben verirrten sich auf unser Dorf, eine leider in den Schweinestall. Jene Tante aber war mit mir über eine Wiese (völlig exponiert, Todesfurcht realistisch) in den Wald geflohen und hatten uns flach in Mulden gelegt. Tagelang verdunkelte der Qualm des brennenden Öls danach den Himmel.

Tagsüber konnten wir die amerikanischen Geschwader sehen, auch den Abwurf der Bomben. Ein Soldat (schwerverletzt) konnte ziemlich genau sagen, wohin der jeweilige Abwurf zielte. Wieder der Trost durch kundige Männer.

Was Syrien angeht (weiß nicht genau, was das hier soll): Ich vertrete mit Nachdruck die Auffassung, daß dieses Regime in Grund und Boden bombardiert werden muß. Doch, Krieg, weise und mutig geführt, kann jedenfalls Waffenruhe bringen. Die Bombardierung Serbiens durch die NATO hat vielen Menschen das Leben gerettet. Und wenn England 1940 - völlig isoliert - nicht durchgehalten hätte, würden wir jetzt kaum in Freiheit leben. (Churchill plante schon die Flucht der Regierung in die britischen Kolonien, im Fall einer deutschen Landung in England.) Gegenbeispiel: Das Münchener Abkommen 1938, in der Chamberlain und Daladier vor Hitler praktisch - ohne Not - kapitulierten ("Appeasement"). Ohne das hätte Hitler jedenfalls 1939 den Krieg noch nicht gewagt. Und zwei Jahre später wären die Alliierten schon entsprechend gerüstet gewesen.

Die Lehren aus der Geschichte laufen nicht alle auf Friedlichkeit hinaus. Auch das läßt sich Kindern vermitteln und ist der Vermittlung wert. Ich habe jedenfalls versucht - anhand anderer Beispiele - dies meinen Beiden nahezubringen. Die Welt ist nicht kuschelig. Es bleibt die Dankbarkeit, überlebt zu haben. (Auch wenn es unvergleichlich schlimmere Bedingungen gab und gibt.)

Gruß
Windpferd
 
Hallo Windpferd,

Diesen Deinen speziellen Hinweis, meinst Du, daß ich den jetzt meinem Enkelkind weiter vermitteln soll?

Ich soll doch aus meinem Leben etwas erzählen. In der Erinnerung kommt in mir die panische Angst wieder hoch, eingesperrt in einen dunklen Keller warten zu müssen, bis die Sirenen der Entwarnung heulen. Einige Keller wurden verschüttet durch die Wohnhäuser, die vorher darüber standen. Viele Freunde kamen da nicht wieder heraus, sie erstickten einfach im Staub.

Mir scheint der Hinweis wichtig, daß man was machen konnte gegen die Gefahren.

Mit dem Wörtchen "man" komme ich hier nicht weiter. Fakt war damals, daß wir in direkter Nähe neben dem Hauptbahnhof 8 Tage festsaßen in einer Hölle aus Lärm und Gestank, es war kalt und die Angst der Erwachsenen wirkte lähmend auf uns Kinder wenn der Fliegeralarm ging und kurz darauf Geschwader von Flugzeugen ihre Bomben abwarfen. Da konnte keiner was dagegen machen, glaube mir.

Was Syrien angeht (weiß nicht genau, was das hier soll)
:

Wer keinen Fernseher hat und keine Nachrichten schaut, der stellt natürlich so eine Frage.
Im Unterschied zu bedrucktem Zeitungspapier wirken Bilder von ferngelenkten Flugkörpern, die in Wohngebiete einschlagen anders auf Menschen die sich dann Gedanken machen, wie das weiter gehen soll, wenn auch noch von anderer Seite her eingegriffen werden sollte.

Wir sitzen hier am Tisch und beraten, ob wir nicht vielleicht eine Familie aufnehmen könnten, die von dort flüchten muß. Damals 1945 hatten wir Einquartierungen die mehr oder weniger erzwungen wurden. Heute können wir uns frei dazu entscheiden.

Das ist es, was man noch dagegen machen kann, damit die Not nicht zu groß wird. Um das aber unseren Enkeln zu vermitteln, müssen wir es ihnen erklären, wir müssen aus unserem Leben erzählen, wie es damals war und daß es heute so ist, daß wir dran sind zu helfen. Das können wir tun.

Hab ich genug erklärt, (was es damit soll)?

Gruß Rota
 
Wie man alten Leuten mitspielt, auch noch nach ihrem Ableben.

Für meine Enkelkinder, die lernen sollen die Augen aufzuhalten, wo der unangenehme Zeitgenosse Nepp, auch Abzocker genannt sich gerade betätigt.

Da ich nicht mehr weiß, wo ich die Geschichte und ihren Anfang schon einmal eingestellt habe, noch einmal einen kurzen Abriß davon.

Schicksal einer Urne

Wie ich hier schon ausführlich geschrieben hatte, wurde die Asche meiner Mutter in einer Gruft tief unter dem Friedhofsgebäude deponiert, obwohl ich damals vor 10 Jahren ausdrücklich wollte, daß sie hinter dem Gebäude frei zugänglich in einem Urnendepot bleiben sollte.
Vor 4 Monaten bekamen wir Post, daß 10 Jahre verstrichen wären und wir einen neuen Vertrag mit wieder 2000 E )abschließen sollten, oder die Urne würde mit anderen Aschen irgendwo entsorgt. Da uns der Platz sowieso nicht gefallen hatte, wir aber ein Grab haben 5 Gehminuten davon entfernt, wollten wir eine Verlegung der Urne dorthin haben. Wir fragten auch noch, wo wir die Grabplatte aus Marmor mit ihrem Namen und Geburtsdatum abholen könnten. Da staunten wir aber, daß sie die nicht herausgeben würden und sie das immer so handhaben. Für die Platte hatten wir damals 180 E bezahlt. Es wäre sicher schön, diese helle Platte auf das Grab zu legen, wo sie jetzt endgültig bleiben sollte.

Nebenbei. Unser Sohn ist selber Steinmetz und er durfte damals nicht selber die Schrift übernehmen, "das machen wir nie so" lautete die Antwort. Unser Sohn meint. So eine Platte könnte man bis zu 10 Mal wieder verwenden, je nachdem wie tief die Gravur wäre.

Weiter beim Hergang:
Dann kam die Nachricht vom Bestattungsamt. Das mit der Umbettung, das ginge nicht so einfach wegen der Störung der Totenruhe. Die Urne müßte umgefüllt werden in eine aus anderem Material und wir sollen für diese Verichtung 200 E zahlen, dann würde das im Laufe des Jahres geschehen.
Da wir aber dabei sein wollten, baten wir um einen Anruf, wenn es so weit wäre. Nichts kam, kein Zeichen irgend einer Bewegung in der Sache.
Vorgestern war unsere Geduld dann am Ende und wir riefen an. "Jaaaa, das ist doch schon längst geschehen", Wann? "das ist nicht mehr zu recherchieren".

Da ist doch Tür und Tor für Betrug geöffnet, dachten wir und jetzt wollten wir sehen, was da überhaupt verlegt worden ist.
Die Asche können wir ja nicht mehr auf Originalität testen lassen, aber ein wenig Unruhe könnten wir schon in das System bringen. Wer garantiert uns eigentlich, daß bei der Verbrennung nicht mehrere Leichname zusammen verbrannt werden, aber jeder dann als einzelner abzurechnender Posten behandelt wird? Dazu kommt noch der Argwohn, wie viel bei der Methode eigentlich noch von meiner Mutter in die Urne kommt. Gedanken, die ja nicht so fern liegen.

Wer hätte das gedacht, daß meine arme Mutter noch nach ihrem Tod so eine Unruhe haben würde. Von Totenruhe kann da ja nicht mehr die Rede sein. Für ein Häufchen Asche aufzuheben sind jetzt errechnete 2200 E schon ein wenig viel oder? Dabei ist die Verbrennung von vor 10 Jahren noch gar nicht mitgerechnet.

Was hätte man da alles schönes für ihre Enkelkinder machen können. Trotzdem werden wir die Woche ein schönes Fest ausrichten anläßlich ihres 100. Geburtstages. Schließlich ist sie ja unser aller Mutter.

Nachtrag:
heute ist mein Mann extra um 8 Uhr schon am Grab gestanden um sich mit dem Gräber zu treffen. Er kam auch und war ein netter alter Herr mit Schaufel. Dann hat er ein ca.80 cm tiefes Loch gegraben mitten im Grab und versucht die Urnen zu selktieren. Es sollten eigentlch 3 Urnen sein, er fand aber nur 2. Nachdem er dann ein wenig nachgedacht hatte, vermutete er, "na dann steht sie halt noch in der Verbrennungsanlage".Mein Mann " Da kam sie aber schon vor 10 Jahren hierher und stand seither in einem Verließ im Keller des Friedhofsverwaltungsgebäudes." was jetzt? Wieder zuschaufeln?, telefonieren, selber hingehen zu der Verbrennungsanlage, Alles Überlegungen, wozu eigentlich?

Vielleicht hilft ein Anruf beim Fernsehen oder bei der Presse, wie man hierzulande mit den Resten von ehemaligen Bürgern umgeht? Hat das alles System? Wer verdient eigentlich an solchen Transaktionen die nicht vollzogen werden?

Meine Mutter jedenfalls hätte keine Ruhe gegeben, bis sie die Ursachen gefunden hätte. Soll ich es ihr nun nachtun, oder mich in ihr Schicksal fügen? Es gibt jedenfalls schlimmere Schicksale von noch lebenden Menschen. Hätte ich doch das falsch ausgegebene Geld lieber einer Hilfsaktion gespendet, dann könnte ich jetzt wenigstens schreiben, was mich heute freut.

Aber spenden kann ich ja immer noch, vielleicht noch etwas drauflegen.
Dann kann ich endlich schreiben, was mich heute freut.

Bleibt wachsam
Euere
Rota
 
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