Langeweile, die gesunde Methode zu sich zu finden

Rota

in memoriam
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22.07.08
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2.569
Liebe Altersgenossen/Innen.

Als meine Kinder "endlich" alle vier aus dem Haus waren, verging kein ganzes Jahr, da fühlte ich, daß ich in einem Loch saß, aus dem ich mich sehnlichst heraus wünschte.

Wie ein Schatten begleitete mich das Pflichtgefühl das ich immer noch hatte. Keine Zeit zu haben, weil sooo viel zu erledigen war das hielt ich immer noch für erstrebenswert.

Es vergingen weitere Jahre und ich suchte mir Beschäftigung außer Haus.

Essen auf Rädern,
Begleitung bei Behördengängen
Musik machen
mit alten Menschen singen
Basare veranstalten
Artikel schreiben
Vorträge halten
Kochkurse besuchen und halten
usw usw

Was mir unsere Kinder nicht "zumuten" wollten war Babysitting.

Vielleicht hatte ich ja in einer Anwandlung einmal gesagt, daß ich "Euere Kinder einmal nicht erziehen will, das macht Ihr mal schön selber". ;)

Seis wie es war, ich war nicht unglücklich darüber, denn ich konnte sie ja besuchen, wenn ich Sehnsucht nach ihnen hatte.

Eines Tages stellte ich fest, daß ich rein gar nichts zu tun hatte.
Ich saß in meinem bequemen Sessel mit Blick in meinen Garten, es war Herbst und die Sonne ging gerade unter, wobei sie einen goldenen Schein über die oberen Stockwerke meiner Fichten goß.

Da aber der schönste Spätnachmittag bald in den Abend übergeht und da ich zu faul war, aufzustehen und das Licht anzumachen, blieb ich einfach sitzen und genoß die Ruhe.

Da meldete sich meine Großmutter aus den Tiefen meines Gehirns zu Wort.
Sie klagte darüber, daß sie sich so einen Luxus nie hat leisten dürfen, einfach da zu sitzen und hinspüren wie das Leben sich anfühlt.

Ich umarmte sie in Gedanken, gab ihr einen herzhaften Kuß, lobte sie dafür, daß sie so selbstlos für mich da gewesen war und ließ sie wieder gehen.

Danach hatte ich einen Traum. Sie begegnete mir unverhofft in einem Haus das ich nicht kannte. Als ich sie aber umarmen wollte und ihr sagen wollte, wie sehr ich mich freue sie zu sehen, wich sie vor mir zurück als hätte sie sich verbrannt an mir. Da hatte ich die Idee, ihr einfach meine jüngere Tochter in die Arme zu geben, was sie anstandslos hinnahm. So hatte es meine Mutter mit mir auch gemacht damals als ich, unehelich geboren, meinen Platz beanspruchen sollte in der Familie.

Der Traum ging mir nicht aus dem Kopf. Er ermöglichte mir, mich anders zu entscheiden, für meine Familie da zu sein, wenn sie mich braucht und wenn nicht, ist es auch gut.
Die Zeit, die ich jetzt immer häufiger in meinem Sessel verbringe mit einer Schau nach innen und wenn es genug ist wieder nach draußen, ist mir sehr wichtig geworden. Es beruhigt mich wenn ich einmel über das Weltgeschehen nachdenken muß, wie gerade heute über die Gefahren der Atomtechnik. Es ermöglicht mir quasi auf eine höhere Warte zu steigen und mir zu überlegen, was das alles mit mir zu tun hat.

Langeweile ist also heilsam und ist nicht der Ausdruck für Faulheit, sondern Lebensqualität.

Liebe Grüße :)
Rota
 
Langeweile die gesunde Methode zu sich zu finden

Danke liebe Rota:)

Du bist eine weise Frau.

Liebe Grüße Glücksdrachen
 
Langeweile die gesunde Methode zu sich zu finden

Hallo Glücksdrachen - und Du bist lieb :kiss:

Herzliche Grüße
Rota
 
Liebe Altersgenossen/Innen.
Da aber der schönste Spätnachmittag bald in den Abend übergeht und da
Der Traum ging mir nicht aus dem Kopf. Er ermöglichte mir, mich anders zu entscheiden, für meine Familie da zu sein, wenn sie mich braucht und wenn nicht, ist es auch gut.
Die Zeit, die ich jetzt immer häufiger in meinem Sessel verbringe mit einer Schau nach innen und wenn es genug ist wieder nach draußen, ist mir sehr wichtig geworden. Es beruhigt mich wenn ich einmel über das Weltgeschehen nachdenken muß, wie gerade heute über die Gefahren der Atomtechnik. Es ermöglicht mir quasi auf eine höhere Warte zu steigen und mir zu überlegen, was das alles mit mir zu tun hat.

Langeweile ist also heilsam und ist nicht der Ausdruck für Faulheit, sondern Lebensqualität.

Liebe Grüße :)
Rota

Liebe Rota, :wave:
wünsch Dir liebevolle Sesselzeiten mit Schau nach Innen.
Solch ein Sessel hat seine wunderschönen Sessellebenszeiten und die sind heilsam.

Es kommt mir so bekannt vor, was Du erzählst.
Als unsere Tochter aus dem Haus ging, suchte ich weitere ehrenamtliche Beschäftigung außer Haus.
Nun ist es so, daß einen Ruhestuhl und eine Ruheliege habe. Beides suche ich im Alltag regelmäßig auf. Es tut mir einfach gut.... und wenn es sich innerlich gut anfühlt, steh ich auf und weiter gehts im lieben Alltag.
So ist es nun weniger mit der ehrenamtlichen Beschäftigung.

Freu :freu: mich, Dir hier und dort bei symtome zu begegnen. Gerne nehme ich auf diesem Weg an Deinem Leben teil.

alles Liebe
flower4O
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Flower,

Solch ein Sessel hat seine wunderschönen Sessellebenszeiten und die sind heilsam.

Apropo Sessellebenszeiten
als ich diesen Omasessel gekauft habe, war ich gerade mal 28 Jahre alt. ich suchte einen Stuhl in dem ich mit Armlehne besser stillen konnte und fand diesen. Es war das Gesellenstück eines Polsterers in unserer Gegend. Vor einem Jahr ließen wir dann beim gleichen Geschäft ein paar Polsterstühle neu überziehen und da fragte ich nach dem Polsterer von damals, worauf sich der Mann zu erkennen gab, daß er selber der von damals wäre. Ich erzählte ihm, daß ich damals sein Gesellenstück gekauft hatte, worauf er ganz elektrisiert reagierte. Er wollte den alten Stuhl doch tatsächlich für ein Vielfaches von damals zurückkaufen. Da verriet ich ihm, daß kein Mensch auf der Welt das zahlen könnte, was mir dieser Sessel wert wäre, er hat so viel miterlebt in meinem Mutterdasein, das wäre so als würde man seinen eigenen Vater verkaufen. :)
Aber das Lob für seine gute Arbeit nahm er dann doch gerne in Empfang, denn an dem Stuhl fehlt bis heute nichts, er hat absolut keine Alterserscheinungen. Handwerk ist doch was Schönes, wenn es gut gemacht wird.

Freu :freu: mich, Dir hier und dort bei symtome zu begegnen. Gerne nehme ich auf diesem Weg an Deinem Leben teil.
Das geht mir mit Dir genau so :kiss:
Und ich freue mich, daß wir auf dem Gebiet gleich fühlen. :)

Liebe Grüße
Rota
 
Liebe Rota ,

was für eine wunderbare,gefühlvolle Geschichte.

Ich habe zwei Handpuppen ,die ich mit meinen Kindern in der Kindergartenzeit gebastelt habe.

Ich würde sie nie ,nie abgeben wollen.

Grüße Glücksdrachen
 
Liebe Rota, :kiss:
so behüt ihn weiter Deinen wunderschönen Mutterdasein-Seelensessel.

Bei mir es anfangs des Mutterdaseins einen Schaukelstuhl. Er steht heute
vor unserem Kachelofen. Viel hätt er zu erzählen, wenn er reden könnte.
All die lieben Freundinnen unserer Tochter in jungen Jahren, die sich
schaukeln ließen. Und irgendwann gesellte sich zu ihm eine Hängematte.
Sie findet im Sommer draußen zwischen der Wäscheleine ihren Platz.
Und manchmal, so scheint es mir, haben beide sich viel aus früheren Kinderseelenzeiten zu erzählen.

alles Liebe
flower4O:
 
Guten Abend!

Zur Langeweile. In der (tibetisch-buddhistischen) Tradition, der ich angehöre, gilt sie als ein Zeichen, daß man richtig meditiert. Die Idee: normalerweise agieren wir als unser eigener Alleinunterhalter: beständig muß etwas los sein, außen und / oder innen. Selbst Unangenehmes ist noch besser als gar nichts. (Dahinter mag latente Todesangst stecken.) Wir sind süchtig nach Entertainment.

Langeweile ist das Begleitsymptom einer Entziehung. Die lange dauert. Ernüchterung. Einfach nix mehr los. (Oder es war schon alles mal los, das heißt: nichts Neues mehr. Wir kennen sie schon zu gut, die leidvolle Selbstunterhaltung.) Natürlich suche ich dann nicht nach mir "selbst" (den kenn ich zur Genüge) - das wär ja wieder Unterhaltung. Auch nicht nach Wellness, nach tollen "Erfahrungen", nach zarten Gefühlen. "Wach sein und nichts tun", die einfachste Definition von Meditation.

Mein Lehrer (Trungpa Rinpoche) sprach von "cool boredom" - nach nichts mehr auf der Suche. Im Gegensatz zum gängigen "hot boredom", das sich immer noch bemüht, auf weitere Sensationen hofft oder sich doch noch welche schafft, wenigstens in Tagträumen.

Geht nicht im Omasessel, überhaupt in keinem Sessel. (Es sei denn man ist unfähig, aufrecht zu sitzen). Hat man je einen Buddha gesehen, der sich zurücklehnt, die Beine übereinander schlägt, sein Pfeifchen stopft, die Augen schließt und selig ins Weite träumt? Geht auch nicht mit sog. Meditationsmusik. Die würde die lange Weile verkürzen. Auch nicht nebenbei, wie manche meinen.

Natürlich tauchen fortwährend Gedanken auf. Der Trick: nicht festhalten sondern vorbeiziehen lassen. Und sie - freundlich - bezeichnen als das, was sie sind: "Denken". Auch Gefühle werden - durchaus respektlos - als Gedanken betrachtet, als gemästete, Aufgeplusterte. (Eine geniale Idee: Dutzende von Philosophen haben Dutzende von Regeln entwickelt, wie man mit Gedanken umgehen kann: begründen, widerlegen, elaborieren, differenzieren, analysieren, einordnen, interpretieren, bewerten usw. usw. Keiner kam je auf die Idee, sie einfach "Denken" zu nennen und sie sich selber zu überlassen.)

Bei den Mystikern (auch den christlichen, jüdischen, mohammedanischen) dasselbe - nur etwas anderes Vokabular zur Beschreibung. (Es gibt einen Sammelband von Vorträgen auf den "Christian-Buddhist Conferences", zu denen mein Lehrer einlud, mit dem Titel "Speaking of Silence". Die Herausgeberin fällt mir gerade nicht ein.)

Natürlich ist der Weg mit Langeweile nicht zu Ende. Die ist nur Voraussetzung. So wie ein Alkoholiker erst mal trocken sein muß, ehe er vielleicht ein wenig nützlich werden kann. Aber das ist hier nicht Thema.

Gruß
Windpferd
 
Geht nicht im Omasessel, überhaupt in keinem Sessel. (Es sei denn man ist unfähig, aufrecht zu sitzen). Hat man je einen Buddha gesehen, der sich zurücklehnt, die Beine übereinander schlägt, sein Pfeifchen stopft, die Augen schließt und selig ins Weite träumt?

Also, Du scheinst ja alles besser zu wissen.
Die Wahrheit ist, daß ich immer auf kleinem Fuß gelebt habe und ich mir die einfachste bzw.kürzeste Lösung gesucht habe zu relaxen und die gleicht eher der Entspannung einer Katze, als der Abhebung eines Buddha. Manchmal hilft auch:baden: ;)

Einfach für angemessene Zeit aufhören was zu tun. Das ist auch heute noch meine Methode. Ich hatte da keine Lehrer und habe das Geld lieber für meine Familie ausgegeben.

Schöne Grüße
Rota
 

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hallo rota ,
............eigentlich weiß man das ja längst.: es ist unmöglich, es allen recht zu machen. selbst wenn man das könnte ,vermutlich bliebe einer übrig, dem das nicht ganz recht wäre – man selber.

hier mal eine bekannte fabel von "Äsop" :
Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Haus und läßt seinen Sohn zu Fuß nebenher laufen.
Kommt ein Wanderer und sagt:
“Das ist nicht recht, Vater, dass Ihr reitet und lasst Euren Sohn laufen; Ihr habt stärkere Glieder.”
Da stieg der Vater vom Esel herab und ließ den Sohn reiten.
Kommt wieder ein Wandersmann und sagt:
“Das ist nicht recht, Bursche, dass du reitest und lässt Deinen Vater zu Fuß gehen. Du hast jüngere Beine.”
Da saßen beide auf und ritten eine Strecke.
Kommt ein dritter Wandersmann und sagt:
“Was ist das für eine Quälerei, zwei Kerle auf einem schwachen Tier?
Sollte man nicht einen Stock nehmen und Euch beide hinabjagen?”
Da stiegen beide ab und gingen zu Fuß, rechts und links der Vater und Sohn und in der Mitte der Esel.
Kommt ein vierter Wandersmann und sagt:
“Ihr seid drei kuriose Gesellen.
Ist’s nicht genug, wenn zwei zu Fuß gehen?
Geht’s nicht leichter, wenn einer von Euch reitet?”
Da band der Vater dem Esel die vordern Beine zusammen, und der Sohn band ihm die hinteren Beine zusammen, zogen einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand und trugen den Esel auf der Achsel heim.

lg ory
 
Hallo Ory,

hier mal eine bekannte fabel von "Äsop" :
Das ist eine wunderbare Erzählung, sie ruft direkt danach gereimt zu werden.
Mal sehen, ob mir das gelingt, wenn nicht, wars auch gut um Langeweile zu vertreiben. ;)

Liebe Grüße
Rota

Nachtrag:

ich habe jetzt 1 Stunde nachgedacht (in meinem Sessel) und bin darauf gekommen, daß diese Parabel so perfekt ist in ihrer Kürze und Genauigkeit, daß es kein Gedicht davon braucht.
Bei langen griechischen Erzählungen, wie z.B. Hu ti sie "verdichtet" hat ist das etwas anderes, da haben die Kinder was davon, weil sie sie auswendig lernen und in der Schule den Lehrer damit beeindrucken können.

Also, Langeweile weg, jetzt ist Abendbrotzeit.

Rota
 
Zuletzt bearbeitet:
hallo rota ,
Also, Langeweile weg, jetzt ist Abendbrotzeit.
:D nur durch "nicht zu wissen, was man tun soll". entsteht langeweile ,wünsche guten appetit und einen schönen abend .

lg ory :wave:
 
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