Kritische Gedanken

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21.08.06
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Liebe Leser,

der Papst kommt nach Bayern!
Das find ich so supi, weil in Bayern wohne ja ich auch.
Ob ich auch hingehe, wurde ich gefragt.
Nein, ich fahr lieber zum Obi, aber wenn er mag, kann er ja
bei mir vorbeischauen. Wenn er Glück hat, bin ich daheim.


Jetzt aber zum Hauptfilm.
Das Leben bringt es so mit sich, dass mir immer wieder
"spirituelle Menschen" über den Weg laufen.
Manche schreiben mich per email an, andere kenne ich gar
persönlich, vielleicht bin ich ja selber einer.
Das liegt wohl an der Definition.
Diese Leute erzählen dann Dinge wie, sie entwickeln sich
gerade und sie seien auf dem Weg und dergleichen.

Aha.
Und für den geistigen Reifungsprozess auf dem Weg zur
Erleuchtung gibts vieles an Werkzeug.

Bücher zum Beispiel.

Und damit wir uns gleich richtig verstehen: Auch wenn mein
Text hier vielleicht irgendwie belustigend klingen mag, ich
verstehe diese Leute nur zu gut.
Was habe ich selbst nicht alles getan und erdacht, um
"weiter" zu kommen. Oh, wie habe ich mein Fortkommen
gefeiert, meine Entwicklung, die Anhebung meines Niveaus,
das "Wachsen" in eine Position, die es ermöglicht, auf
andere herabzublicken. Natürlich verständig und mild-weise
lächelnd, denn auch die anderen werden es schon noch
lernen...

Tja.
Also zurück zum spirituellen Menschen, der sich ja auf dem
Weg befindet. Der schon was erreicht hat...

Was sind wir alle wichtig.
Und ernst.

Ich meine, die Suche an sich ist eine ernste Angelegenheit.
Es gilt Glück zu finden, innere Ruhe, den Sieg über das
Materielle gar. Ohne Fleiss kein Preis, nicht wahr?


Und weil wir alle schon so ganz toll wichtig sind, erwachsen
und auf der Suche nach/in höheren Sphären, können wir
beispielsweise nur noch wichtige Bücher lesen.
Immerhin gilt es vorwärts zu kommen, Triviales hilft da
wenig, ist es nicht so?


"Der Weg des friedvollen Kriegers" ist so ein Titel.
Oder "Das I Ging des Seins" oder "Taihat-se, Pfade ans
Licht"... "Gespräche mit Gott" , ich denke, die Idee ist
klar.

Auf dem Cover muss dann irgendwas mystisches sein.
was wichtiges. Klar verstehen wir das nicht - immerhin sind
wir ja nur die Suchenden, demütig vor der Weisheit des
Meisters den Kopf gesenkt haltend und dankbar annehmend, was
er uns in seiner grenzenlosen Erleuchtung mitzuteilen hat
(sofern wir es begreifen mit unserem noch minderbemitteltem
Geist - aber wir WACHSEN!!).

Verstehen wir uns nicht falsch.
Ich habe solche Bücher selbst viele gelesen und werde es
auch in Zukunft tun, nehme ich heute an.

Doch wenn wir beginnen in Schubladen zu stecken, getreu dem
Motto: "Dieses Buch ist wertvoll, das andere ist für die
Doofen, die noch nicht so weit sind wie ich selbst" (jetzt
bitte seelig-wissend lächeln über die, die unter dir
stehen), dann ... mmmh, wie soll ich sagen... dann karikiert
sich der Suchende selbst.
Und solche Leute begegnen mir nicht wenige.
(Schmerzhaft für mich, was das für mich selbst bedeutet...).

Milde lächeln sie über die alte Bauersfrau, die täglich ihre
Arbeit verrichtet, mit dreckigen Händen in der Erde wühlt
und abends ein selbst gemachtes Brot mit Salami und Tomaten
aus dem eigenen Garten isst und wohl scheinbar zufrieden
lebt.

Erstens hat unsereins keine Zeit für echte Arbeit, weil man
ist ja auf der Suche. Da macht man Ausbildungen zum
Heilpraktiker oder besucht dutzender Kurse und Seminare
gemeinsam mit anderen Suchenden lausche man den Worten des
weisen Meisters (sicher heisst der nicht "Heinz", sondern
"Bing-Schong" oder so...), um sie später in der Gemeinschaft
mit anderen, die das halt verstehen, weiter zu diskutieren.

Wir lachen über die materielle Welt, hahaha, arm das
Bauernweib, das darin gefangen ist - WIR stehen ja über
solchem Blödsinn (und müssen dann den Fernseher auf den Müll
werfen, weil wir es nicht hinkriegen würden nicht
stundenlang vor der Kiste zu sitzen, so erleuchtet sind
wir).

WIR essen ja kein Fleisch, wir sind die guten Menschen, wir
kennen uns aus. Dann sind wir zornig auf die Fleischfresser,
weil die Deppen ja alles falsch machen, aber halt, zornig,
das haben wir gelernt, dürfen wir ja gar nicht sein. Der
Erleuchtete per se ist ja immer gut drauf und tolerant. Also
sind wir jetzt tolerant, wir lächeln, belächeln, vielleicht
treiben wir es gar auf die Spitze und bemitleiden die arme
Frau ob ihrer Unkenntnis.

Wir retten den Regenwald, denn wir kaufen ökologisch
hergestellte Regenwaldkräuter, die durch fairen Handel
Indios Geld in die Kasse bringt, mit dem sie die Natur
schützen können. Die Bauernfrau meint, das interessiere sie
nicht. Sie ist so ignorant! Sie kocht sich einen Tee aus
heimischen Kräutern, vielleicht Brennesseln oder Löwenzahn.
Wie kann sie so blind sein. Eingeschränkt ist sie, ignorant
und dumm - aber erleuchtet wie wir sind, verzeihen wir ihr.
Wir versuchen es zumindest, aber Recht haben WIR.

Wir sehen ihr zu, wie sie den Salat giesst ("hat die noch
nie was von belebtem Wasser gehört?") und sie sich schwer
tut mit dem Knien ("das kommt von jahrelanger
Mangelernährung, verursacht durch Auszugsmehl und
Fabrikzucker") und meinen, wir seien auf dem richtigen Weg,
der Erleuchtung schon nahe.


Lasst uns nun alle beten.
Auf dass eine gewaltige Keule sich vom Himmel
herniederschwinge und uns "spirituellen Menschen" allen
miteinander mal so richtig eins überbrät.
In der verzweifelten Hoffnung, wenigstens ein paar von uns
(und bitte ich auch!!) fragen sich, wie arrogant man
eigentlich sein kann und wie irre die Vorstellung von
"Wachstum", "Niveau" oder "Weiterkommen" eigentlich ist.

Auf dass wir offenen Auges die Welt betrachten und in jedem
pinkelnden Hund die Offenbarung erkennen (ohne das lautstark
jedem mitteilen zu müssen oder sich schon wieder überlegen
zu fühlen, weil man den pinkelnden Hund deuten kann).
Amen.

Amen.
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Herausgeber: https://www.lebenswert.de/impressum.shtml
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Mir gefällt dieser Text sehr, nachdem ich hier einige Beiträge gelesen habe.
katha
 
Mir gefällt der text auch.

Nehem auch an, dass die alte Bäuerein schon nur aus der natur gesehen und gespürt hat, dass es einen Schöpfer gibt und deshalb geistig nicht mehr zu suchen braucht
 
...find ich mal PRINZIPIELL SEHR GUT. Und nun geht mir Folgendes durch den Kopf.

Ist es nicht so, dass wir uns so sehr vom Ursprung unseres DA-SEINS entfernt haben, dass wir es gar nicht mehr hinkriegen können einfach nur DA zu SEIN. Diesen Zustand empfände ich als normal und ideal, einfach DA SEIN.

So wie eine Blume. Sie wächst und blüht, nimmt Sonne und Regen und Wind. Sie erwartet nichts, sie fragt nichts, sie sucht nichts, denn es ist alles da, so wie sie selbst. Nah dran ist auch noch die arme Bäuerin. Sie erwartet nichts, sie fragt nichts, sie sucht nichts, denn es ist alles da, was sie zum Da-Sein braucht, Salat und Brot und Wurst.

Und jetzt WIR. WIR gehen in den Supermarkt - kein Feld, kein Schwein, kein Salat gießen. WIR setzen uns vor den Fernsehapparat (Ich weiß, ist nicht der Sündenbock für alles, aber für vieles, nicht wieder gleich losschlagen!), die einen gucken Horror, die anderen Tierdoku, Werbung immer inbegriffen, nicht selber DA SEIN ist angesagt, sondern gucken, was so alles DA IST, oder sein könnte, oder hoffentlich nie sein wird. Und wir lernen: DA SEIN, dat geht ja gar nich' mehr. Ne, WER-SEIN, haste was, biste was, tollen Job muss man haben, tolles Haus, tolles Auto, tolles Handy...

Und dann gibt es Menschen, die empfinden diese Diskrepanz zwischen einfach nur "DA SEIN-WOLLEN" und dem Zwang WER-SEIN-MÜSSEN und manche werden krank und manche machen sich auf die Suche. Das sind die, von denen der Text erzählt. Ist ja schon ulkig, was manche da so treiben. Ein Grund zum Schmunzeln, ja. Aber eigentlich für mich der Bewis, wie weit man sich vom eigentlichen DA-SEIN entfernt hat. Und wer sich auf diese Weise darüber amüsiert, macht es doch irgendwie zu einem Fass ohne Boden. Denn er erhebt sich wiederum über die, die sich über die anderen erhoben fühlen und so entfernen wir uns mehr und mehr.

Licht und Liebe und friedliches DA-SEIN für heut Abend,

Sanne
 
Konstruktive Kritik?

Wo ist die Grenze? Marcel fragte nicht ohne Grund.

Falls ich mich richtig verstanden fühle,
danke ich Katha mal unverbindlich mit einem Foto -
dafür, daß ich mich bei "Lebenswert" anmeldete.
Tom scheint die Quelle des Frohsinns vereinahmt.

In jedem Forum findet man die passende Gesellschaft.
Auf der Weide heute die letzten
Champinjungs.

Freundmöglichst
Wolfgang
 

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Sein oder Nicht-Sein - das ist überhaupt die Frage.

Alles was ich haben kann, lass ich irgendwann mal los oder verlier's freiwillig oder unfreiwillig oder... Irgendwann kann jederzeit sein, zum Beispiel jetzt. Sein und Jetzt - ein starkes Paar - im Hier und Jetzt sein, und immer passend, zur passenden Zeit...

Sein und Haben teilt die Welt, daraus entstehen die Spielregeln der Dualität. Jesus ist das Licht - Luzifer ist der Lichtträger, hat somit das Licht. Sein und Haben, als das helle und das dunkle Prinzip.

Avoir auf Französich - à voir? zu sehen? Auf Deutsch: Haben als gewandelte Bedeutung von zu fassen / zu halten.

Ist damitHaben den materiellen Dimensionen zugehörig, und ist Sein somit Dimensionsübergreifend?

Haben die Schwere, Sein die Leichtigkeit? Wurzeln haben oder verwurzelt sein? Kraft haben oder Kraft sein? Glück haben oder glücklich sein?

Eine einfche Frage, Sein oder Nicht-Sein...!

Phil - osoph
 
Würde eher fühlen:
wenn Phi ...

in einer Antwort von einfachen Fragen spricht,
nachdem er unverblümt,
damit es bloß keiner merkt,
den Kern der Dinge aufblätterte,
vor dem sollte sich hüten,
wer Böses denkt, oder

... eine Lippe riskiert.

Wolfgang

PS. Seitdem ich mich kritisch mit den Dingen befasse,
bin ich immer weniger angefaßt.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Sein und haben

Ich HABE jetzt dieses Leben.
SEIN werd ich in Ewigkeit.
Das HABEN macht es mir möglich
mein SEIN zu erfahren.
Beides scheint mir untrennbar
für das Leben in der materiellen Welt.
Am HABEN (wollen) und lassen (können)
erweist sich, wer ich BIN.

Licht und Liebe,

Sanne
 
Die natur paßt sich unserer Schwäche an

Ich finde, wir können ruhig viel mehr Vertrauen haben und die Sorge um uns selbst in dem Maße aufgeben, als wir sie ehrlich anderen zuwenden. Die Natur paßt sich unserer Schwäche ebenso an wie unserer Stärke. Die ständige Anstrengung und Angst mancher Menschen ist fast eine unheilbare Krankheit geworden. Wir sind geneigt, die Wichtigkeit unserer Arbeit zu überschätzen. Und doch: Wie vieles ist ohne unser Zutun geschehen? Und wenn wir krank geworden wären? Wie vorsichtig sind wir doch! Wo es sich nur vermeiden läßt, sind wir entschlossen, ohne Vertrauen auszukommen. Den ganzen Tag auf der Hut, sprechen wir abends nur unwillig unsere Gebete und überlassen uns dem Ungewissen. So unbedingt und ausschließlich hängen wir an dem Leben, das wir führen, halten es hoch und verschließen uns jeder Möglichkeit einer Änderung. Das ist der einzige Weg, sagen wir. Aber es gibt so viele Wege, wie wir Radien von einem Mittelpunkt aus ziehen können. Jede Veränderung ist ein Wunder, des Nachdenkens wert,...
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Henry David Thoreau
 
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