Inspiration vom Maulwurf

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Inspiration vom Maulwurf

Es begab sich wie jedes Jahr, dass ein Maulwurf zum ersten
Fruehling beginnt, meinen Garten umzugraben.
Mein Nachbar erwischte mich kuerzlich am Gartenzaun und
sagte: "Herr Hegenauer, da muessen Sie was machen."
Ich: "Ach ja, na, tsss, naja..."
Er: "Doch doch, der geht ja nimmer weg sonst. Und wie das
ausschaut."
Ich: "Jaja, mmmh, naja, vielleicht, mal schauen."
Er: "Ja, frueher gabs da ja Gift, aber das darf man ja nicht
mehr. Aber heute koennen Sie ihn auch vertreiben, mit so
Mittel, der riecht das nicht gern und haut ab."
Ich: "Jaja, aha. Aber irgendwo leben will der ja auch."
Er: "Ja sicher - aber doch nicht in IHREM Garten."


MEIN Garten?
Stimmt schon. Im Grundbuchamt steht, dass der Grund mir
gehoert. Da sind Buesche gepflanzt, die "meinen" Raum
umgeben und an einigen Stellen ist ein Zaun.

Aber andererseits?
Ist das nicht ziemlich arrogant? Ich meine, wir Menschen
kommen daher und sagen: "So, das ist jetzt meins."
Dann betonieren wir den Grossteil "meiner" Flaeche zu mit
einem Haus (man wills ja schoen warm und trocken) und der
Rest ist dann "Garten". Aber bitte schoen nach Fahrplan, mit
gutem Rasen (nicht zu hoch!), netten Bueschen (immer schoen
pflegen!) und wehe da kommt so ein dahergelaufender Igel und
kackt mir in den Garten oder ein Maulwurf uebertritt meine
Grenze ... dann gibts Stinkemittel oder einen Genickschuss,
man ist ja kein Unmensch.

So ein Maulwurf versteht ja die Welt nicht mehr. Wo er
frueher schoen den fruchtbaren Boden lockern konnte, ist
heute undurchdringbarer, toter Beton. Und da, wo noch Reste von
Erde sind, da darf er auch nicht hin, weil ... weil ...
weils im Grundbuchamt so drin steht.

Eine Einverstaendniserklaerung des Maulwurfs war nicht
noetig.
Er haette sie wohl auch nie abgegeben, besser, man fragte
ihn erst gar nicht.

Wer ist denn da der Eindringling?

Ich betrachtete die Maulwurfshuegel und konnte einfach nicht
erkennen, warum ich nun das Recht haben sollte, den kleinen
Kerl zu verjagen. ER haette vielleicht alles Recht dazu,
MICH zu verjagen ... aber so ein Maulwurf ist ja Pazifist, der
tut sowas nicht und laesst mich in Ruhe.

Also hab ich ihm seinen Platz gelassen.
Ich weiss nicht warum, aber ein paar Tage spaeter verliess
er scheinbar "meinen" Garten.

Der Nachbar meinte, ich haette ihn verjagt. Dass das nicht
noetig war, naja, "Zufall" halt, "Glueck" gehabt.

"Mein" Grund und Boden.
Wie hat das eigentlich angefangen mit dem "mein Boden".
Ich habe ihn gekauft vom Vorbesitzer.
Der hat ihn gekauft von einem Bauern. Da war vorher Wald.
Bis die Gemeinde beschlossen hat, da sollen jetzt Haeuser
hin. Der Bauer verdiente ein Vermoegen. So ein Zufall, dass
er auch im Gemeinderat sass, nicht wahr?
Woher hat nun der Bauer den Wald gehabt?
Von seinem Vater. Und der? Von dessen Vater.
Aber wann hat das angefangen? Wann kam mal einer und sagte:
"So, das ist jetzt meins!" ?
Und unter uns: Woher nahm sich dieser Mensch damals das
Recht?

Ich koennte mir vorstellen, frueher hat das irgend einem
Fuersten gehoert. Der hat es wohl vom Koenig bekommen. Der
hat es wohl vom Kaiser ... und der hat es wohl vom Papst.
Und der hat es ja von Gott direkt, nicht wahr?

Muss ein ziemlich gutes Geschaeft gewesen sein fuer einen
Haufen Leute ueber viele Jahrhunderte hinweg.

Gab es mal eine Zeit, da gehoerte Land niemandem? Da baute
ein Mann ein Haus, wo er es fuer richtig fand, gemeinsam mit
seinem Stamm? Dort lebte er mit den seinen und man konnte
sagen, es war sein Haus ... aber niemand waere auf die Idee
gekommen, dass es "sein" Grundstueck waere.

Und dann kam wer und sagte: "Nettes Haus, aber das
Grundstueck gehoert mir. Doch keine Sorge, die Grundsteuer
ist echt bezahlbar."

Ziemlich wirr, nicht wahr?
Aber so muss es wohl gewesen sein.
Oder glaubt einer meiner Leser, dass unsere uralten
Vorfahren schon Landbesitz hatten? Nicht wirklich.

Spannend.
Zurueck zum Punkt: Die Sache mit dem Landbesitz muss ein
geniales Geschaeft gewesen sein. Einige Leute hatten damit
fuer hunderte von Jahren ausgesorgt.
Zwar auf Kosten der arbeitenden Bevoelkerung, aber was
solls.

Selbst heute verdient es sich mit dieser wirren Idee nicht
schlecht. Bei uns kostet der Quadratmeter 250,- Euro. Ein
kleines Grundstueck mit 1000 Quadratmetern schlaegt
gleichmal mit 250.000,- zu Buche. So viel haben wenig Leute in der
Portokasse ... also laeuft man zur Bank und leiht sich das
Geld. Gegen die Verpflichtung, es mit Zinsen zurueckzuzahlen
und dafuer viele viele Stunden eine Arbeit zu machen, die
einem vielleicht nicht gefaellt.

Aber hat ein Mann die Wahl, der ein Haus fuer seine Familie
bauen will? Eine uralte, natuerliche Sache eigentlich.

Und wer sich das nicht leisten kann oder will, dem wird hier
vielleicht sogar ein Grundrecht verwehrt.
Ein Maulwurf koennte das nicht verstehen - fuer so einen
Schmarrn braucht es schon ein hochentwickeltes menschliches
Gehirn.

Doch mal weiter im Text:

Das ist ja ueberhaupt DIE Geschaeftsidee.
Man verwehre dem Menschen etwas, das es erstens kostenlos
gibt und das zweitens seiner Natur entspricht.
Er wird es haben wollen, wird sich danach sehnen, er wird
davon traeumen. Und er wird bereit sein, dafuer zu bezahlen.
Er kann ja gar nicht anders, es ist eben seine Natur.

Das koennte man ja ausweiten auf...
...Wasser ...
Ups, da bin ich zu spaet - der Plan wird ja aktuell schon
verwirklicht.

Mmmh, vielleicht das Recht auf eine sinnvolle
Beschaeftigung?
Frueher fragte man nicht lange. Man tat, was zu tun war.
Echte Arbeit und am Abend war man muede und zufrieden.

Heute geht das anders: "Das brauchst du nicht machen, das
geht jetzt viel einfacher und moderner, lehn dich zurueck."
Ja, lehn dich zurueck, entspann dich, jetzt hast du endlich
Zeit zum fernsehen, kannst einen neuen Klingelton in dein
Handy programmieren (gegen Gebuehr, versteht sich) oder dir
die Nacht im Internet um die Ohren schlagen.

Klug, nicht wahr?
Man hindere den Menschen an der Ausuebung seiner
urspruenglichen Instinkte (z.B. eine sinnvolle Arbeit zu
tun) und macht ihn unzufrieden. Dann gebe man ihm gegen eine
geringe Gebuehr die "Loesung", die natuerlich keine ist
(sonst wuerde er ja nicht morgen wieder im Laden stehen muessen).

Sagte ich Mensch?
Neinnein, ich meinte natuerlich den "Verbraucher".
Der ist ja kein Mensch mehr - wenigstens wird das ehrlich so
kommuniziert. Scheint bloss keinen zu interessieren.

Achtung, findige Unternehmer da draussen. Hier kommt die
ultimative Geschaeftsidee:

Man nehme den Menschen die Moeglichkeit, Kinder auf
natuerlichem Wege zu bekommen.

Ich garantiere: Die laufen die Waende hoch und tun ALLES
($$$), um diesem extrem starken Urtrieb nachzukommen.

Verschuldung, Abhaengigkeit, von mir aus Sklaverei - der
Mensch waere zu allem bereit, unterschreibt JEDEN Vertrag
mit dem Teufel, um seiner Natur Geltung zu verschaffen.

Humbug?

Na, ich weiss nicht so recht.
Ueber die Jahrhunderte hat es sich eingebuergert, dass Land
zu "Eigentum" wurde. Wasser ebenso. Frueher war das
unbestreitbar nicht so ... aber im Laufe der Zeit konnte man
das durchsetzen und dicke Profite einfahren.

Die Menschen in grauer Vorzeit konnten sich nicht
vorstellen, dass man in Zukunft Land "kaufen" und "besitzen"
koennte.

So wenig, wie wir uns heute vorstellen, ein Recht auf Kinder
kaufen zu koennen.
Genau das waere jedoch die logische Fortfuehrung einer
materialistischen Welt.


Auf was fuer Ideen einen so ein kleiner Maulwurf bringen
kann.


thomas

Lebenswert.de - Inspirierende Geschichten aus dem Alltag seit 1999
Aus diesem Newsletter darf mit Quellenangabe ohne zu fragen
zitiert und kopiert werden, ich bitte sogar darum.

Er darf, soll, ja MUSS auch an andere weiterverschickt
werden.
 
Ausweg ...

www.spezial-reporte.com/html/austiegparadise.php

Lieben Gruß :cool:
 
Hallo Ihr Lieben,

den Text von Thomas fand ich ganz toll. In meinem Umfeld ist mir aufgefallen, dass alles, was man "mein" nennen darf/kann gehegt, gepflegt und verteidigt wird (insbesondere Garten) jedoch die Pflanzen im Nachbargrundstück mit den "Füßen zertreten" werden. Vieles scheint erst einen Wert zu bekommen, wenn es ein "mein" wird. Traurig finde ich sowas.

Als wir vor ein paar Jahren in unsere jetzige Wohnung gezogen sind, hat mein Mann für die Terrasse Steine "gekauft". Ich war richtig sprachlos! Wieso muss man für Steine Geld hinlegen? :confused:

Nachdenkliche Grüße
Sema

PS: MisterX, danke für den interessanten Link. :)
 
Hallo Sema,

ich muss dabei an ältere, zum Beispiel auch die "germanische" Rechtsauffassung denken, nach der man Land zwar (zeit seines Lebens) besitzen, aber kein Eigentum daran erwerben kann. Es ist weder verkäuflich noch vererbbar, wohl aber in BESITZ zu nehmen, solange a) es kein Anderer besitzt und b) man es bewirtschaften kann. Das römische Recht hat hat sich, mit gänzlich anderen Vorstellungen, da aber durchgesetzt.



Herzliche Grüße von

Leòn
 
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