Ein Mediziner studiert um Menschen zu helfen,
dass man das mit einem Kunstwerk vergleicht finde ich absurd. Oder entstand daraus das Wort Kunstfehler?
Hallo Dora,
der Film ist gut und kritisch. Doch läßt man mal die Bürokratie, die sogenannte Evidenz und ähnliches außen vor, dann ist es wirklich eine Kunst die richtige Diagnose für diesen einen Patienten zu stellen und daraus eine Behandlung abzuleiten.
Es ist aber nur dann eine Kunst, wenn man von einem Hausarzt ausgeht, der den Menschen als Ganzes betrachtet, sich seine Krankheitsschilderung geduldig anhört, seine sozialen und weiteren Lebensbedingungen ebenfalls in Erfahrung bringt, ihn selbst gründlich körperlich untersucht und all diese Informationen dann zugrunde legt, um die richtigen Medikamente, evtl. weitere Untersuchungen und Tests durchzuführen. Er muß auch berücksichtigen, daß jeder Mensch anders ist, anders auf Medikamente, Eingriffe reagiert. Daß die Tests bei gleicher Krankheit wie bei anderen dennoch unterschiedlich ausfallen können. Das alles kann er nur unter einen Hut bringen, wenn er empathisch mit dem Patienten interagiert, neben seinem medizinischen Fachwissen, seine Intuition und Erfahrung einbringt. Einige der Ärzte sagen im Film Ähnliches, insbesondere Maio. Alles zu berücksichtigen und sich dann für eine Behandlung entscheiden - das ist tatsächlich eine Kunst.
Diese Kunst praktizieren heutzutage selbst in Praxen die wenigsten Ärzte und in den Kliniken können sie es nicht, weil die Zeit fehlt. Da sitzt ihnen die Wirtschaftlichkeitsforderung der Klinikleitung im Nacken.
Die Aufgliederung in Facharztbereiche und entsprechende Klinikabteilungen ist daher in vielen Fällen völlig verkehrt, weil man dort zwangsläufig für die Ganzheitlichkeit des Menschen und weitere Krankheitsursachen blind wird, wenn sie einem anderen Fachbereich zuzuordnen sind.
Etwas besser ist die Situation in einer Klinik, wenn der Hausarzt sich gut mit dem Ober- oder Chefarzt versteht und die Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Der Hausarzt kennt den Patienten und sein Leiden immer noch am besten und wenn er vertrauenswürdig ist, wird er alles mit dem Patienten besprechen. Der Hausarzt kann seine Patienten sogar auf die "falsche" Abteilung zu dem gewünschten Chef legen lassen, damit dieser Einfluß bestehen bleibt. Doch auch das gibt es nur noch in Ausnahmefällen.
Dabei darf auch nicht vergessen werden, daß die Medizin nach wie vor ERFAHRUNGS-Medizin ist. Daran ändern auch die vielen Tausend Studien nichts, auch Evidenz ist nur ein Hilfsmittel, oft gar ein Irreführendes. Medizin ist keine Wissenschaft im eigentlichen Sinne - das geht gar nicht, weil jeder Mensch anders ist. Dann trotzdem etwas richtig zu machen, hängt letztlich allein von der Erfahrung des Arztes und seiner Integrität ab.
Gruß,
Clematis