Geburtstagsschläge

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Landi356

In meiner Familie gibt es einen Brauch; am Geburtstag bekommt der Jubilar den Hintern versohlt. Anzahl der Schläge ist um eins größer als das Alter. Jeder darf mal.
Mein Vater ist recht stark. Er hält denjenigen fest. Wehrt dieser sich dagegen, so nutzt der Vater auch roher Gewalt.

Mein neunter Geburtstag wurde groß gefeiert, ich kann mich noch erinnern wie mein Vater alle aufbrachte hinter mir her zu jagen. Alle Freunde, Familie rannten alle hinter mir her. Natürlich kriegten sie mich irgendwann. Dann wurde ich festgehalten. Ich weiß es noch genau, dass ich mich mit allem was ich hatte dagegen wehrte. Ich schlug um mich und zappelte. Nichts half. Ich war ihm hilflos unterlegen. Und dann durften zehn Leute reihum einmal hauen. Feste oder sanft, wie man wollte. Alles war erlaubt.

Ich bin nun Ende dreißig und mir war lange nicht bewusst, dass ich unter elterlichen Gewalt litt. Zu erst verstand ich in Therapien, dass unkontrollierte Ausraster mir bis ins Erwachsenenalter schadeten. Diese Woche habe ich mit meiner neuen Partnerin Bilder von früher gesehen. Eines dieser Geburtstagsschlagen war auch dabei. Sie war schockiert. Ich dachte das, bis heute, sei normal und war überrascht, dass sie diese "Tradition" nicht mal kannte.
Egal ob sie es kennt oder nicht. Es ist ritualisiertes Schlagen. Ich kenne keine pädagogische Rechtfertigung oder ähnliches. Völlig hirnloses.
Geplantes und damit vorsätzliches Schlagen. Übrigens wurde das auch bei Erwachsenen in meiner Familie gemacht. Wobei ich es in den letzten zehn Jahren nicht mehr mitbekommen habe.

Sehr spannend war, dass bei diesen Fotos eine meiner Cousinen ca zwei einhalb Jahre alt war. Sie wurde auch aufgefordert zu schlagen und kuckt entsetzt und schockiert. Eine völlig natürliche Reaktion. Meine Mutter nimmt sie in den Arm und erklärt ihr, dass es nicht schlimm sei und dass man in dieser Situation hauen dürfe.
Erwachsene versuchen also vorsätzliche die natürlichen Reaktionen wegzureden. Das Kind soll hier also lernen, dass Schlagen (in diesem Rahmen) OK sei. Gleichzeitig lernt es auch, dass die eigenen Gefühle"falsch" sind.




Mit meiner Partnerin habe ich darüber gesprochen. Ihre Schwester hatte ich die Bilder auch gezeigt, auch sie (Erwachsen) ist schockiert und bringt nur Überverständnis heraus, weiß aber gar nicht wie sie es äußern soll, da sie schockiert ist.

Also, wir beide reden viel. Auch darüber. Mir wird klar, dass ich auch unter diesem Ritual leide. Es ist eine heftige Demütigung vor der gesamten Familie und teils Freunden übers Knie gelegt zu werden. Jeder beteiligt sich. Keiner hilft einem. Ohnmacht greift sich Raum. Natürliche Gefühle die es falsch finden dürfen nicht sein.
An anderen Geburtstagen wurde ich auch zum Mittäter. Ich merke da Schuld in mir aufkommen, aber gerade ist das Gefühl des Opfers größer.

Es ist mir so unbegreiflich wie man Kinder, erst recht sein eigenes Kind, schlagen kann. Nun wächst meine Erschütterung noch mal, weil ich nicht verstehe wie es nicht nur aus einer Überforderung kommen kann, sondern sogar geplant und ritualisiert.



Kennt ihr diesen Brauch? Ich habe wenig beim Googeln dazu gefunden, dachte es sei normal, ist es aber scheinbar nicht - zum Glück-

Habt ihr das auch erlebt/mitgestaltet?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo Bastian,

den Brauch am Geburtstag kenne ich nicht, er ist jedoch bei der Ausbildung zum Piloten in meiner Umgebung noch üblich. Man bekommt die Schläge auf den Hintern nach dem 1. Alleinflug ohne Begleitung eines Lehrers. Entstanden ist das dadurch, dass man in der Zeit ohne die heute üblichen Instrumente als Pilot feinfühlig auf steigen oder sinken des Gerätes (und damit dem wechselnden Druck auf das Gesäß) reagieren sollte. Es hat mir damals (kurz nach der Wende) auch nicht besonders gut gefallen.
 
Geburtstagsschlagen ist natürlich kein allgemein bekannter Brauch, nirgendwo auf der Welt. Aber es gibt eben sadistische und grausame Menschen, vor denen man auf der Hut sein muss. Um bestimmte Berufsstände, die traditionell ein Sammelbecken von solchen Psychopathen sind, sollte man auch einen möglichst großen Bogen machen.
 
Hallo Landbastian,

was es doch für seltsame Bräuche gibt :rolleyes: , und wie gut, daß Du Dir jetzt darüber überhaupt Gedanken machst🖕.
Bitte schaffe diesen Brauch soweit es Dir möglich ist, sofort in Deinem Umfeld ab , egal, was andere dazu sagen mögen.

Dieser sadistische Brauch muß einen seltsamen sadistischen Erfinder gehabt haben.

Grüsse,
Oregano
 
Hallo Landbastian,

ich war auch schockiert über Deinen Bericht und habe mal nachgeschaut: hier steht etwas dazu:


In der zweiten Antwort steht unter anderem, dass dieser Brauch daher rührt, dass man als Neugeborener(e) einen Klaps auf den Po bekommt (zum angeblichen Freiwerden der Atemwege) und diese, wohlgemerkt leichten Klapse nun zu jedem Geburtstag als Glückbringer dienen sollen.
Schön finde ich diesen Brauch trotzdem nicht, zumal diese Aktion, wie empfunden, eher zum Ausleben von Aggressionen zu dienen scheint.

Liebe Grüße
Kayen
 
Lieber Landbastian,

Dann wurde ich festgehalten. Ich weiß es noch genau, dass ich mich mit allem was ich hatte dagegen wehrte. Ich schlug um mich und zappelte. Nichts half. Ich war ihm hilflos unterlegen. Und dann durften zehn Leute reihum einmal hauen. Feste oder sanft, wie man wollte. Alles war erlaubt.

es gibt ja die seltsamsten Bräuche. Sofern dort nichts geschieht, was Leib und Seele schadet, kann ich vieles verstehen, auch Kurioses.
Aber du schreibst von deinem 9. Geburtstag: "Alles war erlaubt", siehe Zitat oben. Ich nehme mal an, auch brutales Verhauen.
Ich ordne das ein in ritualisierte Gewalt und fühle mit dir. Lass dir nicht einreden, dies sei normal, das ist es nicht.

Grüße von andra
 
Ich ordne das ein in ritualisierte Gewalt ...
Sehr ähnlich nennt das Landbastian in seinem ersten Beitrag
Es ist ritualisiertes Schlagen.
und ich denke, man müsste sich auch fragen, wie eine Familie, wie Eltern dazu kommen, ihren Kindern das antun zu müssen! Und dann Gewalt und Geburtstag, Angst und Freude zu verbinden, das ist für mich auf jeden Fall auch psychische Gewalt, oder sogar Psychoterror! Leider.
 
Hallo Landbastian,
noch nie zuvor davon gehört. Habe jetzt kurz recherchiert. Es scheint in den USA in manchen Familien üblich zu sein. Auch beim englischsprachigen wiki wird es neben einigen anderen seltsamen Traditionen erwähnt. Mehr als ein Männlichkeitsritual. https://en.wikipedia.org/wiki/Birthday_customs_and_celebrations
Hier ist ein Artikel von einem erstaunten Schüler, der ebenfalls dachte, das wäre üblich.

Ich stimme dir zu, wenn du schreibst, dass es eine Demütigung ist vor der gesamten Familie und von Freunden übers Knie gelegt zu werden. Es ist grenzüberschreitend.

Aber es ist keine geringere Demütigung für ein Kind im Stillen geschlagen zu werden. Mein Vater hatte für seine Kinder noch einen Rohrstock neben der Heizung stehen und da hat es noch längst nicht aufgehört.
MaxJoy hat zumindest bei meinem Vater Recht. Er war ein Sadist und es hat ihm Spaß gemacht. Ich weiß das. Das war der totale Psychoterror für mich und meine Brüder.

Ob das auch auf deinen Vater zutrifft, lässt sich so einfach nicht beantworten, finde ich. Eigentlich bezweifle ich das. Er hat dich ja sonst nicht geschlagen, wie ich dich verstehe.

Psychologisch gesehen ist es nach meiner Erinnerung so, dass derjenige, der etwas als Kind erfährt und es nicht schlimm fand, es bei seinen Kindern auch tun wird. Auch wenn es ein höchst seltsames Ritual ist, war ihm vielleicht nicht wirklich bewusst, was er dir antut, weil er es nicht als schlimm empfand, als er ein Kind war.
Nun bleibt uns sowieso nichts anders übrig, als mit den Sünden unserer Väter zu leben.

Wenn dein Vater noch lebt, dann rede doch mal mit ihm darüber. Es könnte dir vielleicht helfen einen anderen Blick darauf zu gewinnen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun bleibt uns sowieso nichts anders übrig, als mit den Sünden unserer Väter zu leben.
Oder auch den "Sünden" der Vätersväter?
Natürlich hat diese Familie auch eine längere Geschichte, eine Vergangenheit,
aus einem andern Thread von Bastian .....
Bei meinen Eltern gelernt, dass jeden Tag Alkohol getrunken wird. Beide trinken einige Liter Bier am Abend. Großvater (evtl durch Kriegstraumata) hat sich regelrecht zu Tode gesoffen. 16 Jahre Vollrausch habe ich mitbekommen mit stetiger Steigerung bis zur Todesursache Leberzirrhose. Dessen zweiter Enkel, mein Cousin, auch seit Jahrzehnten Trinker.
und von mir dazu symptome.ch/meine-alkoholgeschichte #22

oder das:
Und was, wenn das eigentliche Problem gar nicht der Alkohol ist?
Wenn ein dahinter (vielleicht) liegendes Problem auch nach Jahren ohne Alkohol noch gar nicht berührt wäre?
Dann würden natürlich die Auswirkungen des Alkohols wegfallen, ja.
Aber eben nicht das (vielleicht) dahinter liegende (Grund-) Problem.
So ähnlich kommt es mir vor, kann es aber nicht weiter begründen.
 
@Gleerndil Dass das Leben eines jeden Menschen auch Resultat seiner Kindheit und Jugend ist, davon können wir fest ausgehen. Dass das ebenso für das Leben seiner Eltern, Großeltern, etc. gilt, auch.

Es ist wahr und ich hatte es vorher schon geschrieben. Viele Dinge ziehen sich in Familien über Generationen. Denn die Dinge, die man als Kind nicht schlimm fand, macht man später als Erwachsener selbst in seiner Familie. Das gilt für vieles. Es soll sogar Familien mit einer langen Missbrauchsgeschichte über Generationen hinweg geben.

Beim Thema Alkohol ist die Familie von Landbastian sicher nicht die einzige. Und bei Alkohol ist es wirklich schwer und braucht viel persönlichen Einsatz, aus dieser Sucht herauszukommen. Aber mit Willen geht alles.

Meine Mutter war die meiste Zeit meiner Kindheit Alkoholikerin. Ich selbst habe später einige Jahre jeden Abend nach Feierabend viel Alkohol getrunken. Bin aber damals nicht abhängig geworden und trinke seit Jahrzehnten kaum mal Alkohol. Alkohol und Drogen sind Flucht.

Für mich persönlich kann ich bei dieser Generationenfrage nur sagen- Ich habe eine solche Geschichte über Generationen meiner Familie hinweg nicht.
Wohin hat es mich gebracht, mein Leben lang Entschuldigungen und Erklärungen dafür zu finden, was in der Kindheit und Jugend meiner Eltern passiert ist, dass sich meine Eltern ihren Kindern gegenüber so verhalten haben. Warum sie charakterlich so waren. Ich sage es dir. Nirgendwohin. Und ich will sie auch nicht mehr entschuldigen.
In der Reha durften Traumata nicht in den Gruppen besprochen werden. Doch ich bin Samstags Mittag vom Mittagsschlaf aufgewacht und mache die Augen auf. Da war ich das kleine Mädchen, dass das erste Mal im Leben von seinem Vater verprügelt wurde. Ich habe die Fassungslosigkeit, den Schmerz, den Vertrauensverlust, die Enttäuschung gespürt, als wäre es gerade passiert.
Die erfahrene Gewalt ist wohl mein größtes Trauma. Lange war mir das nicht so klar. Vielleicht weil alle so tun, als wäre sex. Missbrauch das Schlimmste für ein Kind.
Obwohl ich natürlich früh bemerkt habe, was los ist. Wenn mein Mann den Kindern gegenüber in seltenen Fällen mal laut wurde, bin ich sofort selbst zum Kind mutiert und fand es unerträglich.
Der Rest, den meine Brüder nicht selbst erfahren haben und mir bis zu ihrem Tod auch nicht glaubten, der kam nur noch oben drauf.

Ich bin zum Glück schon immer ein ziemlich starker und eigensinniger Charakter, der nicht gebrochen werden konnte (dazu hätte man mich schon erschlagen müssen) und es trotz der weiteren negativen Geschichten mit meinem Vater geschafft hat alles weitestgehend hinter sich zu lassen und ein normales Leben zu führen. Finde es heute schade, dass ich nicht früher all meine Energie hineingesteckt habe, das aufzuarbeiten.
Denn ich habe ein Leben geführt, das durch diese Kindheit mitgeprägt war, was natürlich auch verschiedene praktische Folgen hatte. Aber besser spät, als nie.

Davon, eine solche Kindheit mit einer Konfrontationstherapie aufarbeiten zu wollen, indem man in einer Firma mit einem Chef bleibt, der an vielen Punkten charakterlich wie der eigene Vater ist- unberechenbar, herabsetzend, beleidigend, rumbrüllend, autoritär, etc. und bei dem man für jedes Objektgespräch Überwindung zur Konfrontation braucht, kann ich nur abraten. Auch wenn man ansonsten die größten beruflichen Freiheiten hat. Da habe ich mich überschätzt, denn das hat mich schließlich nur in die Retraumatisierung geführt.

@Landbastian Meine Geschichte zeigt wie die wie von Gleerndil und vielen anderen Menschen, dass es so wichtig ist die alten Belastungen aus der Kindheit aufzuarbeiten, bis man damit abschließen kann. Denn sie können den Menschen sonst jederzeit im Leben erneut einholen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für so viele Beiträge.

Mir fehlt die Energie auf alle einzeln einzugehen. Manches triggert mich sehr. Deshalb etwas allgemeiner meine Antwort.

Durch eine neue Partnerschaft kommen auch immer neue Sichtweisen und manch altes wird in Frage gestellt, manches aufgebrochen. Bei mir führt das gerade genau dazu. Man lernt sich kennen und nach ein paar Monaten schaut man alte Fotos. Für mich war das nicht besonders, dass auf den Fotos meine damals elfjährige Cousine Opfer dieses "Brauches" wurde. Für meine Partnerin jedoch sehr.
Da wollte ich mehr wissen. Ohne sie eingeweiht zu haben wie ich oder meine Freundin darüber denke, habe ich der Schwester meiner Freundin einf ah so die Bilder gezeigt und nun erklärt "da ist mein Onkel, meine Oma.... Blabla" sie wurd schlagartig ruhig und ihr stand der Schock ins Gesicht geschrieben als sie diese dokumentierten Schläge sah, die.ich bewusst nicht anprach.

Ich fragte was los sei. Und darüber entstand ein Gespräch indem sie ihre Stärke Irritation und Ablehnung zum Ausdruck brachte. Das beschäftigte mich stark und wir drei Sprachen darüber. Tags drauf hatte ich ein Abzess am Hintern. Zwei Wochen hat er mich begleitet.


Viele Dinge sind seither unbewusst passiert. Ich sehe viele Symptome die darauf hindeuten.

Meine Eltern sind quasi unzertrennlich. Ich wollte aber mit meiner Mutter alleine reden. Denn das Gespräch letztes Jahr über körperliche Gewalt wollte sie nicht mitmachen, denn sie habe es mir ja nicht angetan. Mein Vater war trotz monatelanger Vorbereitung nur in der Lage zu sagen, dass ich (als Kind) eine Mitschuld getragen habe. Was um drei Ecken gedacht sagt er habe den anderen Teil der Schuld und in seiner Welt ist das eine Bitte um Verzeihung.
Nun also gibt's das geliebte Deutschlandspiel. Meine Mutter also in EM Fieber. Mein Vater kann damit nichts anfangen und macht zu der Zeit immer was anderes. Eine ganz seltene und planbare Situation um ein Gespräch zu suchen.



Ich also dahin und ein Gespräch begonnen mit Mutter alleine. Erste Reaktion „Du hast dich sehr lange darauf vorbereitet. Ich hatte gar keine Chance dazu“. Darauf erklärte ich ihr, dass ich vor zwei Jahren bereits das Thema ansprach und um ein Gespräch gebeten habe. Sie antwortete mir mehrmals, dass sie das nicht schaffe und ist selbst nie auf mich zu gekommen. Ich also weiter: daraus kann ich also schlussfolgern wie wichtig dir das Thema ist. Das hat sie dann wohl gepackt. Fernseher aus und zugehört. Nach drei Minuten sagte sie, dass es ihr unendlich leid tue, dass das falsch war und dass sie das nie wieder einem Kind oder sonst wem antuen würde.

Das tat mir in der Tat sehr gut. Es war für sie ein Gefühlsausbruch, auch wenn Beobachter sie noch immer als kalt empfinden würden. Keine körperliche Reaktion. Gleiche Stimme, gleiche Körperhaltung, keine Annäherung oder Ähnliches. Sie ist recht separiert von ihrer Gefühlswelt und löst solche Dinge intellektuell. (Keine Wertung, nur Beschreibung)



Ok, also ein gutes Gefühl bei mir. Es war nicht alles gelöst, aber immerhin. Tagsdrauf musste ich zufälligerweise wieder dahin. Hatte was vergessen. Halbe Stunde Autofahrt hin und eine halbe zurück. Hätte ich mir gerne gespart und dementsprechend kurz wollte ich nur bleiben. Mein Vater telefonierte grad, schaute mich nicht mal an als ich rein kam.

Hab nur was holen wollen und direkt wieder weg.

Dann erreicht er mich grade noch als ich die Tür schon geöffnet hatte und sagt er wolle mit mir sprechen. Wir stehen beide im Hausflur. Er sagt es sei nicht richtig gewesen mich an den Geburtstagen geschlagen zu haben. Ich bin verwundert und frage nach was mit den anderen Malen sei. Die „lustigen“ Schläge ins Gesicht, die er als Spiel verkaufte, die Ausraster als er mit irgendwas überfordert war und wild auf mich eindreschte und mir ja letztes Jahr noch Mitschuld dafür gab…..



Er sagte Niemand hätte Schuld daran, dass er geschlagen werde.

Ich: „Woher kommt denn nun diese Einsicht?“

Er: SChulterzucken

Ich:“Woher kommt das denn, dass du mir das jetzt sagst? Wir hatten doch ein Gespräch darüber und da sagtest du ich habe Mitschuld.“

Er:“Vielleicht durch nochmaliges Nachdenken….“



Er komisch alles…. Kurz danach ging ich. Es fühlt sich nicht echt an. Es fühlt sich nicht nach Reue an. Es fühlt sich nicht nach Schuldeingeständnis an oder nach Bitte um Vergebung. Es fühlt sich nach gespielter Reue vor Gericht an. Nach „Ja, ich hätte nicht zu schnell fahren dürfen, aber ich hatte es eilig, weil…..“



Ich weiß noch nicht wie es weitergeht. Aber nach 15 Jahren Stillstand ist zumindest Bewegung im Thema. Meine Freundin meint es sei halt seine Art sich auszudrücken, er könne bestimmt nicht anders.



Mag sein, dennoch fühlt es sich nicht gut an. Das Gespräch mit Mutter schon, aber nicht das mit dem Vater. Ich bin gespannt wie es weitergeht. Ich lese alles was hier geschrieben wird, auch wenn ich nicht immer (zeitnah) antworte / mich dazu in der Lage sehe.



Vielen Dank fürs Lesen, für das Teilen von Meinungen und Eindrücken. Auch wenn ihr mir fremd seid, so hilft auch das mir eine Meinung zu bilden.



Herzliche Grüße
 
Die Vergangenheit kann man nicht ändern und seine Mitmenschen meist auch nicht. Ich finde es aber gut, dass dieses Thema für dich aufarbeitest, und bin mir sicher, dass du diese 'Tradition' nicht bei deinen Kindern fortsetzen wirst.
 
Die emotionale Erstarrung deiner Eltern könnte ein Hinweis darauf sein, dass auch sie in ihrer Kindheit misshandelt wurden. Bettina Wegner hat dazu mal ein Lied geschrieben:

Bettina Wegner - Kinder (Sind so kleine Hände)

 
Die emotionale Erstarrung deiner Eltern könnte ein Hinweis darauf sein, dass auch sie in ihrer Kindheit misshandelt wurden. Bettina Wegner hat dazu mal ein Lied geschrieben:

Bettina Wegner - Kinder (Sind so kleine Hände)


Ja, da vermutest du richtig. Beide haben körperliche Gewalt erlebt in ihrem Elternhaus, beide wollten das selber nicht weiterführen.

Und davor die Generation waren alle 4 stark vom Krieg betroffen als Kinder... Kann man Gründe für finden. Am Ende zählen aber die eigenen Taten. Meine Eltern haben sich nicht damit auseinandergesetzt und wenig Fortschritt gezeigt.
 
Solche Kindheitstraumata sitzen tief und beeinflussen unbewusst unsere Stimmungen und Handlungen. Nur darüber reden genügt meist nicht, um sie wieder loszuwerden, und kann sie sogar verstärken. Ich finde die folgende Technik sehr hilfreich, um die Dämonen der Vergangenheit zu besiegen (es gibt hier im Forum auch ein paar Videos dazu, ich kann sie aber gerade nicht finden):

Bewege deinen Zeigefinger im Abstand von 30 - 40 cm wie das Pendel einer großen Uhr vor deinem Gesicht hin und her und folge ihm konzentriert mit den Augen. Erinnere dich dabei bewusst an die schlimmsten Demütigungen, die du in deinem Leben erfahren musstest. Du wirst merken, dass du die Szenen zwar abrufen kannst, aber durch die Konzentration bei den Augenbewegungen wirst du die damit verbundenen negativen Gefühle nicht aufbauen können. So programmierst du dein Gehirn um und löschst dein Trauma ein für allemal.

Wiederhole die Übung in den folgenden Tagen noch ein paar Mal. Du kannst auch deine Freundin bitten, die Bewegungen mit dem Zeigefinger zu machen, und es gibt auch Therapeuten, die diese Technik anbieten. Aber man kann es wie gesagt auch selber machen.

Viel Erfolg! :)
 
Beide haben körperliche Gewalt erlebt in ihrem Elternhaus, beide wollten das selber nicht weiterführen
Haben sie das so gesagt, deine Eltern, dass sie das nicht wollten?
Du hast, meine ich, erzählt, dass es aber auch im Alltag nicht ohne Gewalt abging, oder?
Und dann die Geburtstage....waren da nie andere Kinder mal eingeladen, aus anderen Familien, die vielleicht mal was gesagt haben, wie es bei euch so zugeht!? Oder die das vielleicht auch ihren Eltern erzählt hätten, was sie gesehen haben?
Am Ende zählen aber die eigenen Taten.
Du meinst in dem Moment deine Eltern, wenn ich das richtig verstehe - und jetzt, heute, ist es dann dein Ding, diese Geschichte irgendwie aufzuarbeiten, aufzuklären und bestenfalls zu überwinden. Ich kenne deine Eltern nicht und nicht die ganze familiäre Situation, aber deine Eltern sind dir scheinbar nicht die größte und beste Hilfe auf diesem Weg, oder? Und eine Freundin, Partnerin, wie auch immer, könnte da auch sehr schnell an persönliche Grenzen kommen, meine ich.
 
es gibt auch Therapeuten, die diese Technik anbieten

das sollte man bevorzugen. bei wirklich schlimmen traumata oder auch, wenn diese evtl. verdrängt sind, kann es sonst ganz übel ausgehen.

es gibt mittlerweile aber auch etliche therapeuten, die sagen, daß man verdrängtes da lassen sollte wo es ist und sich auf die gegenwart konzentrieren und die positiv nutzen sollte und die damit auch erfolgreich sind.
 
es gibt mittlerweile aber auch etliche therapeuten, die sagen, daß man verdrängtes da lassen sollte wo es ist und sich auf die gegenwart konzentrieren und die positiv nutzen sollte und die damit auch erfolgreich sind.

Landbastian hat sich aber für die Aufarbeitung und nicht die Verdrängung seiner Traumata entschieden. Ich halte diese Pendeltechnik für sehr effektiv und sicher, mir hat sie jedenfalls sehr gut geholfen.

Davon mal abgesehen wird es immer Therapeuten geben, die mit ihren Methoden keinen Erfolg haben, und dann versuchen, das Problem zum Normalfall zu erklären. Schon klar, jeder hat irgendwelche Traumata, Fußpilz oder Mundgeruch, also alles ganz normal. :rolleyes:
 
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