Ganzheitliche Zahnbehandlung kann ganz schön daneben gehen

Themenstarter
Beitritt
10.01.04
Beiträge
72.704
In der Südd. Zeitung von heute wird unter der Überschrift "Ganzheitlicher Pfusch" von einem Mann berichtet, der auf rund 430.000,-- € " für seine körperlichen und seelischen Leiden sowie Verdienstausfall" geklagt hat. Und zwar möchte er dieses Geld von seinem "ganzheitlichen Zahnarzt" haben: Der Zahnarzt vertritt die These, daß alle in den Mund eingebrachten Materialien ebenso wie tote und wurzelehandelte Zähne negative Belastungen auf den Körper ausüben können. Er spricht von ‚Zahnstörfeldern‘, die durch Fremdkörper verursacht würden. Bei dem Geschäftsmann diagnostizierte er nach eingehender Untersuchung eine Allergie gegen Jodoform und Amalgam. ...
Es ging dem Mann darum, seine Neurodermitis loszuwerden. Zahnarzt: Würde er sich störende ‚Einschlüsse‘, Füllungen, Stifte und tote Zähne entfernen lassen, werde sich auch die Neurodermitis bessern.
Der Zahnarzt nahm umfangreiche Kieferausfräsungen vor und entfernte Knochen, darunter auch zahntragende Kieferteile (Alveolarfortsatz). Ergebnis: ... Schlimme Schmerzen und wochenlange Probleme mit den nicht passenden Prothesen... Letztlich fand er dann einen Zahnarzt, der ihm eine Prothese fertigte, mit der er wieder essen und trinken konnte.
Gutachter stellten der "ganzheitlichen" Behandlung in diesem Fall ein schlechtes Zeugnis aus. Die Behandlung sei unter keinem Gesichtspunkt indiziert gewesen – auch der "ganzheitliche Denkansatz" befreie den Arzt nicht von den grundsätzlichen medizinischen Anforderunen. Er hätte auf jeden Fall Dermatologen und Allerologen zu Rate ziehen müssen, denn als Zahnarzt sei er zu so weitreichenden Diagnosen nicht in der Lage.
Die Richter ... beim OLG München stellten fest, daß der ZA seinen Patienten darüber hätte aufklären müssen, daß er eine Minderheitenmeinung vertrete und seine Behandlung nur minimale Erfolgsaussichten abe. Sie schlugen als Vergleich eine Zahlung über 145.000,-- € vor....

Uta

 
Au weia. Das ist halt das Problem, dass es manche Zahnärzte gibt, die mittels Elektro-Medizin (=nicht anerkannt) Sachen beweisen und daraufhin radikale OPs durchführen. Wenn er dem Patienten gesagt hätte, er solle Allergieteste machen und soweiter, dann wäre er vielleicht sicherer gewesen.
Sogar Daunderer schreibt, dass sorgfältig abgewägt werden muss, ob man Zahnherde operiert, da es auch Nachteile gibt.

Vor so einer OP muss man was unterschreiben, dass man sich einverstanden erklärt uswusw. Ich finde, man muss doch auch selber mitdenken und Verantwortung für sich selber übernehmen. Man kann sich überall informieren und letztenendes muss man selber entscheiden, völliger Unfug, dass man später dann klagt.
 
Ich denke, das ist teilweise einfach zu viel verlangt, wenn ein unbedarfter Patient, der bisher keinen Anlaß hatte, sich groß Gedanken über Ethik und Wissen von Zahnärzten zu machen, zum sogenannten ganzheitlichen Zahnarzt kommt. Wenn der Leidensdruck sehr groß ist und der Geldbeutel noch voll, wird die Bereitschaft, auf so ein Angebot einzugehen, wahrscheinlich groß sein.
Abgesehen davon: welcher Laie weiß denn schon am Anfang eines Leidensweges, daß bestimmte Kieferteile nicht weggefräst werden dürfen (nur als Beispiel)?
Hier steht übrigens nichts von Elektromedizin, es steht nur etwas da von "umfangreichen Untersuchungen". Das beruhigt doch eher als daß es beunruhigt, so daß man anfängt, kritisch zu hinterfragen, was da eigentlich abläuft.
Wichtig finde ich auch, daß auf andere Ärzte verwiesen wird, die hier mitreden müßten. Aber die Realität sieht doch anders aus. Es wird immer wieder vergessen, die einzelnen Materialien auszutesten bzw. austesten zu lassen. Nachher schaut man dann dumm und ist klüger. Nur das muss man erst einmal wissen!
Mein Eindruck ist auch, daß kaum ein Zahnarzt wirklich mit einem anderen Arzt zusammen arbeitet. Meistens versucht doch jeder erst einmal, sein eigenes Schaf ins Trockene zu bringen nach dem Motto "nach mir die Sintflut". Natürlich gibt es auch löbliche Ausnahmen - zum Glück, sonst wäre das endgültig zum VErzweifeln.
Ich bin gespannt, ob sich die Parteien auf einen Vergleich einigen werden. Denn das würde dann leider bedeuten, daß der Richter keine Begründung liefern muss, so daß die prinzipielle Frage nach Recht und Unrecht in einer ZA-Behandlung nicht erörtert werden muss.

Gruss,
Uta
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Uta, dieses Thema ist sehr komplex und Teile Deines Beitrags sind sicherlich auch richtig. Die Grenze zwischen genial und Pfuscherei scheint gerade in der alternativen Zahnmedizin (so nenne ich die Herdgeschichte mal) sehr dünn zu sein.

Aus eigenem Interesse: Welche Kieferteile dürfen denn nicht weggefräst werden ?
 
Solange solche Zahnärzte keine schulmedizinischen Nachweise erbringen, dass die Entfernung von Zähnen und Herden notwendig sind (Allergieteste, Eiternachweis im Speichel, Autoimmunerkrankung), wird es immer wieder Fälle geben, die die Zahnherdtherapie in ein schlechtes Licht rücken. Der ganzheitliche Ansatz geht nach hinten los, wenn Hokuspokus wie EAV, Bioresonanz usw. angewendet werden. Diese Zahnärzte sind vielleicht sogar schuld daran, dass das Thema immer wieder in die "esotherische Ecke" abgeschochen wird. Gute Argumente lassen sich so abwürgen und medizinisch kommt man nicht weiter. Ich hoffe auf die Intelligenz der Patienten, die diesen Unsinn durchschauen und sich nicht das Geld aus der Tasche ziehn lassen.

ciao
 
Hallo Uta,

das mag grausam klingen, aber wenn es notwendig ist (und das muss vorher diagnostisch umfassend abgeklärt werden), sollte Zahnarzt oder Kieferchirurg am Kiefer operieren. Raucherbeine müssen auch amputiert werden, damit Eiter und Durchblutungsstörungen nicht zur Sepsis führen.
Aber wie gesagt, vorher alles schulmedizinisch genau bestimmen (ich denke, das wurde im Fall, der in der FAZ beschrieben wurde, nicht gemacht. Von daher hat der Patient natürlich ein Recht auf Schadensersatz).
 
> Solange solche Zahnärzte keine schulmedizinischen Nachweise erbringen,
> dass die Entfernung von Zähnen und Herden notwendig sind
> (Allergieteste, Eiternachweis im Speichel, Autoimmunerkrankung)

Allergieteste am Körper können zu zusätzlichen Belastungen oder Sensibilisierungen führen. Allergieteste im Labor werden an vielen Stellen als unzuverlässig und teuer charakterisiert. Welche Tests würdest Du durchführen wollen, um Herdgeschehen im Kiefer (schulmedizinisch) nachzuweisen?
Welche Treffsicherheit haben Eiternachweise im Speichel, wenn das Herdgeschehen apikal im Kieferknochen stattfindet?
In einem Klinghardt Vortrag in Baden Baden (link nicht mehr auffindbar) spricht er von einfach möglicher Punktion des Herdgeschehens. Dann wären entsprechende Laboruntersuchungen möglich. Gibt es hier jemanden, der so was schon am eigenen Leib (erfolgreich) erlebt hat?



> Hokuspokus wie EAV, Bioresonanz usw.

Ich muß zugeben, daß auch mir als Naturwissenschaftler die EAV Testungen etwas gespenstisch vorkommen, andererseits erscheint es mir offensichtlich, daß sich Akupunkturpunkte durch Hautimpedanzmessungen als Punkte mit signifikant verändertem Hautwiderstand lokalisieren lassen und daß sich auch Meridianzusammenhänge durch Stimulation anderer Punkte auf dem gleichen Meridian nachweisen lassen. Mir wurde mit EAV eine Wanderniere diagnostiziert, die im Röntgenbefund bestätigt und objektiviert werden konnte.
Operieren lassen möchte ich mir die nach ausgiebigen Literaturstudien aber immer noch nicht.
 
Das Thema "Wanderniere" per EAV hatten wir hier schon mal. Damit sind es schon 3 Fälle, bei denen eine "Wanderniere" bei der EAV-Testung herauskam. (Warst Du evtl. in München bei einem ZA und EAV, Zorro?)
Bei mir hat sich das per CT bzw. MRT nie bestätigt, und meine Beschwerden, wegen derer ich überhaupt bei der EAV gelandet bin (beim ZA) haben sich gelegt, nachdem tote Zähne, Entzündungen und unverträgliche Metalle entfernt wurden. Die toten Zähne und die Wurzelentzündungen hat der ZA mit EAV nicht gefunden...

Gruss,
Uta
 
Die EAV war ca. 1981 bei einem Facharzt für innere Medizin in BaWü wegen Allergien.
Das Xray mit Kontrastmittel in einer Gemeinschaftspraxis von Radiologen.
Du kriegst das Zeug gedrückt und wirst dann nach einiger Wartezeit vor der Röntgenkiste gedreht (auf den Kopf gestellt). Auf den Bildern sieht mensch, daß die Nieren 2,5 bis 3 Wirbelkörper weit hin und her wandern.
Ich war davon sehr beindruckt und habe das erstmal als diagnostischen Erfolg für die EAV gesehen.

Wenige Stunden in der urologischen Fachbibliothek einer Uni-Klinik (mit einem befreundeten Mediziner) brachten als Ergebnis: Die schlimmste Komplikation der Nephroptose ist die Nephropexie. Die österreichischen Krankenkassen haben diese OP damals nur bezahlt, wenn es durch die Wanderniere zu Harnabflußstörungen kommt. Der mit der EAV wollte die Niere unbedingt durch einen anderen festnähen lassen. An die Zähne hat der auch nicht gedacht.

Ich habe seit 1999 kein sichtbares Amalgam mehr im Mund und brauche seit dem kein Kortison mehr, um die Pollenflugsaison zu überleben. Es gibt aber noch 4 WF, die alle auch schon eine WSR durchlitten haben. Es fällt mir sehr schwer, kaufähige Zähne extrahieren zu lassen, aber es verhärtet sich der Verdacht, daß kein Weg daran vorbei führt. Deshalb mein Interesse, ein befürchtetes Herdgeschehen vor(!) der Extraktion (eventuell auch schulmedizinsch) zu diagnostizieren.

grüße von zorro59
 
Oben