Frühling

Hallo Uta. Schön und traurig. Ähnlich schwer empfinde ich folgendes kurzes Gedicht, von Ricarda Huch:

Frühling, rein äußerlich
(Ricarda Huch)

Der Frühling kommt wieder mit Wärme und Helle,
Die Welt wird ein Blütenmeer.
Aber in meinem Herzen ist eine Stelle,
Da blüht nichts mehr.
 
Lob des Frühlings

Saatengrün, Veilchenduft,
Lerchenwirbel, Amselschlag,
Sonnenregen, linde Luft!
Wenn ich solche Worte singe,
braucht es dann noch große Dinge,
Dich zu preisen, Frühlingstag!

Ludwig Uhland, 1787-1847
 
Vorfrühling.


Wie die Knospe hütend,

Daß sie nicht Blume werde,

Liegt's so dumpf und brütend

Über der drängenden Erde.

Wolkenmassen ballten

Sich der Sonne entgegen,

Doch durch tausend Spalten

Dringt der befruchtende Segen.

Glühnde Düfte ringeln

In die Höhe sich munter.

Flüchtig grüßend, züngeln

Streifende Lichter herunter.

Daß nun, still erfrischend

Eins zum andern sich finde,

Rühren, alles mischend,

Sich lebendige Winde.

Hebbel, Christian Friedrich (1813-1863), deutscher Dramatiker. Literatur- und geistesgeschichtlich ist sein Werk zwischen Idealismus und Realismus einzuordnen
www.deutsche-liebeslyrik.de/hebbel_b.htm
 
Ein verliebter Schmetterling
von Wilhelm Busch

Sie war ein Blümlein hübsch und fein,
Hell aufgeblüht im Sonnenschein.

Er war ein junger Schmetterling,
Der selig an der Blume hing.

Oft kam ein Bienlein mit Gebrumm
Und nascht und säuselt da herum.

Oft kroch ein Käfer kribbelkrab
Am hübschen Blümlein auf und ab.

Ach Gott, wie das dem Schmetterling www.my-smileys.de/smileys2/Biene.gif
So schmerzlich durch die Seele ging.

Doch was am meisten ihn entsetzt,
Das Allerschlimmste kam zuletzt.

Ein alter Esel fraß die ganze
Von ihm so heißgeliebte Pflanze.
 
www.my-smileys.de/smileys2/blume.gif

Mit dem Duft der Pflaumenblüte
Geht plötzlich die Sonne auf
Über den Bergpfad

Haiku von Matsuo Basho,
Japan 1644-694
 
Mal was anderes:
Osterei suchen :) . (Überhaupt eine vielfältige Seite):
https://www.onlinekunst.de/ostern/
ostern_drehend.gif
 
Mascha Kaleko (1907-1975)
Weil du nicht da bist

Weil du nicht da bist, sitze ich und schreibe
All meine Einsamkeit auf dies Papier.
Ein Fliederzweig schlägt an die Fensterscheibe.
Die Maiennacht ruft laut. Doch nicht nach mir.

Weil du nicht bist, ist der Bäume Blühen,
Der Rosen Duft vergebliches Bemühen,
Der Nachtigallen Liebesmelodie
Nur in Musik gesetzte Ironie.

Weil du nicht da bist, flücht ich mich ins Dunkel.
Aus fremden Augen starrt die Stadt mich an
Mit grellem Licht und lärmendem Gefunkel,
Dem ich nicht folgen, nicht entgehen kann.

Hier unterm Dach sitz ich beim Lampenschirm;
Den Herbst im Herzen, Winter im Gemüt.
November singt in mir sein graues Lied.
»Weil du nicht da bist« flüstert es im Zimmer.

»Weil du nicht da bist« rufen Wand und Schränke,
Verstaubte Noten über dem Klavier.
Und wenn ich endlich nicht mehr an dich denke,
Die Dinge um mich reden nur von dir.

Weil du nicht da bist, blättre ich in Briefen
Und weck vergilbte Träume, die schon schliefen.
Mein Lachen, Liebster, ist dir nachgereist.
Weil du nicht da bist, ist mein Herz verwaist.
www.deutsche-liebeslyrik.de/die12/april9.htm
auf dieser Seite gibt es zu jedem Monat des Jahres 2003 mehrere Gedichte...

(Womit doch ein eleganter Übergang zur Liebeslyrik geschafft wäre?
pulsierende_herzen.gif
 
Wunderschön!

Mascha Kaleko (kennst du das Lied von Hannes Wader?) war eine sehr interessante Frau!
 
Fügungen

Es heißt
ein Dichter
ist einer
der Worte
zusammenfügt

Das stimmt nicht

Ein Dichter
ist einer
den Worte
noch halbwegs
zusammenfügen

wenn er Glück hat

Wenn er Unglück hat
reißen die Worte
ihn auseinander

Erich Fried 1921-1988
https://www.erichfried.de/
www.tinaheldt.de/Lyrik/Erich_Fried/index.html
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie ist der Mensch

von Goliard
2006


Wie ist der Mensch, oh sag's mir doch
in diesen frühlingshaften Zeiten!
Was will er denn, was ist sein Ziel?
Was wird er sich bereiten?

Wohin wird er weiter gehen?
Zu fröhlich neuem Auferstehen?
zu eitlem Leben unter Sonnen
unter altbekannten Wonnen?

Wird er in alten Sümpfen
auf löchrigen und dünnen Strümpfen
auf's allerschlimmste untergeh'n?
Stinkend sind die Schuhe
in denen er in seiner Ruhe
dümpelt ohne zu versteh'n!

Oder wird er sich erheben
unbedacht des frühreren Streben?
Wird er sich in neue Sphären
ungeacht' der alten Schwären
trotzig auf's Neue sich begeben?

Oder wird in dunklen Kammern
er die Endzeit sich erjammern?
wird in abgewohnten Kisten
er bis Armagheddon nist?

Oder sich erheben?

Wir werden es erleben!



www.my-smileys.de/generator/signs3/11eb67540cb6f07f7c0aa0702aa555c3.png
 
Erich Kästner: Besagter Lenz ist da
Es ist schon so. Der Frühling kommt in Gang.
Die Bäume räkeln sich. Die Fenster staunen.
Die Luft ist weich, als wäre sie aus Daunen.
Und alles andre ist nicht von Belang.
Nun brauchne alle Hunde eine Braut.
Und Pony Hütchen sagte mir, sie fände
Die Sonne habe kleine warme Hände
und krabble ihr mit diesen auf der Haut.

Die Hausmannsleute stehen stolz vorm Haus.
Man sitzt schon wieder auf Caféterrassen
und friert nicht mehr und kann sich sehen lassen.
Wer kleine Kinder hat, der führt sie aus.

Sehr viele Fräuleins haben schwache Knie.
Und in den Adern rinnt's wie süße Sahne.
Am Himmel tanzen blanke Aeroplane.
Man ist vergnügt dabei. Und weiß nicht wie.

Man sollte wieder mal spazierengehn.
Das Blau und Rot und Grün war ganz verblichen.
Der Lenz ist da! Die Welt wird frisch gestrichen!
Die Menschen lächeln, bis sie sich verstehn.

Die Seelen laufen Stelzen durch die Stadt.
Auf den Balkons stehen Männer ohne Westen
und säen Kresse in die Blumenkästen.
Wohl dem, der solche Blumenkästen hat!

Die Gärten sind nur noch zum Scheine kahl.
Die Sonne heizt und nimmt am Winter Rache.
Es ist zwar jedes Jahr dieselbe Sache.
Doch es ist immer wie zum ersten Mal.
Erich Kästner 1899-1974 https://www.dhm.de/lemo/html/biografien/KaestnerErich/
 
[An Baches Ranft]1)

An baches ranft2)
Die einzigen frühen
Die hasel blühen.
Ein vogel pfeift
In kühler au.
Ein leuchten streift
Erwärmt uns sanft
Und zuckt und bleicht.
Das feld ist brach.
Der baum noch grau. .
Blumen streut vielleicht
Der lenz uns nach.


Stefan George

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1) Überschrift vom Herausgeber eingefügt
2) Ranft: verkrusteter Rand (d. Hrg.)
 
Hi, Uta,

super finde ich das Kästnergedicht!

Hast du den echten "Goliard" gefunden?

Gruß von
Leòn
 
Sich wie die Blüte
dem Sinn des Lebens öffnen.
Die Sonne suchen.

Haiku von Ernst Ferstl
 
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