Folgen des exzessiven Einsatzes von Desinfektionsmitteln - insbesondere im Rahmen der Corona-Maßnahmen?

Kate

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Nachdem ich mich öfter mal wundere, dass immer noch im großen Stile zur Händedesinfektion aufgefordert wird (wobei ich seit einiger Zeit zumindest diesbezüglich nicht mehr kontrolliert resp. fast gezwungen wurde), las ich heute einen Artikel des Bürger- und Patientenverbandes Gesundheit Aktiv, der dies thematisiert:

... werden die Auswirkungen des teilweise exzessiven Einsatzes von Desinfektionsmitteln bislang kaum thematisiert. Immer noch finden sich allerorten Spender mit Desinfektionsflüssigkeit, immer noch werden Menschen zur Handdesinfektion angehalten oder Flächen abgewischt, auch wenn es bis heute keine Belege für die Übertragung von Corona durch Türgriffe oder ähnliches gibt.

Ein hessisches Team aus Forscherinnen und Forschern hat nun eine Reihe bedenklicher Wirkstoffe aus Desinfektionsmitteln in verschiedenen Bodenproben gefunden, teilweise sogar im Waldboden.

Mögliche Folgen: Haut-, Leber- und Nervenprobleme, multiresistente Keime.

... unklar ist aber vor allem auch, wie die Stoffe überhaupt in die Wälder gelangen konnten. Das Vorkommen auf Äckern, die mit Klärschlamm gedüngt werden oder in Flussauen ist noch halbwegs erklärbar, über die Übertragung in die Wälder dagegen lässt sich momentan nur spekulieren.

Gruß
Kate
 
Damit ist ziemlich sicher diese Studie gemeint:

(in dem verlinkten Artikel waren keine näheren Auskünfte über die Untersuchung zu finden)

In einer breit angelegten Studie untersuchten sie das Vorkommen wichtiger Wirkstoffe von Desinfektionsmitteln und Tensiden, den Quartären Alkylammoniumverbindungen (kurz QAAV), in hessischen Böden. Das Ergebnis: In 97 % der 65 untersuchten Bodenproben konnten QAAV nachgewiesen werden. Dabei zeigte sich, dass sowohl Acker-, als auch Grünland-, Wald- und Weinbaustandorte mit dem Fremdstoff belastet waren. Die Gehalte der Desinfektionsmittel überschritten teilweise Werte von 1 mg kg-1 – und liegen damit zwei bis drei Größenordnungen oberhalb von Gehalten, wie sie für Arzneimittel und Antibiotika in Böden nachgewiesen wurden.
 
Allerdings scheinen die Proben sich über einen größeren Zeitraum zu erstrecken:
Samples obtained from the HLNUG were sampled between May 2014 and May 2021, air-dried and stored in brown glass bottles.
The homologue patterns of QAACs suggest persistence of some QAACs in aerobic soils for periods of several years.
Quelle: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969722063276?via=ihub

Die Studie schreibt die erschreckenden Funde nicht der Pandemie zu. Damit will ich nicht sagen, daß ich den in den letzten drei Jahren vermehrten Einsatz von diesem Zeug unerheblich finde. Aber Benzalkoniumchlorid ist in allen möglichen Haushaltschemikalien enthalten (Sagrotan, Schimmelentferner, Algizid) und ist Konservierungsmittel in vielen Medikamenten (Augentropfen, Nasentropfen). Es wurde auch vor der Pandemie tonnenweise in die Umwelt verfrachtet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke Dir erstmal - und das
in dem verlinkten Artikel waren keine näheren Auskünfte über die Untersuchung zu finden
... ist natürlich irgendwie schwach. Ich hatte das hier ja auch erstmal nur zur Diskussion gestellt ohne selbst weiter zu recherchieren. Ich habe per Mail nachgefragt ...

Gruß
Kate
 
Ich habe per Mail nachgefragt ...
Und bereits Antwort erhalten mit diesem, auch schon von @Malvegil genannten, Link:

Von dort ist die Studie verlinkt:

Das schaffe ich nicht, komplett zu lesen... aber immerhin hat nun jede/r Interessierte die Möglichkeit, da mal reinzuschauen.

Beim Überfliegen habe ich zumindest gesehen, dass zwar die von Dir, Malvegil, genannten Langzeitdaten einflossen, aber auch aktuelle.

Teile des Textes, die mir relevant schienen - übersetzt mit Deepl-Translator (kostenlose Version):
In jüngster Zeit wurde ein verstärkter Einsatz von QAACs beobachtet, da sie angeblich das SARS-CoV-2-Virus inaktivieren können (Dewey et al., 2021; Huang et al., 2021). Nach Hora et al. (2020) enthielten 216 der 430 Desinfektionsmittel, die von der US-Umweltschutzbehörde für Hygienemaßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie empfohlen wurden, BAC, DADMAC oder eine Kombination aus beiden. Ihr vermehrter Einsatz spiegelt sich in steigenden Konzentrationen in Umweltmedien wider. Alygizakis et al. (2021) berichteten über einen Anstieg von 331 % bei den Konzentrationen von QAACs in Abwasserzuflüssen während der ersten Abriegelung. Zheng et al. (2020) beobachteten einen 62-prozentigen Anstieg der QAAC-Konzentrationen in Staubproben aus Innenräumen während der Pandemie.
(...)

Insgesamt wurden in dieser Arbeit 65 Proben analysiert. Dreiundsechzig archivierte Proben wurden vom HLNUG zur Verfügung gestellt, von denen 59 Teil des hessischen kontinuierlichen Bodenmonitoringprogramms sind. (...)
Die vom HLNUG zur Verfügung gestellten Proben wurden zwischen Mai 2014 und Mai 2021 beprobt, ...Die beiden Proben des regelmäßig mit abwasserbelastetem Oberflächenwasser überfluteten Grünlandes wurden im Juni 2021 beprobt ...

Gruß
Kate
 
Ich habe dieses Problem von Anfang an zu Bedenken gegeben.

Ich persönlich habe mir während der ganzen Coronazeit etwa fünfmal die Hände zwanghaft desinfiziert bzw. lassen, ansonsteten habe ich mich immer herumgemogelt um das zu vermeiden.

Ich persönlich bin davon überzeugt, der Schaden überwog dem Nutzen, wie man nun sieht.

Ich habe mir lediglich gleich nachdem ich zuhaus war oder auf Arbeit, die Hände gewaschen.

Es ist ein Wahnsinn, was die Menschheit während der Coronazeit, wieder ein Stückchen mehr unsere Erde mit Müllbergen ruiniert hat und Desinfektionsmitteln die Natur und mit Masken die Lungen - so grausam können nur Menschen gegeneinander sind, keine andere Artenvielfalt ist dazu in der Lage.
 
Kate, mich wundert wirklich sehr, warum die Studienautoren zwar offensichtlich an Pandemiefolgen interessiert sind bzw. sie als Aufhänger für ihre Untersuchung genutzt haben (Drittmittel?), aber warum sie nicht einen Vergleich zwischen älteren und neuen Proben gemacht haben, um festzustellen, was von dem Eintrag in die Wälder alt und was neu ist und ob es einen Anstieg gibt. So bleibt die Aussage der Studie ziemlich allgemein.

Deswegen halte ich die Überschriftenkombi des Artikels auch für wirklich irreführend und letztlich leider ein Beispiel für schlechten Medizinjournalismus:
GEFÄHRLICHE STOFFE IM WALDBODEN
Folgen des Desinfektionsmittelgebrauchs
-- das kann man daraus wirklich nicht schließen.
 
Wuhu,
... warum sie nicht einen Vergleich zwischen älteren und neuen Proben gemacht haben, um festzustellen, was von dem Eintrag in die Wälder alt und was neu ist und ob es einen Anstieg gibt. So bleibt die Aussage der Studie ziemlich allgemein...

hm, musste grade innerlich herzhaft auflachen - war es denn vor dem "C-Zirkus" bei einem überwiegendem Teil der Bevölkerung Usus, sich X mal am Tag die Hände mit toxischen Chemikalien zu desinfizieren? Wohl nicht, doch nur so konnte erst bei einem Wald-Spaziergang oder sonstigen Aufenthalten darin dieses Zeugs dort auch eingebracht werden...

Dass die Umwelt bzw Gewässer mit div Medikamenten (Antibiotika, Hormone, usw usf) leider sehr belastet sind, ist wohl auch nur irreführend-schlechtem MedizinBiologie-Journalismus geschuldet und nicht dem überbordenden Konsum dieser Medikamente... :rolleyes:
 
Ich habe dieses Problem von Anfang an zu Bedenken gegeben.
Da bist Du nicht die einzige. Belege dazu zu sehen, ist noch einmal etwas anderes und macht es (mir) noch unverständlicher, warum daran festgehalten wird.

warum sie nicht einen Vergleich zwischen älteren und neuen Proben gemacht haben, um festzustellen, was von dem Eintrag in die Wälder alt und was neu ist und ob es einen Anstieg gibt.
Haben sie nicht? Hast Du Dir die Tabellen/Zahlen angesehen? Ich habe das bislang nicht geschafft.

Ich verstehe die obige Aussage
Ihr vermehrter Einsatz spiegelt sich in steigenden Konzentrationen in Umweltmedien wider. Alygizakis et al. (2021) berichteten über einen Anstieg von 331 % bei den Konzentrationen von QAACs in Abwasserzuflüssen während der ersten Abriegelung. Zheng et al. (2020) beobachteten einen 62-prozentigen Anstieg der QAAC-Konzentrationen in Staubproben aus Innenräumen während der Pandemie.
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969722063276, übersetzt mit Deepl-Translator (kostenlose Version)

... schon so, dass verglichen worden ist.

Die dort genannten Studien sind wohl diese:
  1. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8321698/
  2. https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.estlett.0c00587
Aus den Abstracts (Hervorhebungen von mir):

1.
(...) Um die Auswirkungen der Pandemie auf die griechische Bevölkerung mittels abwasserbasierter Epidemiologie zu überwachen, wurde ein breit angelegtes Ziel- und Verdachtsscreening durchgeführt. Während des ersten Lockdowns wurden 24-stündige Abwasserproben aus der Kläranlage von Athen gesammelt und mittels Flüssigchromatographie-Massenspektrometrie analysiert. Untersucht wurde ein breites Spektrum von Verbindungen (11 286), darunter antipsychotische Medikamente, illegale Drogen, Tabakverbindungen, Lebensmittelzusatzstoffe, Pestizide, Biozide, Tenside und Industriechemikalien. Die Massenfrachten der chemischen Marker wurden geschätzt und mit den Daten verglichen, die unter Nicht-COVID-19-Bedingungen (Kampagne 2019) gewonnen wurden. Die Ergebnisse zeigen einen Anstieg bei Tensiden (+196 %), Bioziden (+152 %) und kationischen quaternären Ammoniumtensiden (die als Tenside und Biozide verwendet werden) (+331 %), während die stärksten Rückgänge für Tabak (-33 %) und Industriechemikalien (-52 %) geschätzt wurden. Die Einführung sozialer Restriktionen durch die Regierung wirkte sich auf alle Lebensbereiche aus.

Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)

2.
Quaternäre Ammoniumverbindungen (QACs oder "Quats") gehören zu einer Klasse von Chemikalien, die als Desinfektionsmittel in Reinigungs- und anderen Verbraucherprodukten verwendet werden. Während die Desinfektion für die Aufrechterhaltung einer sicheren Umgebung während der COVID-19-Pandemie empfohlen wird, ist die verstärkte Verwendung von QACs besorgniserregend, da die Exposition gegenüber diesen Verbindungen mit schädlichen Auswirkungen auf das Fortpflanzungs- und Atmungssystem in Verbindung gebracht wird. Wir haben das Vorkommen von 19 QACs in Hausstaub bestimmt, der vor und während der COVID-19-Pandemie gesammelt wurde. QACs wurden in >90 % der während der Pandemie gesammelten Proben in Konzentrationen zwischen 1,95 und 531 μg/g (n = 40; Median 58,9 μg/g) nachgewiesen. Die Gesamt-QAC-Konzentrationen in diesen Proben waren signifikant höher als in Proben, die vor der COVID-19-Pandemie entnommen wurden (p < 0,05; n = 21; Median 36,3 μg/g). Höhere QAC-Konzentrationen wurden in Haushalten gefunden, die im Allgemeinen häufiger desinfizierten (p < 0,05). Die in diesen Haushalten üblicherweise verwendeten Desinfektionsmittel wurden analysiert, und die QAC-Profile im Staub und in den Produkten waren ähnlich, was darauf hindeutet, dass diese Produkte eine bedeutende Quelle für QACs sein können. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Exposition gegenüber QACs in Innenräumen weit verbreitet ist und während der Pandemie zugenommen hat.

Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)

Gruß
Kate
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Deswegen halte ich die Überschriftenkombi des Artikels auch für wirklich irreführend und letztlich leider ein Beispiel für schlechten Medizinjournalismus:
Das ist aus meiner Sicht nur ein Randaspekt und wir sollten uns da nicht verzetteln, was irgendein Presseorgan nun für Überschriften wählt. Dass diese öfter mal Aussagen wissenschaftlicher Untersuchungen nicht so korrekt "runterbrechen", wissen wir hier im Forum ja schon länger.

So habe ich - genau wie Du es ja i.a. auch machst - umgehend nach den Quellen geschaut. Um deren Aussagen geht es hier. Zudem habe ich die Thread-Überschrift allgemeiner und wenig reißerisch gehalten.

Gruß
Kate
 
Ich verstehe die obige Aussage
... schon so, dass verglichen worden ist.
Ja, natürlich, aber das sind ja andere, hier nur anzitierte Untersuchungen. Diese hessische Untersuchung ist auch gar nicht primär auf Desinfektionsmittel ausgerichtet! Diese Chemikalien (quartäre Ammoniumverbindungen) sind auch als Netzmittel in Pestiziden drin, dienen zur Textilbehandlung, sind in Haarpflegemitteln. Es wäre natürlich interessant, in welchem Maß der Verbrauch dieser Grundchemikalien seit 2020 angestiegen ist und welcher Prozentsatz davon überhaupt in Handdesinfektionsmitteln endet.
Im öffentlichen und industriellen Bereich finden sie in Krankenhäusern, bei der Lebensmittelverarbeitung, in der Landwirtschaft, im Holzschutz und in der Industrie Verwendung (Reinraumapplikationen). Quats sind in der Regel der Hauptwirkstoff in Antialgenmitteln (Algiziden) für Schwimmbäder und Pools, sowie in Algen-, Moos- und Schimmel-entfernern zur Reinigung von Fassaden und der Witterung ausgesetzten Textilien wie Zelten, Markisen und Sonnenschirmen. Zudem werden QAV in der organischen Synthese als Phasentransferkatalysatoren eingesetzt.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Quartäre_Ammoniumverbindungen

Haben sie nicht? Hast Du Dir die Tabellen/Zahlen angesehen? Ich habe das bislang nicht geschafft.
Ja, habe ich (allerdings kursorisch), aber ich habe nichts dergleichen gesehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
In punkto Thread-Thema bleibt dennoch die Aussage aus dem letzten Zitat aus #10 (Fettdruck).

Gruß
Kate
 
Ja, aber die erste der beiden Untersuchungen (Athen April/Mai 2020) widerspricht auch nicht der Vermutung, daß das ein sehr kurzfristiger Anstieg gewesen sein könnte.

In D hat sich die Produktion von Desinfektionsmitteln nach dem ersten Lockdown anscheinend sehr schnell wieder weitgehend eingepegelt:
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