Sehr geehrte Frau...,
vielen Dank für ihre Zuschrift.
Die an das Bundesministerium für Gesundheit gerichteten Einzelfragen, aber auch
allgemeine Stellungnahmen werden hier ausgewertet. Der Gedankenaustausch mit
Bürgern dient dazu, Probleme zu benennen und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen
sowie die Diskussion darüber zu vertiefen.
Zum Thema Amalgam möchte ich folgendes ausführen:
Amalgam gehört mit den anderen Füllungswerkstoffen und Dentalgusslegierungen zu
der Gruppe der Restaurationsmaterialien in der Zahnmedizin. Es enthält
Quecksilber und andere Metalle. Die Restaurationsmaterialien unterliegen dem
Medizinprodukterecht. Für alle diese Produkte muss der Hersteller für das
Inverkehrbringen die in der Europäischen Union einheitlich vorgeschriebenen
grundlegenden Anforderungen erfüllen sowie eine Risikoanalyse und eine klinische
Bewertung ggf. mit klinischen Prüfungen durchführen. Im Rahmen der
Konformitätsbewertung ist eine Zertifizierung durch spezielle Prüfstellen
erforderlich, die dafür von Behörden benannt und überwacht werden. Die Produkte
unterliegen der Marktüberwachung sowie einem EU-weiten System zur Risikomeldung,
-erfassung, -bewertung und -abwehr. Für die Risikoerfassung und -bewertung ist
in Deutschland das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, für
behördliche Maßnahmen zur Risikoabwehr sind die Bundesländer zuständig. Die
Anwendung der Produkte durch den Zahnarzt unterliegt der
Medizinprodukte-Betreiberverordnung; die Verpflichtung zur Meldung von
Vorkommnissen und zur Mitwirkung an der Risikominimierung ergibt sich aus der
Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung.
Die medizinische und toxikologische Bewertung von Amalgam und den anderen
Restaurationsmaterialien ergibt, dass für Amalgam ebenso wie für alle anderen
Materialien Nebenwirkungen und insbesondere Risiken von Hautunverträglichkeiten
und Allergien bestehen. Weitere zugeschriebene Nebenwirkungen wie z. B.
Störungen des Nervensystems oder des Autoimmunsystems konnten nicht bestätigt
werden.
Weder das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte noch die
Europäische Kommission sehen z. Zt. einen begründeten Verdacht, dass das
Quecksilber aus Amalgam negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat, die seine
Verkehrsfähigkeit in Frage stellen.
Die nach wie vor bei einem Teil der Bevölkerung bestehende Verunsicherung
gegenüber dem zahnärztlichen Füllungsmaterial Amalgam hat das Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte veranlasst, seine Informationsbroschüre
"Amalgame in der zahnärztlichen Therapie" zu aktualisieren. Diese
Informationsschrift beantwortet die 10 häufigsten Fragen zur
Nutzen-Risiko-Bewertung dieses quecksilberhaltigen Materials und gibt auch
Auskunft zu alternativen Füllungswerkstoffen. Sie kann beim
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3
53175 Bonn
oder über die Internet-Adresse:
www.bfarm.de/de/Medizinprodukte/mp_akt/index.php
abgerufen werden.
Zu den Leistungen der Krankenkassen gilt Folgendes:
In den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für eine ausreichende,
zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung heißt es in der
seit 1. Januar 2004 gültigen Fassung: "Es sollen nur anerkannte und erprobte
plastische Füllungsmaterialien gemäß ihrer medizinischen Indikation verwendet
werden. Die aktuellen Gebrauchs- und Fachinformationen und
Aufbereitungsmonographien sollen berücksichtigt werden." Zudem wird dort
klargestellt, dass alle medizinisch indizierten plastischen Füllungsmaterialien
im Front- und Seitenzahnbereich Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung
und somit für die Versicherten kostenfrei sind.
Andere Materialien und Versorgungsformen (z. B. Gold- und Keramik-Inlays) zahlt
die Krankenkasse nur in jenen seltenen Fällen, in denen eine Unverträglichkeit
bzw. Allergie gegen Amalgam und sämtliche anderen plastischen
Füllungsmaterialien unter Beachtung der Kriterien der Kontaktallergiegruppe der
Deutschen Dermatologischen Gesellschaft nachgewiesen ist.
Mit dem am 1. November 1996 in Kraft getretenen 8. Änderungsgesetz zum Fünften
Buch Sozialgesetzbuch ist im Bereich der Füllungstherapie eine
Mehrkostenregelung eingeführt worden, wonach Versicherte, die - aus welchen
Gründen auch immer - eine Füllungstherapie wählen, die über die
vertragszahnärztliche Versorgung hinausgeht (z. B. ein In- oder Onlay), von der
gesetzlichen Krankenversicherung die Kosten für die vergleichbare
preisgünstigste plastische Füllung erhalten. Zu der als Sachleistung gewährten
Kassenleistung zählen auch die anfallenden Begleitleistungen (z. B. Anästhesie,
Röntgen, besondere Maßnahmen beim Präparieren oder Füllen). Über die
vertragszahnärztliche Versorgung hinausgehende Mehrkosten sind vom Versicherten
selbst zu tragen.
Sofern eine Schwermetallvergiftung, unabhängig davon, wodurch sie verursacht
wurde, durch medizinisch anerkannte Testmethoden nachgewiesen ist, übernimmt die
gesetzliche Krankenversicherung auch die notwendigen Entgiftungsmaßnahmen.
Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannte Diagnose- und
Behandlungsverfahren sind Gegenstand des einheitlichen Bewertungsmaßstabes Ärzte
bzw. Zahnärzte. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der
vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung dabei nur zu Lasten der
Krankenkassen erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor in
Richtlinien u. a. Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und
therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben haben. Dadurch soll
gesichert werden, dass grundsätzlich nur wissenschaftlich erprobte Diagnose- und
Behandlungsverfahren in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Anwendung
kommen. Im Einzelfall ist es jedoch möglich, dass die gesetzliche
Krankenversicherung auch von der Schulmeinung abweichende Diagnose- oder
Behandlungsverfahren vergüten muss. Diese spezifische Einzelfallentscheidung -
nach Vorlage entsprechender medizinischer Gutachten - fällt in die alleinige
Kompetenz der zuständigen Krankenkasse. Gegen eine ablehnende Entscheidung der
Krankenkasse kann Widerspruch eingelegt werden; gegen belastende
Widerspruchsentscheidungen steht der Sozialgerichtsweg offen.
Dieses Schreiben ist im Auftrag und mit Genehmigung des Bundesministeriums für
Gesundheit durch das Kommunikationscenter erstellt worden und dient Ihrer
Information.
Mit freundlichem Gruß
Gerlind Nestler
Kommunikationscenter
Bundesministerium für Gesundheit
[email protected]