Themenstarter
Beitritt
10.01.04
Beiträge
72.791
https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2011/sinn/wenn-jeder-ein-sieger-ist
...
Sieger ist, wer dabei ist.

"Richtige Wettkämpfe", sagt der Trainer, "wie wir sie als Kinder erlebten, als nach Regeln richtig miteinander gekämpft wurde, es Gewinner und Verlierer gab, die gelten heute als brutal und völlig inakzeptabel." Siegerehrungen und Platzierungen sind heute abgeschafft.

Unbehagen mit dem Unbehagen
Das Ergebnislose liegt im Trend einer Gesellschaft, in der sich vor allem die wohlsituierten Erwachsenen immer angestrengter bemühen, alle Härten des Lebens von den lieben Kleinen fernzuhalten. Mein Medaillen-Erlebnis fügt sich in eine Entwicklung, mit der sich Psychologen, Soziologen oder Psychotherapeuten schon seit einiger Zeit beschäftigen. Wissenschaftler in den USA glauben sich bereits einem bedenklichen Phänomen auf der Spur: Sie bringen es mit der drastisch steigenden Zahl von Narzissten in den Hochschulen und Unternehmen in Verbindung, auch mit Teenagern, die dem Druck des Abiturs nicht mehr gewachsen scheinen, oder mit den vielen heute in Therapie befindlichen Mittdreißigern.

Dan Kindlon spricht vom "Unbehagen mit dem Unbehagen". Der Kinder-Psychologe und Dozent an der Harvard University veröffentlichte jüngst ein Buch mit dem auf Deutsch übersetzt altmodisch anmutenden Titel: "Zu viel des Guten. Über die Erziehung von Kindern mit Charakter im Zeitalter der Nachsichtigkeit."
Er sorgt sich darin, dass Eltern ihren Kindern schmerzvolle Erfahrungen heute regelrecht vorenthalten, indem sie Zurückweisungen und Niederlagen genauso aus dem Leben des Nachwuchses verbannen wie Langeweile oder Traurigsein. Die Kinder verglücken regelrecht bei Spiel, Spaß und Aktivitäten in ständig wechselnden Glückskulissen. Das Selbstbewusstsein wird durch das Ausblenden von Resultaten pausenlos geschmiert - nur trainiert wird es nicht. Und damit auch nicht das, was Dan Kindlon als das mentale Immunsystem bezeichnet.
Und damit auch nicht das, was Dan Kindlon als das mentale Immunsystem bezeichnet. Das müsse ein Mensch mit dem Durchleben von Unbehagen, Scheitern und Mühsal im Kindesalter entwickeln.

Kein Rot, keine Tore
Lehrer berichten, dass Eltern immer häufiger gegen ihren Rotstift im Schulheft intervenieren. Man möge die Korrekturen doch mit einer anderen Farbe etwas weniger offensichtlich und verletzend vornehmen.
...

Interessante Gedanken, die man nicht gleich auf die Seite legen sollte - finde ich.
Ich höre immer wieder die Klage, daß die "Jungen und Mädchen" von heute so rücksichtslos seien, sich nicht um Andere kümmern, nur auf sich selbst fixiert sind.
Ein Bekannter hat neulich erzählt, daß seine Tochter nicht die einzige der letztjährigen AbiturientInnen ist, die immer noch zu Hause sind, nicht studieren, keine Ausbildung machen und immer noch erschöpft sind von dem Druck vor dem Abitur, der durch die plötzliche Einführung des G8 in Bayern verstärkt wurde.
Ob da die "schonende" Erziehung auch eine Rolle spielt?

https://www.amazon.de/Was-braucht-m...544939617&sr=1-1&refinements=p_27:Dan+Kindlon

Die Anregung zu diesem Thread-Thema kommt von Roland Kopp-Wichmann aus seinen letzten "Sonntagsperlen":
https://www.persoenlichkeits-blog.de/gratis/sonntagspost
https://www.instagram.com/coaching4you.de/

Grüsse,
Oregano
 
Zuletzt bearbeitet:
Zu diesem Thema mag auch der Hinweis auf dieses Buch von Jesper Juul, den ich sehr schätze, passen:
Bücher von Amazon
ISBN: 3466307767


... Biografie
Jesper Juul wurde am 18. April 1948 in Dänemark geboren, wo er mit seinen Eltern und seinem Bruder auch seine Kindheit und Jugend verbrachte. Er beschäftigte sich u. a. mit Badminton und Vogelstudien und war als Pfadfinder unterwegs. Nach der Schule verließ er das Land und befuhr als Schiffskoch den Fernen Osten, arbeitete als Tellerwäscher und Barmann. Mit 18 Jahren nahm er ein Geschichts- und Religionsstudium auf, fühlte sich aber auf Dauer mit praktischer Arbeit wohler, sodass er die akademische Karriere aufgab. Stattdessen widmete er sich nun der Jugend- und Elternarbeit und gründete das Kempler Institut für Familientherapie. Während und nach dem Bosnienkrieg engagierte er sich für Flüchtlinge und Kriegsveteranen. Jesper Juul lebt in zweiter Ehe mit einer Kroatin zusammen.
https://www.amazon.de/Nein-aus-Liebe-Eltern-starke/dp/3466307767

Grüsse,
Oregano
 
Das ist ein schwieriges Thema und ich vermute, dass es sich aufgrund vieler Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen, auch nicht ganz aufdröseln lässt. Aber ich vermute auch, dass sich der Stellenwert von Kindern verändert hat. Früher sind Kinder einfach gekommen, meistens mehrere, und mitgelaufen. Heute werden Kinder in der Regel geplant und da Einzelkinder nicht selten sind, stecken die Eltern vermutlich in einzelne Kinder mehr Ressourcen als früher. Gleichzeitig habe ich, vor allem bei berufstätigen Eltern, ab und an beobachtet, dass diese in der raren Freizeit keinen Stress mit den Kindern wollen, sondern ein möglichst reibungsfreies, freundschaftliches Verhältnis. Ist schwierig zu sagen, was das Richtige ist, ich glaube aber, dass es jedem Lebewesen gut tut, wenn es nicht das Gefühl hat der Nabel der Welt zu sein.
 
Ich kann dem Text in fast allen Punkten zustimmen und meine Beobachtungen im Praxisalltag bestätigen viele der Beispiele. Ich sehe sehr viele Eltern, die sich von den Kindern aus falsch verstandener Elternliebe zu Bediensteten machen lassen und es schon lange aufgegeben haben, das Wort "Nein" auszusprechen, aus Angst vor der Reaktion des Sprösslings.
Viele Eltern haben einen gewissen natürlichen Instinkt verloren und sind maximal verunsichert.
In der Therapiesituation arbeiten wir oft zusätzlich daran, wieder ein gesundes Eltern/Kind Verhältnis aufzubauen.
Die meisten Eltern nehmen dies dankbar an und auch die kleinen "Könige" genießen nach einiger Angewöhnungszeit die neuen Leitplanken in ihrem Leben.
Liebe Grüße,
Sine
 
Ich kann dem Text in fast allen Punkten zustimmen und meine Beobachtungen im Praxisalltag bestätigen viele der Beispiele. Ich sehe sehr viele Eltern, die sich von den Kindern aus falsch verstandener Elternliebe zu Bediensteten machen lassen und es schon lange aufgegeben haben, das Wort "Nein" auszusprechen, aus Angst vor der Reaktion des Sprösslings.
Viele Eltern haben einen gewissen natürlichen Instinkt verloren und sind maximal verunsichert.
In der Therapiesituation arbeiten wir oft zusätzlich daran, wieder ein gesundes Eltern/Kind Verhältnis aufzubauen.
Die meisten Eltern nehmen dies dankbar an und auch die kleinen "Könige" genießen nach einiger Angewöhnungszeit die neuen Leitplanken in ihrem Leben.
Liebe Grüße,
Sine

Das ist mMn etwas anderes, als der Herr oben schreibt. Dort geht es darum, dass Eltern ihren Kindern schmerzliche Erfahrungen vorenthalten wollen und sie nicht ausreichend auf die "härten des Lebens trainieren" im Sinne von abhärten. Für mich ist es selbstverständlich und richtig und gut, dass Eltern ihre Kinder so viel wie möglich schützen gegen schmerzhafte Erfahrungen. All dieses kommt noch früh genug und man kann den Härten des Lebens am besten begegnen, wenn man im Elternhaus bedingungslose Liebe und Rückhalt erfahren hat. Dadurch wird Selbstbewusstsein und Resillienz geprägt und nicht durch antrainierte Härte. Ich kann nicht nachvollziehen, wie Erfahrungen von "Unbehagen, Scheitern und Mühsal" einem Kind helfen sollen.
Was du schreibst hat etwas mit Führung und Konsequenz und einem gesunden Maß an eigenem Selbstwert zu tun. Dies alles ist unerlässlich, damit das Kind nicht im ungewissen schwimmt und keinerlei Grenzen kennenlernt. Das kann tatsächlich zu einer Neigung zum Narzissmus führen, zumal das meist nicht aus Liebe, sondern aus Unfähigkeit und/oder Gleichgültigkeit geschieht.

LG
 
Moin Zusammen!

Ich glaube so ganz verallgemeinern kann man den Artikel nicht oder?

- Bei den deutschen Bundesjugendspielen wird schon richtig gewertet und jeder einzelne weiß, wie gut oder schlecht er ist.

- Im Vereinssport für Kinder stehen sehr viele Turniere und Wettkämpfe auf dem Plan. Wenn man einfach sich aus Freude an der Bewegung bewegen will, dann muss man schon länger nach einem Sport für das Kind suchen, wenn das Kind nicht gerade ein tänzerischer Typ ist.

- Die Schule an sich ist doch auch kein Zuckerschlecken. Die Noten sagen einem auch den Leistungsstand an. Ich wüsste mal gern, welche Nachhilfe das zu 100% ausgleichen kann. So viel Zeit ist auch neben der Ganztagsschule gar nicht.

- Wenn ein Kind in der Ganztagsschule ist und von ca 8.30-16.30h oder 7-17h (je nach Anfahrt) außer Haus ist, sich in der Zeit in eine Gemeinschaft einfügen muss und von Lehrern unterrichtet wird, dann ist das für mich eine ganz gute Leistung, wenn das Kind einigermaßen mitkommt und ein gutes Verhältnis zu den Mitschülern aufbaut.

Die Zeit außerhalb der Schule versuchen wir so harmonisch wie möglich zu verbringen. Ein extra "Abhärtungsprogramm" fürs Kind würde ich als Alleinerziehende nicht hinbekommen, ich bin froh, wenn ich auch meine Ruhe und Erholung habe und das Kind mit seinen Beschäftigungen zurfrieden ist und ich da keinen Stress habe.

Durch die Medien kommt Langeweile heutzutage wohl weniger vor und ist auch meines Erachtens eher ein Symptom von Müdigkeit. (zB es kommt oft die Bemerkung um 21.30h: mir ist so langweilig)

Wenn man dann Mitte 30 einen Burnout hat und eine Therapie sucht, dann kann das ja sooo viele Gründe haben. Wenn dann bis dahin das Kind noch ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern hat und man als Familie sich gegenseitig unterstützt, die richtigen Anwendungen zu finden, dann finde ich das doch toll.

Viele Grüße
Earl Grey
 
Oben