Hallo zusammen,
ich habe das Buch nun auch fast durch. Nachdem ich anfänglich etwas skeptisch war wegen einiger kleiner sprachlicher Unschärfen (die wahrscheinlich außer mir kaum jemand bemerkt

) und wegen der fehlenden "Würdigung" der wissenschaftlichen Unklarheiten (siehe Forumsthread
https://www.symptome.ch/threads/diskussion-ueber-kpu-artikel-im-wiki.5906/ und Wiki-Seite
https://www.symptome.ch/wiki/Stoffwechselstoerung_Pyrrolurie_-_Kritik_und_offene_Fragen/, bin ich inzwischen ziemlich angetan :fans:
Dr. Strienz geht da als Praktiker heran und das finde ich vollkommen ok, ist doch diese Perspektive mindestens genau so wichtig, wie das theoretische Fundament. Die hier im Thread anfänglich monierten vielen Wiederholungen finde ich insofern völlig angemessen, als es so sehr gut als Nachschlagewerk fungieren kann, ohne dass man dauernd hin- und herblättern muss.
Das Buch liefert einen guten Überblick, ist sehr verständlich geschrieben und - sehr wichtig finde ich - es stellt Verbindungen zur aktuellen Schulmedizin her. Beispiel Nebenniere: Es wird betont, dass es in der (deutschen) Schulmedizin den Begriff
"Nebennierenschwäche" nicht gibt, sondern nur die Nebenniereninsuffizienz, die etwas anderes (schlimmeres) meint. Es werden die Unterschiede herausgearbeitet, das Kortison-Speichel-Tagesprofil als relevante Untersuchung dargestellt, aber auch Labormarker, die man für die Differenzialdiagnostik braucht, erwähnt. Sucht ein Patient einen Arzt auf, der sich noch nicht mit dem Thema auseinander gesetzt hat, hat er mit diesem Wissen viel bessere Karten für eine gelingende Kommunikation. Ich habe jedenfalls öfter erlebt, dass Ärzte sich schnell abwenden, wenn man mit "schwammigen" Begriffen herum hantiert.
Es ist deutlich, dass Herr Strienz seinen Schwerpunkt im endokrinologischen Gebiet hat und auch da finde ich, dass komplizierte Zusammenhänge mit einem gut abgestimmten "Vereinfachungsfaktor" dargestellt werden oder anders ausgedrückt, dass der Kompromiss zwischen korrekter und (Laien-)verständlicher Darstellung gut gelungen ist. Für mich selbst war der Zusammenhang zwischen B6-Mangel und Progesteron-Produktion ein Aha-Erlebnis: Bei einem Versuch, die P5P-Dosis von 25 mg/Tag auf die Hälfte zu reduzieren traten ziemlich schnell meine wohlbekannten, jahrelang "erlittenen" Brustschmerzen ab ca. 10. Zyklustag wieder auf

Gegen diese hatte mir vor Jahren die Frauenärztin mal eine Progesteronsalbe verschrieben, die auch wirkte (die ich aber nicht regelmäßig benutzen mochte). Nun habe ich die Dosis wieder erhöht... und - schwupps - sind die Schmerzen wieder weg. Sieht so aus, als wenn es an diesem Zusammenhang liegen könnte. - Interessant auch, dass offensichtlich im Jahr 2003 jemand Pfeiffers Zahlen zum Anteil der Pyrroliker bei verschiedenen psychischen Störungsbildern bestätigt hat.
Es werden auch Zusammenhänge zum oxidativen und nitrosativen Stress aufgezeigt (z.B. auch beim Thema Hashimoto), damit ist der Autor voll "am Puls der Zeit" :bang: , ebenso die Zusammenhänge zu Abweichungen im Neurotransmitter-Stoffwechsel ("Neurostress").
Und das alles in einem "Ton", der Freundlichkeit und Verständnis für den geplagten Patienten ausdrückt. Ich würde da jedenfalls sofort mal einen Termin machen, wenn's nicht so weit weg wäre.
Mein Faszit: Ein sehr guter Patientenratgeber, ein brauchbares Nachschlagewerk, auch als Einführung für einen bisher nicht damit vertrauten, interessierten (Schul-)Mediziner geeignet.
Kritikpunkte und Anregungen für eine Neuauflage: Mir fehlt vor allem ein Stichwortverzeichnis! Auch eine Liste der Quellen wäre gut und an einigen Stellen im Text Hinweise, ob es sich bei dem gerade Dargestellten um etwas aus der Literatur handelt (und wenn ja, aus welcher) oder um eigene Erfahrungen. Bezüglich der letzteren würde mich auch interessieren, wie viele Patienten schon behandelt wurden.
Einen sonnigen Sonntag wünscht Euch

Kate