Alt werden, alt sein

Einverstanden

"Warum bin ich vergänglich, o Zeus?"
so fragte die Schönheit.
"Macht' ich doch," sagte der Gott, "nur das Vergängliche schön."
Und die Liebe, die Blumen, der Tau und die Jugend vernahmen's;
Alle gingen sie weg, weinend, von Jupiters Thron.

J.W.v. Goethe
 

Anhänge

  • HMDE0039.jpg
    HMDE0039.jpg
    299 KB · Aufrufe: 3
In Erinnerung an seine Zeit im Kloster Maulbronn hat Hermann Hesse dieses Gedicht verfasst:

Im Kreuzgang

Verzaubert in der Jugend grünem Tale
Steh ich am moosigen Säulenschaft gelehnt
Und horche, wie in seiner kühlen Schale
Der Brunnen klingend die Gewölbe dehnt.


Und alles ist so schön und still geblieben.
Nur ich ward älter, und die Leidenschaft,
Der Seele dunkler Quell in Haß und Lieben,
Strömt nicht mehr in der alten wilden Kraft.


Hier ward mein erster Jugendtraum zunichte.,
An schlecht verheilter Wunde litt ich lang.
Nun liegt er fern und ward zum Traumgesichte
Und wird in guter Stunde zum Gesang.


Die Seele, die nach Ewigkeit begehrte,
Trägt nun Vergänglichkeit als liebe Last
Und ist auf der erspürten Jugendfährte
Noch einmal still und ohne Groll zu Gast.


Nun singet, Wasser, tief in eurer Schale.
Mir ward das Leben längst ein flüchtig Kleid.
Nun tummle, Jugend, dich in meinem Tale
Und labe dich am Traum der Ewigkeit!

(Falls es für jemanden von Interesse ist - es gibt hier im Forum einen Hesse-Thread: https://www.symptome.ch/threads/hermann-hesse.6810/)

Liebe Grüße,
Malve
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ein Kind - vergißt sich selbst;
ein Knabe - kennt sich nicht;
ein Jüngling - acht't sich schlecht;
ein Mann - hat immer Pflicht;
ein Alter - nimmt Verdruß;
ein Greis - wird wieder Kind:
Was meinst du,
was doch dies für Herrlichkeiten sind?

Friedrich von Logau


Der Mensch erfährt, er sei auch wer er mag,
ein letztes Glück und einen letzten Tag.

J.W.v. Goethe


Gute Nacht
Margot
 
Zuletzt bearbeitet:
"Der Gezeichnete sieht mehr begehrenswerte Frauen als früher. Dabei wechselt er den Gegenstand seines Entzückens mehrmals am Tag. Er ist nicht mehr auf einen bestimmten Typ beschränkt. Neigung zum Panerotischen. (Frühes bis spätes Stadium.) Die Anzahl der Frauen, die ihn entzücken, verhält sich reziprok zu seinen realen Chancen.

Der Vor-Gezeichnete, wenn er sich wirklich nochmals verliebt: rücksictslos gegen alles, was sich der Erfüllung widersetzt - er kann sich das Wunder nicht versagen.

Sehnsucht nach der Begierde -

Dabei hat der Gezeichnete lange Zeiten, in denen ihn Beischlaf überhaupt nicht interessiert; er erscheint ihm (wenn er trotzdem daran denkt) als absurder Akt.

Der Gezeichnete ertappt sich dabei, daß er sich in Filmen, wenn es zur Umarmung kommt, besonders langweilt; er findet diese Stellen immer zu lang.

Lange bevor seine Chancen gänzlich ausfallen (der Gezeichnete unterschätzt sie zuweilen, weil er lächerlich würde, wenn er sich irrt), unterläßt er Werbung auch bei günstigen Voraussetzungen . . . Er sieht, daß die Tennis-Spielerin, wenn sie ihr Haar aus der Stirne wirft oder nach einem Doppelfehler übermäßig den Kopf schüttelt, bereits für den Zuschauer spielt. Nicht zum ersten Mal schaut er eine Weile zu. Sie gefällt ihm. Einmal wirft er ihr einen Ball über das hohe Netz zurück, um dann weiter zu gehen. Im Lift weiß er schon, welchen Etagenknopf er für sie drücken darf, spricht sie aber nicht an. Sitzt sie abends in der Bar, so setzt er sich weitab; dabei hat er gesehen, was sie liest: das Thema läge auf dem Tisch - der Gezeichnete kennt sie langen Gespräche, die zu führen sind, Konversation zwecks Entdeckung gemeinsamer Interessen, er scheut diese langen Gespräche, weil ihn sein eigener Text dabei langweilen wird. (Mittleres Stadium.) Ist er verliebt, so erkennt er sich daran, daß ihm immer noch die Wahl bleibt; er reist ab.

Der Vor-Gezeichnete, wenn seine Werbung ohne Erfolg bleibt, bezieht sie sofort auf sein Alter - als wäre er früher, als junger Freier, nie erfolglos gewesen.

Im Gegensatz zum Vor-Gezeichneten, der Angst hat vor der endgültigen Entlassung aus der Virilität, weiß der Gezeichnete, daß es diese endgültige Entlassung nicht gibt. Er wäre froh darum.

Junggesellen halten sich etwas länger.

Vor-Gezeichnete, die sich von den handelsüblichen Präparaten erhoffen, daß sie das Altern aufhalten, steigern vor allem ihre Angst vor dem Altern. Das Bett als Ort der Bewährung. Sie bekommen etwas von Strebern.

Der Gezeichnete erkennt sich daran, daß ihm Frauen einfallen, die er vor 30 oder noch vor 10 Jahren hätte verführen können.; er bereut jetzt jede versäumte Gelegenheit - und es wären viele gewesen, so scheint es ihm; dabei vergißt der Gezeichnete, was ihn in den meisten dieser Fälle verhindert hat: sein Geschmack.

Wieso dem Gezeichneten vieles mühsam wird (ein Gang durch die Stadt, Einkäufe, Gesellschaften, Bus-Fahrten, das Warten am Flufhafen usw.): seine Erscheinung löst keinerlei weibliche Reflexe mehr aus: er ist wie nicht vorhanden . . . Kommt ihm auf der Straße eine junge Frau entgegen, so tut sie nicht wie früher, als blicke sie eine Handbreit an ihm vorbei, sie sieht den Gezeichneten wirklich nicht. Ohne Koketterie. Er kann sich umdrehen nach ihr, sie merkt es nicht; er sieht es an ihrem Gang, daß sie auch das nicht merkt. Am Kiosk wird er nur als Käufer behandelt; die Person blickt auf die Journale, die er sich genommen hat, dann auf das Geld. Nichts weiter. Im Flugzeug wird es auch anders; das stereotype Lächeln der Hostessen beginnt ihm zu gefallen, aber nicht einmal das bleibt ihm: erkundigt er sich nach der Ankunftszeit, so werden sie mütterlich, ja krankenschwesterlich. Gibt es sich in der Bahn, daß daß der Gezeichnete im selben Abteil sitzt mit einer jüngeren Frau, so entsteht keine Verlegenheit; früher blickten sie krampfhaft zum Fenster hinaus oder versteckten sich hinter ein Magazin, um nicht angesprochen zu werden. Neuerdings sitzen sie einfach da, als wäre nur sein Gepäck hinzugekommen, was nicht stört. Bückt er sich im Bus, weil ihre Handschuhe auf den Boden gefallen sind, so ist die weibliche Person verblüfft, daß ihr jemand gegenübergesessen hat. Die Kellnerin, wenn sie seine Person endlich wahrgenommen hat,, kommt an den Tisch, um den Aschenbecher zu wechseln, nebenbei nimmt sie seine Bestellung auf: blicklos; wenn sie das Bier hinstellt, blickt sie über ihn hinweg; später kassiert sie blicklos. Der Gezeichnete fragt sich, was er außer Bier eigentlich erwartet. Sieht er nachher in der Toilette, die Hände trocknend, sich zufällig im Spiegel, so kann er's verstehen und legt seine Münze in den Teller.

Wenn eine Frau (Schauspielerin) von einem Mann (Regisseur) sagt, er sei gaga: - der Mann hat kein Gegenwort dazu. (Ziege oder Hexe ist kein Gegenwort, insofern es auch junge Ziegen und Hexen gibt.) Der Gaga-Begriff als Quittung dafür, daß er die Frau nur als Geschlechtswesen bestimmt hat, und als solches urteilt sie jetzt.

Der Gezeichnete unterläßt es bereits, seiner Tochter einen Kuß zu geben, oder er ironisiert den Kuß; ebenso scheut er sich gegenüber jungen Frauen, wenn der gesellige Anlaß (Geburtstag, Silvester usw.) eigentlich zu einem Kuß berechtigen würde. Er empfindet seine Lippen als Zumutung. Ergibt es sich bei solchem Anlaß, daß jüngere Frauen auch ihm wie allen anderen einen arglosen Kuß geben, so erkennt der Gezeichnete sich an seiner Betroffenheit.

Fälle von Greisen-Charme - es kommt vor, daß ein jüngerer Mann dabei eifersüchtig wird, obschon er weiß, was er nicht zu befürchten hat; es genügt dem Gezeichneten schon, daß der jüngere Mann eifersuchtig wird.

Indem er entdeckt, daß er jetzt, da er Versagen zu fürchten hat, für Frauen attraktiver wird als bisher, entdeckt der Vor-Gezeichnete seinen bisherigen Irrtum: er hielt sich für einen Frauenkenner - dabei unterstellte er den Frauen immer nur die Erwartung, die er meinte erfüllen zu können und ahnt jetzt, was sie noch alles von einem Mann erwarten, d. h. was er den Frauen schuldig geblieben ist; allein diese Ahnung macht ihn attraktiver.

Im Taxi mit einer jungen Frau hütet er sich zwar, unter irgendeinem Vorwand plötzlich seine Hand auf ihren Arm zu legen oder auf ihre Schulter. Er tut gut daran. Daß er sich hütet heißt aber: er denkt daran. Daß er daran denkt, macht ihn unfrei. Spürt sie es, so rückt sie, obschon der Gezeichnete sich hüten wird, höflich zur Seite. Der Gezeichnete ist insofern frei, als er tatsächlich nicht verliebt ist; er findet die Person nur sehenswert. Sein Bewußtsein, daß er ein ungenügender Bettgenosse wäre, irritiert ihn, gerade weil keinerlei Anlaß zu solchen Voraussichten besteht. Gibt sie ihm einen Blick, so ist der Gezeichnete verlegen: wie ein ertappter Hochstapler. Er denkt immer schon ans Bett. Dabei genügt es ihm eigentlich, daß man im Taxi sitzt. Er weiß: seine Hand würde sie nicht elektrisieren. Auch für ihn (so stellt er fest, indem er zum Fenster hinausblickt) ist es nicht unumgänglich. (Mittleres Stadium.) Er ist froh, wenn diese Taxi-Fahrt zu Ende isat . . . Noch vor kürzen hat der Gezeichnete es für unumgänglich gehalten, seine Hand auf ihre Schulter zu legen; es ist sogar vorgekommen, daß dann ihr Haar plötzlich an seiner Brust lag, wobei er die Erfahrung macht: in der Berührung zerfällt ihm die Erwartung. (Frühes Stadium.) Später hütet sich der Gezeichnete auch vor dieser Erfahrung nicht mehr.

Senilität feit nicht vor Hörigkeit.

Wenn er sich an eine bestimmte Mann-Frau-Geschichte erinnert: Wohnung, Landschaft, Wetter, Jahreszeit, eine bestimmte Speise, ihre Kleidung schon weniger, ihr Körper nur allgemein - der Gezeichnete ertappt sich, daß er sich vor allem an die Umstände erinnert, oft sehr genau: an die Holzfäller, die das Paar überrascht haben, und an die genaue Stelle im Wand. Der Rest wird Sage."

(Max Frisch, 1911 - 1991.
Aus: Tagebuch 1966 - 1971)​
 
Hallo Windpferd,



Die Anzahl der Frauen, die ihn entzücken, verhält sich reziprok zu seinen realen Chancen.

Ich bin heute zu spät zum Frühstück(machen) gekommen, weil ich Deinen Text unbedingt zu Ende lesen wollte. Danke für Deinen Fleiß, und ich bin total beeindruckt von dem Text.
Am besten hat mir der zitierte Satz gefallen, der mich inspiriert, als Gegengewicht ;) meinen kürzesten Spaß einzustellen:

Kommt eine alte Frau in den Antiquitätenladen und fragt:
"Was gibt's Neues"?


Ich muß noch ein paar Bilder herrichten, die ich in meinem Fundus erst finden muß.

Auch das ist eine Alterserscheinung, daß man immer öfter nicht findet, was man sucht :eek:)

und noch ein Gedicht von Friedrich Hebbel

Was treibt mich hier von hinnen?
Was lockt mich dort geheimnisvoll?
Was ist's das ich gewinnen,
und was, womit ich's kaufen soll?

Trat unsichtbar mein Erbe,
ein Geist, ein luft'ger, schon heran,
und drängt mich, daß ich sterbe,
weil er nicht eher leben kann?

Und winkt mir aus der Ferne
die Taube schon, die mir gereift
auf einem andern Sterne,
und will, daß meine Hand sie streift?


Viele liebe Grüße

Margot
 

Anhänge

  • IMG_2724.jpg
    IMG_2724.jpg
    336.9 KB · Aufrufe: 12
Zuletzt bearbeitet:
Hallo ihr lieben
Einige kennen mich noch,war schon lange nicht mehr hier.
So nun zum Alter ich bin 57 Jahre alt habe drei Kinder und drei Enkelkinder.
Ich konnte alles egal was es war es hat mir auch sehr viel spaß gemacht aber manchmal war das Leben mit uns sehr hart.
Plötzlich war alles anders ,ich bin sehr krank geworden und dann noch so jung,ich war erst 45 Jahre als es anfing und ich in allen Sachen eingeschrenk war wie eine 99 Jährige und die sind manchmal noch besser dran.
Ich leide unglaublich daran das ich kaum noch was kann und mancmal auch nicht gehen.
Zu all den anderen Krankheiten brauche ich dann auch einen Psychater usw.
Es geht nicht wir haben schon alles versucht,ich kann mein kranksein nicht akzeptieren und das Alter schon mal gar nicht,soll es das jetzt gewesen sein,mit Sicherheit werde ich früher sterben und vorher gepflegt werden müssen der Gedanke macht mich fertig.
Manchmal denke ich dann auch,egal wie alt ich bin ,wenn ich doch wenigstens gesund wäre.
Grille
 
Liebe Grille,

es tut mir leid, daß Du so viel zu leiden hast.

Nun weiß ich ja fast gar nichts von Dir. Aber möglicherweise ist es voreilig, zu denken, Du hättest "alles" versucht. Es ist zwar nicht gegen alles ein Kraut gewachsen aber es gibt seeehr viele "Kräuter", immer noch, und die meisten kennen wir nicht. Um da suchen zu können, müßte sehr viel wissen. Da würdest Du dann vermutlich in anderen Threads mehr Hilfe bekommen.

Wichtig ist es wohl auch, daß Du geeignete und ausreichende Schmerzmedikation bekommst. (Fentanyl ist ein Narkotikum, auf die Dauer nicht so gut.)

Ich wünsch Dir baldige Besserung und noch ein gutes Leben.

Herzlich
Windpferd
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Guten Morgen Margot und die anderen,

freut mich, daß der Text von Max Frisch Dich anspricht.

Was ich ich - über die Illusionslosigkeit hinaus - daran bemerkenswert finde: die Entlarvung des Phalluskults, dem die meisten Männer uneingeschränkt anhängen, während es von weiblicher Seite schon lange Einspruch gibt, da und dort. Die Fixierung auf Penetration - als sei das DIE Möglichkeit, zärtlich zu sein und einander zu "erkennen". (Viele Frauen sind davon gar nicht so "entzückt".) Die muß natürlich so jämmerlich zusammenbrechen, wenn die physiologischen Automatismen mal nicht mehr "richtig" funktionieren - mit all den skurrilen Konsequenzen, die Frisch beschreibt.

Dann die kranke Idee, eine Frau-Mann-Begegnung müsse im Bett enden, wo denn sonst. "Männer wollen immer nur das Eine", schlimm genug, diese Unterstellung. Noch schlimmer: wenn Mann "das Eine" gar nicht will - sondern vieles andere, was zwischen Menschen glücklicherweise möglich ist: dann fühlt er sich vielleicht nicht mehr als "Mann" (und gilt u.U. auch nicht mehr als solcher). Es ist ein kulturelles Gefängnis (an dem fast alle mitbasteln). Der einzige Ausweg ist schlichte Wahrhaftigkeit in bezug auf alles,was in mir vorgeht. Möglich ist das; man muß nur damit anfangen.

Ein Aspekt des Phalluskults: die Fixierung auf viel jüngere Frauen. Allein das ist eine Herabwürdigung: es zählt nicht, was Frau geworden ist in einem langen Leben, sondern sehr äußerliche Attribute.

Für den Mann scheint die Frau nur "Gegenstand seines Entzückens". Na schön. Aber in Wirklichkeit ist da eine Person mit so vielen Aspekten, Facetten, Nuancen, Ideen (vielleicht mag sie sogar mal mit jemandem schlafen, o.k.) - die könnte eine Herausforderung für Einfühlung, Spurensuche, Mitgefühl (nicht Mitleid), Phantasie sein. Mann könnte "die Poesie unseres Geschlechts" entdecken (Ingeborg Bachmann). Viele, die kopulieren, sind keineswegs befreudet.

(Es gibt eine wenig bekannte Lösung. Der Dalai Lama interessiert sich sehr für die westliche Kultur; bei einer Tagung von Psychologen hörte er, daß man Impotenz psychotherapeutisch behandle. Er war verblüfft: in Tibet würden diese Männer eben ins Kloster gehen. Da hätten die meisten auch mehr Chancen, Realisierung zu erreichen. - Freilich sind manche, bei denen "erektile Insuffizienz" diagnostiziert wird - sprachlich sind sie schon gut, unsere Docs! - einfach phantasielos, feig und "sexuell faul", wie David Schnarch schrieb.)

Insgesamt, die Misere der Männer, die Frisch beschreibt, meisterlich finde ich (und mittelbar auch die der Frauen), kommt von weit her, ist eine Fortsetzung schwer überwindbarer Fehlhaltungen schon im frühen Mannesalter. Eine lange Lebenszeit kommt Mann damit irgendwie durch (wenn er nicht das Riesenglück hat, Frauen zu finden, die ihm jeweils den Kopf zurecht setzen) - aber irgendwann eben nicht mehr. Auch spät im Leben kann Mann noch ein wenig weiser werden. Nichts ist dabei hilfreicher als hie und da die großen Augen einer Freundin, ihr freundlich-ironisches Lächeln . . .

(Christine Busta fällt mir ein, eine wenig bekannte Dichterin, die sich mit ca. 70 verliebte - richtig verliebte - und ein Bändchen glücklicher Liebesgedichte schrieb. Unter dem Aspekt von Alter und nicht mehr fernem Tod. Oder Walter Helmut Fritz' "Herzschlag": Liebesgedichte für seine Frau, über Jahrzehnte hinweg.)

Eine sehr späte Notiz von Max Frisch, aus den erst kürzlich publizierten "Skizzen zu einem dritten Tagebuch":

Hänge ich am Leben?

Ich hänge an einer Frau.

Ist das genug?
Alles Liebe,
Windpferd
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo Grille

Hallo Grille,

Du kommst also aus den Tiefen des Forums hier her.
Schön, daß Du da bist.
Ich habe ein wenig in Deinen Beiträgen dort gelesen und habe gesehen, daß Du mit vielen Teilnehmern guten Austausch gehabt hast.

So nun zum Alter ich bin 57 Jahre alt habe drei Kinder und drei Enkelkinder.

Wie wunderbar, da hast Du schon einmal keine Niete gezogen.
Das Schicksal hat es gut mit Dir gemeint.

Ich habe Dir ein Bild eingestellt von einer Dachauer Malerin, die hatte auch etwas zu erzählen aus ihrem Leben. Mit 7 Kindern vertrieben und mit dem berühmten Treck über das Eis bis nach Bayern gekommen. Sie ist jetzt mit über 95 Jahren gestorben.

Das Vorlesen ist eine liebe Pflicht, die auch kranke Menschen noch für ihre Enkelkinder erfüllen können.

soll es das jetzt gewesen sein, mit Sicherheit werde ich früher sterben und vorher gepflegt werden müssen der Gedanke macht mich fertig.

Da kann man sich sehr täuschen, liebe Grille.

Vielleicht versuchst Du "die Zeit, die Dir noch bleibt" anzufüllen mit sogenanntem "Zeitvertreib". Musik hören, lesen, im Internet surfen und hier zum Beispiel weiterlesen, was sich die Teilnehmer alles einfallen lassen um ihr Alter zu bereichern.

Manchmal denke ich dann auch,egal wie alt ich bin ,wenn ich doch wenigstens gesund wäre.

Das teilst Du mit 1000den von Leuten hier, die tagtäglich versuchen mit ihrem Kreuz zurande zu kommen.
Du bist nicht allein - an jeder Ecke steht einer und bremst Deine schwarzen Gedanken aus.

Und vor allem: "Du kannst nicht weiter fallen als in Gottes Hand". (Bonhoefer)

Liebe Grüße
Margot
 

Anhänge

  • IMG_2771.jpg
    IMG_2771.jpg
    338.2 KB · Aufrufe: 5
Hallo Margot
Vielen Dank ,das hast du sehr schön geschrieben,es tut gut wenn einer auch nur etwas sagt was mich wieder aufmuntert.
Ich versuche auch mich immer wieder zu trösten und mir das Leben schön zu machen aber ich habe keine Kraft mehr,weist du was ich meine?
Es ist unglaublich schwer sich hoch zu ziehen.
Manch einer am Reck zieht sich hoch wie nix und andere schaffen es einfach nicht.
Der Psychotherapeut sagt immer,"sie sind nicht allein,das haben andere auch" ja das weiß ich aber es hilft mir nicht,soll ich jetzt nur schweigen wo mir doch das Reden ganz gut tut.
Ich weiß alle wollen mir helfen,es ist nicht einfach das zu tun.Früher war ich ja sehr Verständnislos mit solchen Menschen ,ich konnte es nicht verstehen,kann man auch nicht wenn man nicht selber mal so weit war.
Ich war ein fröhlicher Mensch,Hans Dampf in allen Gassen und jetzt kann ich noch nicht mal mehr lachen,es schmerzt so sehr ,man kann es nicht beschreiben.
Es ist auch nicht meine Art rumzujammern doch manchmal braucht man einfach etwas aussprache.
Ich Danke dir sehr das du meinen Brief gelesen hast und so schöne Worte gefunden hast für mich.
Alles Liebe
Grille
 
Hallo Margot, hallo Grille,

". . . Vielleicht versuchst Du "die Zeit, die Dir noch bleibt" anzufüllen mit sogenanntem "Zeitvertreib". Musik hören, lesen, im Internet surfen . . ."

??

In uralten Traditionen (von denen viele noch lebende Vertreter haben) wird etwas anderes empfohlen: Zu beten oder zu meditieren (was kein so großer Unterschied ist). Die ganze Zeit. Und anderen Freude zu machen, zu helfen. (Auch wenn das irgendwann nur noch auf dem Weg über Beten und Meditieren geht.) Also nicht etwa zu "glauben" sondern zu praktizieren. (Das wird fast immer verwechselt.) Es ist nie zu spät - aber besser ist es früher anzufangen,

Gut, es gab / gibt Menschen, die sich ihrem Tod stoisch / heroisch näherten, nähern. Aber da bleibt, nach meiner Erfahrung eine gewisse Härte.

Hildegard - ich weiß nicht viel von ihr, beweifle aber, ob sie "Zeitvertreib" enpfohlen hat. (Allein schon das Wort . . .)

Liebe Grüße
Windpferd
 
Hallo Windpferd
Vielen Dank für die lieben Worte.
Das ist mein Problem ,es anzunehmen das es nicht mehr so geht,ich war immer ein Arbeitstier und dann bekommt man praktisch Hand und Fußschellen,das ist der Hauptgrund warum ich in Behandlung bin.
Ich mache alles mögliche,dann verfalle ich wieder in einen Acord so zu sagen und übertreibe wieder weil ich nicht aufhören kann,was meinem Körper ja gar nicht gut tut,dann breche ich völlig übervordert zusammen lege mich ins Bett und weine,jetzt muß ich hier liegen und kann nichts machen.
Ich stecke meine Ziele viel zu hoch ich kann aber nicht anders.
Bei uns zu Hause war Arbeit das AundO wer fleißig war war gut angesehen.
So das ganze ist ja jetzt nicht nur Psyschich sondern mein Körper macht ja auch nicht mehr mit und die Gehirnzellen sind auch schon betroffen so das ich auch Theoretich an Grenzen komme.
Ich schreibe ,beete,bastel,lese stricke,helfe anderen mit Tee und Kräutern und immer weiter weiter kann nicht ruhen bis zum umfallen,das ist nicht einfach sagt mein Psy.
War insgesamt schon 6 Monate in der Klinik aber wir wissen nicht mehr weiter.
Grille
 
Hallo Windpferd,

". . . Vielleicht versuchst Du "die Zeit, die Dir noch bleibt" anzufüllen mit sogenanntem "Zeitvertreib". Musik hören, lesen, im Internet surfen . . ."

Warten können ist eine gute Eigenschaft bei alte Menschen.
Immer schön der Reihe nach, das ist eine leichte Übung.
Beides möchte ich hier einbringen.
Dazu gehört, einen Prozeß, der in der Entwicklung ist, nicht gleich mit Voschlägen zuzudecken die eine gewisse Übung erfordern.
Wie geht denn das, was Du Grille vorschlägst? Kannst Du ihr dabei helfen?


Hildegard - ich weiß nicht viel von ihr, beweifle aber, ob sie "Zeitvertreib" enpfohlen hat. (Allein schon das Wort . . .)

Tja, da wäre es halt gut, wenn Du einmal ein Buch über ihr Leben in die Hand nehmen würdest. Ich kann Dir aber insoweit versichern, daß Zeitvertreib sehr wohl zu den Vergnügungen Hildegard und ihrer schönen jungen Schülerinnen gehört hat. Das war so öffentlich, daß eine Äbtissin (Elisabeth von Schönau) aus einem anderen Kloster ihr vorhielt, daß die Bingener in weißen Gewändern, Schmuck und offenen Haaren getanzt hätten und daß sich das nicht ziemen würde für ein Kloster.

Hildegards Antwort war: sinngemäß, daß das alles zur Ehre Gottes wäre.
Hildegards Lieder füllen einen ganzen Band und wenn ich darf werde ich später ein paar Texte davon einstellen.


und nicht nur das, ich schau mal nach noch mehr Beispielen.

Jetzt aber gehe ich zum Zeitvertreib und trinke mit ein paar netten Damen Kaffee. Vorher muß ich noch meine Haare waschen.


Liebe grüße
Margot

Das Bild stellt die Tugend "Sehnsucht nach dem Himmlischen " aus dem Katalog der Tugenden und Laster dar. Die Texte dazu stehen in ihrem 3. dialogischen Werk "liber divinorum operum" "Das Buch der Werke Gottes"
 

Anhänge

  • 27 Sehnsucht nach dem Himmlischen.jpg
    27 Sehnsucht nach dem Himmlischen.jpg
    99.9 KB · Aufrufe: 6
Zuletzt bearbeitet:
Ich überlege gerade, was "alt" und "alt werden" eigentlich bedeutet?

Ist damit ein bestimmtes Alter gemeint, geht es um ein eher starres Denken? Wird man alt, wenn man in Rente geht oder ist man dann schon alt?

Sind nicht die Vorstellungen von "alt" je nach Mensch völlig verschieden? Kommt es nicht auf die Perspektive an?
Eine 80-Jährige wird wahrscheinlich eine 95-Jährige als richtig alt empfinden. Aber genauso kann eine 17-Jährige eine 30-Jährige auch schon als sehr alt empfinden. Zu mir hat mal eine 16-Jährige gesagt (ich war gerade 30 geworden): "Wenn Sie nit so steinalt wäret, dann wäret Sie eigentlich ganz nett:" :))).

Grüsse,
oregano
 
Hallo Grille,

ein bißchen, glaub ich, kann ich verstehen, was Du beschreibst.

Vielleicht sollst Du gar nicht "annehmen". Es gibt in der Heilkunst garantiert Dinge, die man in 6 Monaten Klinik niemals kriegt.

Bedenk: eine Psychotherapeutin kann Dich nie weiter bringen, als sie selber ist. Vielleicht hat die Deine nie durchgestanden, worin Du jetzt lebst. Die haben Psychologie studiert - aber da lernt man wenig über die Seele.

Und bedenk: das Zentrum Deiner Person, das Seelenfünklein, das Herz (nein, nicht das romantische, emotionale; "das Herz im Herzen" schrieb ein Dichter), hat eine verborgene aber ungeheuere Kraft. Dieses Zentrum ist es, was immer schon betet / meditiert; Du brauchst Dich nur daneben zu setzen. Funktioniert. Eine Kraft, die viel größer ist als die jeder Psychotherapie.

Wichtig (hatte ich vergessen): Meditieren etc. nicht immer allein (wenn's irgendwie möglich ist) und auch nicht primär für sich selber. Das scheint unserer Natur zu widersprechen.

Ich glaub, Du könntest vielleicht auch was zur Beruhigung brauchen. Vor allem gut schlafen. Bewegung, auch ein wenig anstrengende, solang Du im aeroben Bereich bleibst. Tiefe Bauchatmung. Entspannungsmethoden. Die Shiatsu-Meridiandehnungübungen. Einen Menschen, der Dich einfach in den Armen hält. Und dabei "da" ist. (Ganz brüder-/schwesterlich.) Und - das ist kein ärztlicher Rat sondern Gemeingut - Baldrian (Absud der gemahlenen Wurzeln, ohne Alkohol), Johanniskraut, 5-HTP (aktiviertes Tryptophan), SAM (S-Adenosylmethionin), viiiel Vitamin D, usw. Möglichst viel grünbetonte Rohkost. Keinerlei Zuckerzeug. Superwichtig immer: Schutz gegen HF-Elektrosmog. Trennung von allen Giftzähnen, leider.

Du kannst nicht anders, schreibst Du. Verzeih: das stimmt NIE. Gut, im Großen geht es nicht. Aber in fast jedem Augenblick kannst Du eine winzige Kleinigkeit anders machen. Wenn Du deprimiert bist: aufrechte Haltung. Wenn Du weinst: Deine weit offenen Augen zum Horizont. Und dabei einatmen. Wenn Dich schlimme Gedanken quälen: Dich abrupt um 90 Grad drehen und laut "STOP!" sagen. U.v.a.m. - Dies alles einfach TUN. Minütlich. Nicht drüber philosophieren. O.k.?

Du kannst Dein Denken immer wieder umpolen. Nicht denken: "Ich hab ein Problem, eine Katastrophe." Sondern: "Ich hab eine Herausforderung, eine Aufgabe, ja: ein Geschenk.") Es reicht, wenn so etwas für ein paar Sekunden wirkt. Die Spanne wird langsam länger.

Deine Existenz ist sinnvoll. Allein wie mutig Du Dich hier erkennbar machst, kann anderen helfen.

Ich denk, für Dich geht es noch sehr um die Frage "Gibt es ein Leben VOR dem Tod?" Ja, gibt es. Auch für Dich.

Alles Liebe,
Windpferd
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Als Lehrerin für die Töchter adeliger Familien hatte Hildegard von Bingen auch dafür zu sorgen, daß die Einstellung der Mädchen zum Glauben ausgebildet wird. Zum Gebet hat sie diese Zeilen geschrieben.

„Wenn nämlich der Mensch,
aus der Gabe des heiligen Geistes,
Gebete in seinem Herzen spricht
dann können diese Bitten,
in Lauterkeit vorgetragen,
nicht mehr aufgehalten werden,
steigen vielmehr auf vor Gottes Angesicht.“

HvB

Die Staatbilbliothek in München hütet einen Schatz, das kleine Gebetbuch Hildegards.

D

Liebe Grüße
Margot
 
Zuletzt bearbeitet:
Für Oregano

Wann bis Du alt?

Ein Spiegel hängt in Deinem Zimmer,
Du stehst davor, das Haupt geneigt
und seufzest, weil ein grauer Schimmer
sich an Deinen Schläfen zeigt.

Beim Lesen streikt Dir die Pupille
und neue Zähnchen brauchst Du bald.
Du seufzt und murmelst in der Stille:
"Ach ja, ich werd nun langsam alt."

Nicht seufzen sondern lieber schmunzeln,
kriegt auch Dein Haar ein Silberstich
und Deine Stirne ein paar Runzeln,
das ist doch alles äußerlich.

Manch einer ist vielleicht erst zwanzig
und außen herrlich von Gestalt,
doch innen schwunglos, trocken, ranzig
und miesepetrig - das ist alt!

Solange Deine Augen glänzen
im Feuer der Begeisterung,
bist Du mit Deinen vielen Lenzen
trotz Brille und Gebiss noch jung.
 
Oben