„Mitten im Winter habe ich erfahren,
dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt.“
Albert Camus
I. Was bedeutet Resilienz aus ganzheitlicher Sicht?
Resilienz bedeutet Widerstandskraft, Frustrationstoleranz, und ist jene geistig-psychische und erlernbare Fähigkeit an Schwierigkeiten, Verletzungen, Problemen, Schicksalsschlägen nicht zu zerbrechen, ihnen zu trotzen und gestärkt und gewachsen daraus hervorzugehen.
Resilienz kann als das Rüstzeug erfolgreicher Menschen bezeichnet werden, die gesund erhaltende und Wachstumsfördernde Haltungen entwickeln und Scheitern, Niederlagen und Schwierigkeiten als zum Leben gehörend akzeptieren, sich ihnen stellen und dabei neue Lösungen finden und ihre Potenziale entfalten. Aus einer nachhaltigen und proaktiven Sichtweise kann Resilienz nur Folge einer integrierenden und sinnvollen Persönlichkeitsentwicklung sein.
Unsere heutige komplexe und dynamische Welt erfordert von uns allen ein hohes Maß an Persönlichkeitsentwicklung und Resilienz um den zunehmenden Anforderungen gerecht zu werden. Ein hohes Maß an Persönlichkeitsentwicklung kann aber nicht mit Techniken und Tricks erreicht werden. Denn das „Symptom“ mangelhafte, nachhaltige Problemlösungskompetenz ist weit verbreitet und Ausdruck der „Krankheit“ mechanistischen Lebens- und Führungsverständnisses. Es ist höchste Zeit sich von der orientierungslosen Implementierung immer neuer Techniken und Trends als Allheilmittel zu verabschieden.
Wir müssen uns den tieferen Fragen unseres menschlichen Seins und des Sinns stellen. Wir brauchen vielmehr ein neues, ganzheitliches Verständnis unseres Menschseins. Und dabei kommen wir nicht um Fragen herum, die wir nur allzu gerne verdrängen. Die Fragen: wer bin ich, wer könnte ich sein und welches Menschenbild müsste mich leiten, wenn ich erfolgreich, gesund erhaltend und erfüllt leben und leisten möchte.
Dies setzt ein konsequentes Bewusstwerden, Korrigieren und gezieltes Steuern unseres Menschenbildes, Selbstbildes und Weltbildes voraus: von verzerrten, verkürzten zu menschenwürdigen, stärkenorientierten Bildern. Denn diese inneren Bilder sind die Urheber unserer bewussten oder unbewussten Werte- und Unwertehaltungen und daraus folgendem Verhalten und Handeln. Sie entlarven, wes Geistes Kind wir sind und welche Auswirkungen sie auf uns selbst, unsere Gesundheit, unser Wohlergehen, unseren Erfolg und andere Menschen, Unternehmen und die Welt haben.
II. Die Bedeutung der Menschenbilder für die Entwicklung von Resilienz
Der Bedeutung und den Konsequenzen dieser inneren Bilder für die Entwicklung von Menschen und Unternehmen wurde bislang in Theorie und Praxis zu wenig Rechnung getragen.
Abbildung 1: Die Macht, die von Welt-, Menschen- und Selbstbildern ausgeht (1)
Diese Abbildung verdeutlicht den Kern allen Verhaltens und Handelns und lässt erkennen, warum nur am Verhalten und Handeln orientierte Veränderungsprozesse lediglich das Symptom, nicht aber die Krankheit kurierend, nachhaltig nicht wirksam sein können.
Jede verantwortungsvolle und nachhaltige Veränderung muss deshalb bei unseren inneren Bildern ansetzen, um eine menschenwürdige, nachhaltiges Wachstum fördernde und gesund erhaltende Zukunft zu ermöglichen.
Auf der Basis innerer Bilder schaffen Menschen Wirklichkeiten und Zukunftsszenarien. Die Frage ist nur „welche“?
Die moderne Gehirnforschung bestätigt die Bedeutung und die Macht unserer inneren Bilder in Form von Selbst-, Menschen- und Weltbildern. Diese Bilder prägen unser Denken, Fühlen und Handeln. Die Art und Weise, wie ein Mensch denkt, fühlt und handelt, ist ausschlaggebend dafür, welche Nervenzellverbindungen – neuronale Verknüpfungen – in seinem Gehirn stabilisiert und ausgebaut und welche durch unzureichende Nutzung gelockert und aufgelöst werden. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, wie die inneren Bilder beschaffen sind, die sich ein Mensch von sich selbst, von seinen Beziehungen zu anderen und zu der ihn umgebenden Welt und nicht zuletzt von seiner eigenen Fähigkeit, sein Leben nach seinen Vorstellungen zu gestalten, macht. Von der Beschaffenheit dieser einmal entstandenen inneren Bilder hängt es ab, wie und wofür ein Mensch sein Gehirn benutzt. (2)
Es gibt innere Bilder, die Menschen Angst machen, sie klein machen, sie in Hoffnungslosigkeit, Resignation und Verzweiflung stürzen (3), sie zu nur am Eigennutz und Selbstsucht orientierten, verantwortungslosen, sich selber, anderen Menschen und der Gesellschaft schädlichem Verhalten und Handeln führen. Die Bilder narzisstisch, egozentrischer, nur zahlenorientierter Manager zählen zu dieser Kategorie.
Es gibt aber auch Bilder, aus denen Menschen Mut, Ausdauer, Zuversicht, Resilienz, Lernfreude, und Wachstum schöpfen, die die Grundlage sinnvollen und demnach ethisch verantwortungsvollem Verhalten und Handeln sind. . Exakt das sind die Bilder, gelebter Lebensverantwortung und Resilienz, die wir für menschliches und wirtschaftliches Wachstum und eine humane Zukunft brauchen.
Mit Blick auf diese Erkenntnisse müsste die Persönlichkeitsentwicklung exakt bei diesen inneren Bildern ansetzen, um von einer rein Ressourcen nutzenden in eine Potenzial entwickelnde Kultur hineinzuwachsen, die sowohl menschliches als auch unternehmerisches Wachstum auf eine lebensfreundliche und menschengerechte Art fördert.
Das wissenschaftlich fundierte Menschenbild Viktor Frankls erfüllt diese Kriterien auch und gerade vor dem Hintergrund der heutigen gesellschaftlichen Realität.
Dieses Menschenbild ist würdig, stärkenorientiert, herausfordernd und gesund erhaltend.
Gemäß seiner Anthropologie ist der Mensch ein ambivalentes Wesen, in jedem Augenblick fähig zum Guten wie zum Bösen. Die Verinnerlichung dieser Tatsache kann Menschen im Zeitgeistphänomen des Machbarkeitswahns wieder auf den Boden der Realität und in die gebotene Bescheidenheit zurückführen. Nur im vollen Bewusstsein der Existenz der „beiden Seelen in unserer Brust“, ist eine demütige, achtsame, verantwortungsbewusste, reflektierende und aus unseren Fehlern lernende Haltung möglich. Eine Grundvoraussetzung also für eine gelebte und erlebte Lebens- und Gestaltungsverantwortung.
Frankl sieht im „Willen zum Sinn“ die Primärmotivation des Menschen. Mensch sein hieße demnach Positives für sich und andere Menschen zu bewirken und der Welt Sinnspuren zu hinterlassen.
Diese Erkenntnisse bestätigt auch die moderne neurobiologische Forschung: „Wir sind – aus neurobiologischer Sicht – auf soziale Resonanz und Kooperation angelegte Wesen. Kern aller menschlichen Motivation ist es, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung oder Zuneigung zu finden und zu geben.“ (4)
Für Frankl ist der Mensch ein dreidimensionales Wesen (Körper, Seele, Geist), wobei er in der geistigen Dimension die entscheidend humane Dimension sieht. Die geistige Dimension unterscheidet den Menschen von allen anderen Lebewesen. Sie ist die Dimension des Sinn- und Wertespürens. Sie ist die Grundlage für die Entwicklung einer hohen spirituellen Intelligenz, jener Intelligenz, die Resilienz als Lebenseinstellung erst möglich macht. Die Geschenke der geistigen Dimension sind: die Freiheit, die Verantwortung, die Selbstdistanzierung und die Selbsttranszendenz. Mit Blick auf Resilienz bedeutet dies, dass Menschen nicht Opfer vorgegebener Gesellschafts- und Unternehmensphilosophien und daraus resultierender Richtlinien sind, sondern immer die Freiheit zur Stellungnahme haben. Getreu nach Heinz von Förster: „Du hast immer die Wahl, wenn nicht war das deine“. Diese Erkenntnis kann aus der Opferrolle befreien und in die volle Selbstverantwortung und Entwicklung von Resilienz führen. Nach dem Motto: „will ich dafür wirklich gelebt, geleistet und geführt haben? Die Fähigkeit der Selbstdistanzierung befähigt Menschen die Sackgasse der Selbstverliebtheit und bloßen Eigennutzens zu verlassen und echte Beziehung zu anderen Menschen und der Welt aufzubauen und damit die notwendige Empathie für die Menschen und die Probleme dieser Welt zu entwickeln. Die Fähigkeit zur Selbsttranszendenz ermöglicht echte, innerlich bejahte Hingabe an andere Menschen und Aufgaben, die Grundlage einer dienender Lebens- und Führungshaltung und einer qualitativ hochstehenden Dienstleistungskultur, von der wir alle träumen.
Aus diesem Verständnis unseres Menschseins kann Lebens-, Führungs- und Gestaltungsverantwortung entwickelt und Leben und Leisten nachhaltig erfüllt und gesund erhaltend gelingen.
III. Resilienzentwicklung im Kontext einer ganzheitlichen salutogenen Persönlichkeitsentwicklung
Menschliches Wachstum und Gesunderhaltung beginnen genau dort, wo die meisten Techniken aufhören, nämlich beim Menschen und seinen geistigen Potenzialen.
Deshalb wollen wir hier der Frage nachgehen, wie menschliches Wachstum und Gesunderhaltung als Grundlage für Resilienz im Kontext unseres ganzheitlichen Gesundheitskonzeptes gelebt werden können.
Abbildung 2: Das Konzept der ganzheitlichen Gesundheit (5)
Vor dem Hintergrund weit verbreiteter krankheitsförderlicher Faktoren in den sich rapide verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und besonders im Arbeitsleben und den daraus resultierenden Stress bedingten „Destabilisierungserkrankungen“, wie Burnoutsyndrom, Angsterkrankungen, Depressionen, Sucht- und ernährungsabhängigen Krankheiten mit dramatischen Auswirkungen für Volkswirtschaft und Gesellschaft halten wir eine salutogene Geisteshaltung für eine unabdingbare Voraussetzung für die nachhaltige Entwicklung von Resilienz und Persönlichkeitsstärke.
Am Beispiel unseres Viersäulenmodells ganzheitlicher Gesundheit sollen deshalb die allerwichtigsten Ansätze für eine gesund erhaltende Lebenseinstellung aufgezeigt werden.
Das Basisfundament unseres Tempelmodells zeigt mögliche Determinierungen, die zu jedem Menschenleben gehören. Unsere Möglichkeiten und Chancen repräsentieren jedoch die Begriffe eines zweiten darüber liegenden Fundaments, über die wir die vier Säulen der Gesundheit positiv gestalten können.
4.4.1 Die physische Gesundheit
„Tu Deinem Leib etwas Gutes, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen“
( Theresa von Avila)
Nach großen wissenschaftlichen Studien über die langlebigsten menschlichen Populationen der Welt kann über mehrere Faktoren des Lebensstils Gesundheit in positivem Sinn mit gestaltet werden. In den Bereich der Führungsverantwortung für die Gesundheit fallen hier vor allem die Faktoren Bewegung, Ernährung und Genussmittelkonsum.
Fragen zum Selbstcoaching:
- Fördere ich besonders den unbewussten Anteil täglicher körperlicher Aktivität durch Benutzen der Treppe statt des Aufzuges, mehr beruflicher und privater Aktivitäten im Stehen und Laufen statt im Sitzen und Liegen?
- Sorge ich für regelmäßige gesundheitswirksame Bewegung in Form von 3-5 wöchentlichen Einheiten (30 – 45 Min.) von flottem Spazierengehen, Wandern, Radfahren, Schwimmen, Tanzen, Gartenarbeit oder Golfen?
- Ernähre ich mich gesundheitsförderlich? Ist meine Ernährungsweise genussvoll und sättigend, verträglich, bedarfsgerecht, und Umwelt- und Sozial verträglich: keine Lebensmittel wegwerfen, weniger Fleisch konsumieren?
- Genieße ich Alkohol regelmäßig nur in Maßen: täglich maximal 10- 20 Gramm für Frauen und 20-30 Gramm für Männer? Maßvoller Kaffeegenuss ist, individuelle Verträglichkeit vorausgesetzt, gesundheitsförderlich!
- Vermeide ich das Rauchen und den Konsum von Drogen?
- Verfüge ich über Risikokompetenz im Umgang mit gesundheitlichen Fragen?
4.4.2 Die psychische Gesundheit
„Auf die Dauer nimmt die Seele die Farbe der Gedanken an“ (Marc Aurel)
In der heutigen rastlosen, über- und fehlinformierten Wohlstands- und Leistungsgesellschaft gefährden Ängste und dysfunktionale Gedanken unsere Gesundheit.
Unsere Gefühle sind nicht nur harmlose Stimmungen. Unsere Haltungen nicht nur belanglose, beliebige Einstellungen. Sie sind die Kräfte, die unser Lebensglück, unseren Erfolg und unsere Gesundheit bestimmen. Wir müssen deshalb sehr achtsam mit gesundheitsgefährdenden Gefühlen und Einstellungen umgehen.
Fragen zum Selbstcoaching:
- Was tue ich zur Förderung meiner persönlichen, psychischen Gesundheit?
- Helfe ich Menschen in meinem Umfeld gesunderhaltende Einstellungen zu entwickeln?
- Bin ich als Mensch Vorbild mit Blick auf meine Einstellungen zu den Dingen?
- Fühle ich mich als Opfer oder als Gestalter meines Lebens und Leistens?
- Was unternehme ich, um Menschen in meinem Umfeld zu helfen in die Selbstwertstärkende Gestalterrolle hinein zu wachsen?
4. 4. 3 Die soziale Gesundheit
„Mein Ich wird erst am Du zum ich“ (Martin Buber)
Gesundes, erfolgreiches und gelingendes Leben, Führen und Leisten setzen gute Begegnungen und zwischenmenschliche Beziehungen voraus. Ein stabiles Selbstwertgefühl und menschen- und lebensfreundliche Haltungen garantieren stabile soziale Rahmenbedingungen, in denen sich Menschen wohlfühlen, gegenseitig aufbauen und in ihren Stärken bestätigen.
Fragen zum Selbstcoaching:
- Überprüfe ich in Familie und Berufsumfeld den Kommunikationsstil im Hinblick auf ein respektvolles und wertschätzendes Miteinander?
- Welcher Kommunikationsstil prägt unser Miteinander auch in Stresssituationen?
- Verhalte ich mich hilfsbereit und solidarisch? Kann man sich auf mich verlassen?
- Wie gehen wir mit Konflikten um?
- Reden wir miteinander oder übereinander?
- Ist unser Miteinander eher von einem versöhnlichen, lernenden Geist oder von nachtragenden Haltungen geprägt?
- Fokussiere ich eher das Positive oder eher das Negative?
4. 4. 4 Die existenzielle Gesundheit
Hat der Mensch einen Sinn dann ist er …… ( Viktor Frankl)
Zum Glücklichsein braucht der Mensch Sinn. Sinn ist die Primärmotivation des Menschen und hat gesundherhaltenden Charakter. Im Rahmen der Entwicklung von Persönlichkeitsstärke und Resilienz ist es besonders wichtig sein Leben und Leisten als sinnvoll und gut zu erfahren, um ein starkes Gefühl von Selbstwirksamkeitsüberzeugung zu verinnerlichen.
Fragen zum Selbstcoaching:
- Wozu bin ich gut?
- Womit kann ich im Privatleben und im beruflichen Umfeld dienen?
- Was hätte ich noch zu geben?
- Wie könnte ich mich noch mehr meinen Menschen und Aufgaben hingeben?
- Wie kann ich Resilienz und Stehvermögen gegenüber den wachsenden
- Herausforderungen entwickeln?
- Wie kann ich mein Selbstwertgefühl und das meiner Menschen steigern?
- Womit kann ich die Menschen, das Unternehmen, die Welt bereichern, Sinnspuren hinterlassen, dabei meine Möglichkeiten und Fähigkeiten nutzen, um meine Existenz zum Gelingen bringen?
Auf der Basis dieser Geisteshaltungen und eines gesundheitsförderlichen Lebensstils können und müssen Menschen gerade in unseren turbulenten Zeiten Resilienz entwickeln um körperlich und geistig gesund zu bleiben und als charakterstarke Persönlichkeiten an einer nachhaltigen und positiven gesellschaftlichen Entwicklung mit zu wirken.
„Jede große Reise beginnt mit einem kleinen Schritt“
(aus China)
Wir möchten Sie einladen, mindestens 10 Tage hintereinander jeden Morgen beim Aufstehen zu überlegen: „Mit welchem guten und starkmachenden Gedanken möchte ich heute diesen Tag einkleiden?“
Weiterführende Informationen
Literatur
Pircher-Friedrich, A.: Mit Sinn zum nachhaltigen Erfolg – Anleitung zur werte- und wertorientierten Führung, Berlin 2011, 3. Auflage
Pircher-Friedrich, A./Friedrich, R.: Gesundheit, Erfolg und Erfüllung – eine Anleitung auch für Manager, Berlin, 2008
Seminar
ZFU: Resilienz – Fels in der Brandung
Fussnoten
1) Pircher-Friedrich, A.: (2005,78)
2) Vgl.:Hüther, G.: Hüther, G.: Die Macht der inneren Bilder – Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verändern, Götingen, 2009
3) Vgl. Hüther, G.: ebenda S. 9
4) Bauer, J.:: Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren, Hamburg, 2007, dritte Auflage
5) Pircher-Friedrich, A../Friedrich, R.: (2008) S. 23 ff