Was ist die Ursache von Demenz? Was sagen uns Symptome? Was könnten wir dagegen tun?
Nun ist es schon ein ganzes Jahrhundert her, seit Alois Alzheimer im Gehirn von schwer demenzkranken Patienten all diese Ablagerungen und Degenerationen nachweisen konnte, die seitdem als die Ursache für den im Alter auftretenden Gedächtnisverlust gelten. Und es schien ja auch sehr plausibel: Wenn der altersbedingte Abbau von Hirngewebe so weit vorangeschritten ist, dass davon auch diejenigen Bereiche und Strukturen betroffen sind, die für das Erinnerungs- und Orientierungsvermögen zuständig sind, bekommt man eine Demenz. Zu Alzheimer`s Zeiten hieß das noch Altersschwachsinn.
Ein irritierendes Forschungsergebnis wird verschwiegen
Tausende Demenzforscher haben seither in allen möglichen Ländern und Forschungseinrichtungen mit unglaublichem Aufwand und enormen Finanzmitteln nach Mitteln und Wegen gesucht, um diese Abbauprozesse und die damit einhergehenden Ablagerungen zu verhindern. Und mitten in diese intensive Suche hinein platzte dann vor etwa 20 Jahren ein völlig irritierendes Forschungsergebnis. Ein Epidemiologe aus den USA hatte herausgefunden, dass es auch Personen mit einem genauso stark geschädigten Gehirn gibt, wie die von Alois Alzheimer beschriebenen Gehirne schwer dementer Patienten. Aber die waren bis ins hohe Alter geistig fit geblieben und zeigten keinerlei Anzeichen einer Demenz.
Weil dieser Befund so gar nicht in das von den Demenzforschern verfolgte und in der Öffentlichkeit verbreitete Bild der Ursachen von Demenz passte, wurde dieses Untersuchungsergebnis zunächst einmal, so gut es ging, verschwiegen, verdrängt und unter den Teppich gekehrt. Eine Zeitlang hat das auch geklappt – bis dann in den letzten Jahren zunehmend deutlicher zu werden begann und in einer Vielzahl von Untersuchungen nachgewiesen werden konnte, dass das menschliche Gehirn bis ins hohe Alter in der Lage ist, neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen aufzubauen. Sogar neue Nervenzellen können sich in einigen Regionen noch bilden. Prinzipiell sollte es also möglich sein, die durch altersbedingte Abbauprozesse auftretenden Defizite durch derartige „Wiederaufbauprozesse“ auszugleichen. Neuroplastisches Potential nennen die Hirnforscher diese Fähigkeit zur Regeneration und Selbstheilung im Gehirn aufgetretener Verluste von Fortsätzen und Verknüpfungen.
Regeneration des Gehirns ist möglich
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse erscheint die Herausbildung von Demenzen in einem neuen Licht: Entscheidend ist also nicht der altersbedingte Abbau von Nervenzellverknüpfungen und Verbindungen im Gehirn, sondern die unzureichende Fähigkeit, diese Abbauprozesse durch die Neubildung und den Wiederaufbau entsprechender Netzwerke auszugleichen. Der Abbau ist ein relativ einfacher Prozess. Der klappt immer. Der Wiederaufbau aber ist sehr kompliziert. Er klappt nur unter äußerst günstigen Bedingungen.
Unter solchen Bedingungen leben die meisten älter werdenden Menschen hier in unseren westlichen Gesellschaften nicht, wohl aber diejenigen, die dieser Epidemiologe untersucht hatte: ein paar hundert Nonnen aus verschiedenen Nonnenklöstern. Was aber ist es, das die Gehirne dieser Nonnen in die Lage versetzt, ihr neuroplastisches Potential so gut zu aktivieren?
Es ist ein Gefühl, dass das Leben dieser Nonnen bestimmt. Die Mediziner, die sich mit der Frage befassen, was Menschen hilft, seltener krank und schneller wieder gesund zu werden, also ihre Selbstheilungskräfte und ihr neuroplastisches Potential optimal zu entfalten, nennen es „Kohärenzgefühl“. Damit eine Person dieses Kohärenzgefühl entwickeln kann, müsste sie all dass, was in ihrer jeweiligen Lebenswelt geschieht, als verstehbar, als gestaltbar und als sinnvoll erleben. Bei den Nonnen ist das bis ins hohe Alter der Fall. Bei uns hier draußen, außerhalb solcher Klostermauern, kann dieses Gefühl nur sehr schwer entstehen. Und je älter wir werden, desto schwieriger wird es, all das, was wir dann erleben als verstehbar, gestaltbar und sinnhaft zu empfinden. Das ist unser Problem und das haben die Nonnen nicht.
Das Leben gestalten und ihm Sinn verleihen
Aber wir könnten auch anders leben. Wir könnten einander helfen, besser als bisher zu verstehen, worauf es im Leben wirklich ankommt. Wir könnten dieses Leben und vor allem unser Zusammenleben auch so verändern, dass wir uns wieder als Gestalter erleben und unserem Dasein wieder einen Sinn verleihen, der zumindest ein wenig über uns selbst hinausreicht. Anstatt uns gegenseitig zu Objekten unserer Vorstellungen und Erwartungen, unserer Belehrungen und Bewertungen oder gar unserer Maßnahmen zu machen, könnten wir einander auch einladen, ermutigen und inspirieren, uns gemeinsam auf den Weg zu machen. Wir könnten einander helfen, die Freude am eigenen Entdecken und am gemeinsamen Gestalten wiederzufinden. Das würde auch unsere Freude am Leben zurückbringen und im Hirn die Nervenzellfortsätze wieder sprießen lassen.
Wir könnten das alles durchaus, und wir könnten auch sofort damit beginnen, wenn wir es nur selbst wirklich wollten. Vielleicht sollten wir es einfach einmal versuchen. Manchmal reicht es schon, einen anderen Menschen anzulächeln, um dieses wunderbare Kohärenzgefühl zu erleben.
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