Wie man sich als anthroposophischer Mediziner einen Professorentitel organisiert ...

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Spannend:

Wer sich über die „Stiftungsprofessur für Integrative und Anthroposophische Medizin“ an der Berliner Charité informieren will, dem lächelt ein grauhaariger Mann im Poloshirt von der Website der Universitätsklinik entgegen. Er heißt Harald Matthes, leitet das Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe und forscht zur Behandlung von Krebs mit Mistelpräparaten. Er ist auch Präsident der Deutschen Akademie für Homöopathie und Naturheilkunde, heißt es auf der Webseite. Was dort nicht steht: wer die Stiftungsprofessur eigentlich mit wie viel Geld finanziert. In anderen Fällen listet die Charité diese Informationen detailliert auf. Und selbst auf Nachfrage macht die Charité um diese Professur ein großes Geheimnis.
Vor seiner Berufung hat Harald Matthes sich noch eine Besonderheit ausgehandelt: Er möchte Chefarzt in Havelhöhe bleiben, weshalb er sich formal am ersten Tag seiner Professorenkarriere an der Charité für fünf Jahre beurlauben lässt. Dieses Konzept nennt sich „Jülicher Modell“. Harald Matthes ist nicht der Erste, der seine Professur in dieser Form ausübt.
Auch unüblich ist, dass Harald Matthes laut dem internen Lehrveranstaltungsverzeichnis keine Kurse an der Charité gibt, obwohl der der taz vorliegende Vertrag neun Semesterwochenstunden Lehre festschreibt. Beim Jülicher Modell sind zwei Stunden Lehre pro Woche die Regel.
Harald Matthes ist also bei der Sache der große Gewinner: Er bekommt einen Professorentitel ohne viele Verpflichtungen, während gleichzeitig Geld an sein Krankenhaus fließt.

Was hat aber die Charité davon?
 
Akademische Titel sind leider in den letzten Jahren durch ihren offensichtlichen und häufigen Missbrauch entwertet worden. Es scheint üblich geworden zu sein, sich solche Titel zu ergaunern, bei einigen Exemplaren sind sogar komplette Ignoranz und Desinteresse am eigenen Fach zu beobachten. Der Medizinbereich insbesondere verfolgt offenbar ganz andere Ziele als die Gesunderhaltung der Bevölkerung.

Also was soll's. Dieser Professor hat sicher nicht stapelweise Leichen im Keller liegen.
 
Ich fürchte, Kate, ich verstehe den Hintergrund deiner Frage nicht. Matthes ist Geschäftsführer des anthroposophisch orientierten Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe und Inhaber einer „Stiftungsprofessur für Integrative und Anthroposophische Medizin“, finanziert von einer Stiftung, die die „Akademisierung der Anthroposophischen Medizin“ für einen ihrer Arbeitsschwerpunkte hält. Wo ist da kein Bezug zur Anthroposophie?
 
Hallo Malvegil,

ok, dann versuche ich mal zu erklären, warum ich das gefragt habe:

1. Dass Titel nicht immer auf Fachqualifikation basieren ist soweit ich weiß ein allgemeines - nicht spezifisch anthroposophisches - Phänomen (wie auch Max Joy schreibt)

2. anthroposophische Ärzte sind immer auch studierte "Schul-"Mediziner und betrachten die speziellen anthroposophischen Therapien ausdrücklich als komplementär - nicht alternativ.

Insofern empfinde ich in Deinem Titel "Wie man sich als anthroposophischer Mediziner einen Professorentitel organisiert ..." das Wort "anthroposophischer" als sachlich/inhaltlich überflüssig und eher als negative Meinungs-oder Stimmungsmache Obwohl Du ja ausdrücklich immer sehr für Sachlichkeit bist.

Und - nur als Nebenaspekt: Eine
Akademisierung der Anthroposophischen Medizin
... müsste doch von Dir eigentlich begrüsst werden, insoweit die Akademisierung auch die "Verwissenschaftlichung" (--> mehr Studien) impliziert?

Gruß
Kate
 
Ja, eine echte Akademisierung der Alternativmedizin wäre zu begrüßen; das ist aber bekanntlich ein Minenfeld, wie man an Edzard Ernst sehen kann. Kate, was ich hier sehe, ist eine Scheinakademisierung, also Akademisierung in der Außenansicht, aber ohne wissenschaftliche Substanz. Eine Mogelpackung. Es wird nicht gelehrt, nicht ausgebildet, und wie wissenschaftlich die Forschung ist, die von dieser Professur ausgeht, bliebe zu untersuchen.

Den Bezug zur Anthroposophie halte ich für zentral, weil die ganze Aktion nicht zufällig auf einen anthroposophischen Mediziner hinausgelaufen ist. Es mag aber sein, daß der Sachverhalt mit dem Threadtitel "Wie man für einen anthroposophischen Mediziner einen Professorentitel organisiert" korrekter erfaßt wäre.
 
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